Alfred Biolek hat das Fernsehen geprägtEr machte sich nie auf Kosten anderer groß
Köln – Mit einer Hummel vergleichen sich vermutlich nicht viele Menschen. Als Alfred Biolek 2008 die Goldene Kamera für sein Lebenswerk erhielt, sagte er, er sei wie das Insekt. „Aus aerodynamischen Gründen kann sie nicht fliegen, aber die Hummel kümmert das nicht, sie weiß es auch nicht und fliegt trotzdem. Und so bin ich auch.“
Hoch geflogen ist er in der Tat, und das in einem Beruf, der für den 1934 in Freistadt im heutigen Tschechien geborenen Sohn eines Juristen vermutlich unerreichbar schien: als Unterhaltungskünstler, Talkmaster und Fernsehkoch. „Ich wollte Priester werden, Zirkusdirektor oder Dirigent. Und ich bin von allem etwas geworden“, schrieb er in seiner Autobiografie.
Seine Mutter war enttäuscht
Seiner Mutter wäre es allerdings lieber gewesen, der Lieblingssohn hätte als Jurist gearbeitet. Als der damals schon berühmte Moderator ihr in seiner Show „Bio’s Bahnhof“ zum 80. Geburtstag gratulierte, sagte sie, sie sei sehr unglücklich über seinen Beruf: „Ich möchte nur, dass du Anwalt bist.“
Diesen Wunsch hat er ihr nicht erfüllt, und vermutlich war sie die einzige, die das bedauerte. Zu seinen Eltern hatte er dennoch ein gutes Verhältnis, seine Kindheit beschrieb er als behütet und glücklich. Der Zweite Weltkrieg zerstörte die Idylle, die Heimat musste die Familie 1946 verlassen. Sie zog nach Waiblingen bei Stuttgart.
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Nach dem Jurastudium, das er mit Prädikatsexamen abschloss, und einer anschließenden Promotion, zog es ihn zum Fernsehen, zunächst als Justiziar in der Rechtsabteilung des ZDF. Doch dort hielt er es nur kurz aus.
Dem Mann mit der Nickelbrille gelang der berufliche Durchbruch 1974 als Produzent der Show „Am laufenden Band“ mit Rudi Carrell. Aber Biolek reichte die Arbeit hinter der Kamera nicht. „Ich wollte auf die Bühne, ich hatte einen unglaublichen Selbstdarstellungsdrang“, sagte er einmal. Und auf der Bühne war er auch genau richtig. Kaum jemand hat die Unterhaltung im deutschen Fernsehen so geprägt wie er. Talk- und Kochshows sähen heute anders aus, wenn es ihn nicht gegeben hätte.
Schon zu Studienzeiten hatte er in der Kabarett-Gruppe „Das trojanische Pferd“ die kreative Seite seiner Persönlichkeit ausgelebt, entsprechend wohl fühlte er sich im Kölner Senftöpfchen. Sein dort entwickeltes Format „Wer kommt, kommt zurück“ schaffte es 1976 unter dem Namen „Kölner Treff“ ins WDR-Fernsehen. Biolek moderierte mit Dieter Thoma, und die beiden ließen nicht nur Prominente zu Wort kommen.
Er genoss den Ruhm
Mit „Bio's Bahnhof“ wurde er endgültig zum Star. Und das genoss er sehr, wie er unumwunden zugab. „Sind Sie eitel?“, wurde er einmal im Schweizer Fernsehen gefragt. „Ja, natürlich. Haben Sie schon mal einen Sportler gefragt, ob er sportlich ist? Ist doch klar in unserem Beruf. Sonst würde man das doch nicht machen, sich vor Menschen hinstellen und den Kasper machen.“
Die Mischung aus Show und Musik in „Bio’s Bahnhof“ kam beim Publikum gut an. Da ging es gerne auch mal ein bisschen skurril zu, Biolek war immer experimentierfreudig. Das wohl größte Lob erhielt er von der amerikanischen Unterhaltungslegende Sammy Davis Jr., der sagte, das sei die außergewöhnlichste Show, in der er je aufgetreten sei.
Biolek machte sich nie auf Kosten anderer groß, im Gegenteil, er förderte Talente, machte Monty Python in Deutschland bekannt. Er wollte niemanden vorführen, war neugierig und ehrlich interessiert an den Menschen, die er in seinen Sendungen traf. Er konnte albern sein und war doch sehr tiefgründig. Sein Humor war nie verletzend. „Man erkennt den Charakter eines Menschen an den Späßen, über die er lacht“, betonte er.
Humor bewies er auch in „Boulevard Bio“, seinem nächsten großen Erfolg. Zwei Stühle, ein Blumenstrauß, mehr brauchte er nicht, um seine Gäste im netten Plauderton dazu zu bewegen, Persönliches preiszugeben. 1996 kam gar der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl zu Besuch und verriet, dass er am liebsten Karamellpudding kochte. Zu seicht war das manchen, Biolek war das egal.
1991 wurde sein eigenes Privatleben zum Gesprächsthema, als ihn Rosa von Praunheim in einer Live-Sendung outete. Schlagzeilen mit einer Sendung machte er erneut ab 1994 mit „alfredissimo!“, in der er mit prominenten Gästen kochte, Wein trank und plauderte. Auch hier hielt er sich mit vernichtender Kritik zurück. Die „Hmmmm“-Skala als Qualitätsmaß für ein Gericht wurde zu seinem Markenzeichen, fand er etwas „interessant“, war es wohl ungenießbar.
2006 zog er sich aus dem Fernsehen zurück. Er wollte die richtige Zeit für den Absprung nicht verpassen: „Ich habe auf dem Höhepunkt aufgehört, besser konnte es nicht werden.“ Im Jahr 2010 verletzte er sich bei einem Treppensturz schwer, brauchte lange, um sich zu erholen.
In den letzten Jahren erfreute er sich an kleinen Dingen
Danach waren es vor allem die kleinen Dinge, die ihm Freude bereiteten. Er liebte es, in Köln in der Nähe vieler Freunde zu leben, die ihn gerne bekochten. Er genoss es, Zeitung zu lesen und ein Stück Käsekuchen zu essen. „Wenn man mit dem Leben, so wie man es lebt, zufrieden ist, dann ist man auch glücklich“, sagte er dieser Zeitung vor zwei Jahren. „Aber Glück kann ja unterschiedlich sein. Dass ich jetzt keine Fernsehsendungen mehr mache, ist okay, und ich bin trotzdem glücklich.“ Auch wenn es ein stilleres Glück sei.
Angst vor dem Tod hatte er nicht, sagte er vor einigen Jahren: „Wenn er kommt, dann kommt er. Und in meinem Alter darf der Tod auch zu mir kommen.“ Seine katholische Erziehung prägte ihn bis zuletzt. Gläubig sei er, sagte er dieser Zeitung. „Ich weiß allerdings nicht, was nach dem Tod kommt. Ich denke, dass dann erst mal alles vorbei ist. Ob es dann noch mal was anderes, Neues gibt? Ich habe keine Ahnung.“ Aber er sehe das entspannt. „Ich sage mir einfach, da kommt wohl irgendwas, mal sehen.“
Am Freitag ist Alfred Biolek in seiner Kölner Wohnung im Alter von 87 Jahren gestorben.