In „Hört uns zu!“ mit Jessy Wellmer kam auch der gebürtige Rostocker Steffen Baumgart zu Wort. Er vertrat eine starke Meinung.
FC-Trainer in ARD-Doku„Also haltet die Klappe“ – Baumgart mit klaren Worten über seine DDR-Herkunft
In der ARD ist am Montagabend die Dokumentation „Hört uns zu! Wir Ostdeutsche und der Westen“ gelaufen. In der Sendung unterhielt sich die Sport- und künftige „Tagesthemen“-Moderatorin Jessy Wellmer mit vielen Menschen, die in Ostdeutschland leben oder daher stammen. Auch Steffen Baumgart, seit 2021 Trainer des Fußball-Bundesligisten 1. FC Köln, kam zu Wort. Jessy Wellmer traf ihn auf dem Trainingsgelände am Kölner Geißbockheim.
Für ihre Dokumentation sammelte Wellmer, die aufgrund ihrer eigenen Herkunft aus Güstrow selber Betroffene ist, zahlreiche Stimmen zur Situation und Befindlichkeit in den „neuen“ Bundesländern. Sie wollte wissen, wie es zum nochmals gewachsenen Erfolg der AfD kommt und ob es ein besonderes ostdeutsches Selbstverständnis und -bewusstsein gibt.
In Sachsen, Thüringen und Brandenburg finden im kommenden Jahr Landtagswahlen statt, und nie war die Zustimmung zu den Rechtspopulisten so groß wie derzeit. „Es brodelt im Land“, stellte Wellmer fest. Wie konnte es dazu kommen? Gibt es noch immer – oder wieder – das Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein?
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Steffen Baumgart über Besserwisser aus dem Westen: „Ihr wart nicht da, also haltet die Klappe“
FC-Trainer Baumgart stammt aus Rostock, wird aber schon lange von den Fans als Kölner angesehen. „Bombentyp! Der passt genau wie die Faust aufs Auge hier nach Köln“, sagt ein Fan am Geißbockheim im breiten Kölsch. Seine Herkunft spiele keine Rolle. Wellmer stellt Baumgart als eine von vielen ostdeutschen „Erfolgsgeschichten“ vor.
In Baumgarts Biografie spiegelt sich etwas typisch ostdeutsches wider: die Brüche im Lebenslauf und im Berufsleben. Bevor er Fußballprofi und -trainer wurde, war er Polizist sowie Instandhaltungs- und Kfz-Mechaniker. Und er hat einen ausgeprägten Ost-Stolz, wie er sagt. Er erzähle jedem, dass er da geboren sei und wisse, „wo meine Wurzeln herkommen“. Im Zusammenleben mache er keine Unterschiede, aber er wolle sagen, dass er eine „schöne Kindheit“ in der DDR gehabt habe. Er wollte sich für seine Herkunft nicht schämen müssen.
Allerdings sei er damals 16 oder 17 gewesen und habe sicherlich heute eine andere Sichtweise auf vieles. Er wolle „gar nichts zurückhaben“ gibt sich Baumgart wenig nostalgisch. Aber er verwahrt sich dagegen, wenn der Westen ihm wie vielen anderen Ossis erklären wolle, wie er früher gelebt habe. „Ihr wart nicht da, also haltet die Klappe“, nimmt Baumgart kein Blatt vor den Bund.
1. FC Köln: Trainer Steffen Baumgart erlernte mehrere Berufe
Der Trainer des 1. FC Köln musste sich nach der Wende auch beruflich mehrmals neu orientieren. „Wenn du was erreichen willst, musst du halt was anderes machen“, habe er sich damals gesagt. „Ich bin definitiv ein Gewinner aus der Situation heraus“, meint Baumgart. Es habe ihm aber keiner den roten Teppich ausgerollt, sondern er habe sich selber darum gekümmert. Unter Diskriminierung habe er durchaus auch gelitten. Als Trainer wurde er mehrmals von Vereinen abgelehnt, weil er ein Ossi ist, erzählt er.
Baumgart hofft, dass der Graben zwischen Ost und West künftig nicht größer wird. Es solle nicht „jede einzelne kleine Scheißgruppe“ glauben, dass ihre Meinung die wichtigste sei. Man solle endlich gemeinsam was anpacken.
Gute Quoten für ARD-Doku „Hört uns zu!“ mit Jessy Wellmer
„Hört uns zu!“ ist bereits die zweite Dokumentation von Jessy Wellmer über Ostdeutschland. „Russland, Putin und wir Ostdeutsche“ lief im vergangenen Jahr. Schon damals versuchte die Journalistin, die besondere Sicht von Ostdeutschen herauszuarbeiten, damals auf den Ukraine-Krieg.
Wellmer befragte jetzt neben Steffen Baumgart auch die Chemnitzer Band Blond, die sich gegen Rechte engagiert, sowie einen Lufthansa-Techniker, der sich in seiner Arbeitswelt ungerecht behandelt fühlt. Auch den Leipziger Literaturprofessor Dirk Oschmann traf Wellmer, der mit seinem Bestseller „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“ die Debatte neu beflügelt hat.
Laut Mediendienst DWDL waren die Zuschauerquoten für „Hört uns zu!“ am Montagabend gut. 3,21 Millionen Menschen sahen demnach die Sendung, dies wären sogar mehr als bei der Italien-Dokumentation von Ingo Zamperoni. Das entspricht einem Marktanteil von 12,5 Prozent zur besten Sendezeit. Danach wurde das Thema Ost und West noch mit einer Diskussionsrunde bei „Hart aber fair“ vertieft – wobei ein Porträt von Steffen Baumgart im Studio-Hintergrund für längere Zeit zu sehen war. (mit dpa)