Ausstellung in RemagenNachbarn wählten den Notruf, als Otto Piene Kunst schuf
Remagen – Auch in der Museumswelt gibt es Pfui-Wörter, mit denen sich niemand gerne schmückt. Eines davon ist „One Stop Shopping“, was in diesem Fall bedeutet, dass man sich bei nur einem Sammler für eine Ausstellung mit Leihgaben eindeckt.
Manchmal geht es nicht anders, als das Kuratieren an einen kaufkräftigen Privatmann (oder eine Privatfrau) auszulagern, manchmal, wie bei der Stadt Köln und Peter Ludwig, sind abgekürzte „Einkaufstouren“ der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Aber nicht jeder ist so glücklich.
Beim Arp Museum Rolandseck gehört „One Stop Shopping“ schon deswegen zum Geschäftsmodell, weil sich das große Renommierhaus am Rhein anders nicht sinnvoll füllen lässt. Seit 2009 ist die Gemäldesammlung Fritz Rau in Rolandseck geparkt, im Jahr 2026 soll sie zugunsten von Unicef versteigert werden.
Sehr viel kürzer, nämlich bis September, macht die Barockkunst der Familie Haukohl auf ihrer Reise durch europäische Museen bei Arps Station, und nun wird am Sonntag die Otto Piene-Ausstelllung „Alchemist und Himmelsstürmer“ eröffnet. 47 der 53 Piene-Leihgaben stammen aus der More Sky Collection des Sammlers Edgar Quadt, dessen Ausbeute sich nach Zahlen eindrucksvoll liest, ansonsten aber einiges zu wünschen übrig lässt.
Viele Arbeiten aus dem Frühwerk
Am meisten hat die Ausstellung beim Rückblick auf den frühen Otto Piene (1928-2014) zu bieten, in den Werken aus den 1950er Jahren, als sich Piene gemeinsam mit Heinz Mack und Günther Uecker anschickte, eine neue, Zero genannte Form der Malerei zu schaffen. Mit Farbtupfern oder gestochenen Löchern verwandelte er seine Bilder in Reliefs, bevor er Anfang der 1960er Jahre zu seiner wahren Berufung als Feuerteufel fand.
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Während ängstliche Nachbarn den Notruf wählten, sprühte Piene schwarzen Lack auf Leinwände, behandelte ihn mit leicht entflammbaren Lösungen nach und ließ das meist kreisförmige Ergebnis schließlich kontrolliert in Flammen aufgehen.
Durch Ausbalancieren des Feuers schuf Piene immer neue Motive, deren Abstraktionsgrad nicht nur in den Augen des Schöpfer angenehm ins Kosmisch-Elementare kippte. Mit seinem Gemisch aus Ruß und Farben suchte Piene Anschluss an die Alchemisten und das feuergetriebene Sonnensystem.
Pienes Spätwerk fällt deutlich ab
Aus dieser längst in den Kanon aufgerückten Frühzeit sind in Rolandseck einige schöne Beispiele zu sehen – was das Gefälle zu den Arbeiten aus Mittel- und Spätwerk umso deutlicher werden lässt. Gerade Pienes Keramiken aus den letzten Lebensjahren sind bestenfalls geschmäcklerische Variationen der frühen Lichtfänger und ähneln mitunter Backware mit Zuckergussglasur; ein Urknall schrumpft auf das Format eines Spielzeugsterns zusammen, und manche Leinwand sieht nicht aus wie malerisch verbrannt, sondern wie zu lang gekokelt.
Am schlimmsten sind gleichwohl die hier und da auftauchenden goldenen Oberflächen; wenn schon Bling Bling, dann doch bitte in Aluminium, dem Zero-Silber.
Als kuratorisches Feigenblatt ergänzen acht Arbeiten Lucio Fontanas das Piene-Sammelsurium. Der italienische Schöpfer der geschlitzten Leinwände gehörte zu den wichtigsten Inspirationsquellen der Zero-Künstler und wurde von diesen auf der Documenta 1962 mit einem ihm gewidmeten Lichtraum geehrt.
Impulsgeber Lucio Fontana überstrahlt Pienes Werk
Fontanas Einfluss auf Piene wird im Arp Museum mit wenigen Exponaten deutlich, die, was möglicherweise nicht im Sinne des Erfinders war, das Werk des Feuerkünstlers deutlich überstrahlen. Eine schwarze Fontana-Leinwand mit großen, mittig gesetzten und den Raum geradezu auffressenden Löchern hat etwas gespenstisch maskenhaftes und strahlt eine elementare Tiefe aus, die Pienes kosmisch angehauchten Bildern fehlt.
Öffnungszeiten und Dauer der Ausstellung
„Otto Piene. Alchemist und Himmelsstürmer“, Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Hans-Arp-Allee 1, Remagen, Di.-So. 11-18 Uhr, bis 5. Januar 2020. Eröffnung: Sonntag, 17. März, 11 Uhr.
Ähnlich deutlich ist der Unterschied bei den Keramiken: Neben Fontanas ins Museum gestürzten Asteroid wirken Pienes Arbeiten wie Kindereien, die wenig von wahrhaft elementaren Kräften wissen. Stattdessen scheint Piene seine Werkzeuge in den Lehm graben, um impressionistische Effekte zu erzeugen, oder mit Tupfern und Punkten die Himmelsscheibe von Nebra nachzuahmen.
Schau an historischem Ort für die Zero-Kunst
Mit dieser Schau tut man Otto Piene also keinen Gefallen, und das an einem Ort, an dem er einst Historisches erlebte. 1966 gaben die Zero-Künstler im Bahnhof Rolandseck ein legendäres Abschiedsfest, über das man noch lange redete. Über Pienes Rückkehr wird man dasselbe vermutlich niemals sagen.