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BenefizkonzertStarpianist spielt 15.000 Euro für „wir helfen“ ein

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Pianist Rudolf Buchbinder

Köln – „Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst“, heißt es im Prolog zu „Wallenstein“. Dass die Kunst (in einem trivialen, nicht in Schillers anspruchsvollem ästhetischem Sinn) immer „heiter“ sei, kann mit Grund bestritten werden.

An diesem Sonntag, im philharmonischen Benefizkonzert des Gürzenich-Orchesters, war sie es aber auf jeden Fall: Beethovens fünftes Klavierkonzert trägt alle Insignien einer höheren, einer „klassischen“ Heiterkeit, und dies gilt auch für Dvoráks achte Sinfonie, die in ihren Melodien, Harmonien und Rhythmen so lustvoll ins böhmische Volksleben greift.

Unstrittig indes ist zumal in diesen Tagen, dass der Kunst, gerade wo sie „heiter“ ist, ein „ernstes“ Leben gegenübersteht. Die Pandemie dauert an, wird freilich inzwischen von der Kriegskatastrophe in der Ukraine überlagert.

15.000 Euro für „wir helfen“

Das Benefizkonzert des Gürzenich-Orchesters für die KStA-Aktion „wir helfen“ zugunsten benachteiligter Kinder und Jugendlicher hat einen Betrag in Höhe von 15 000 Euro erbracht. Stefan Englert, der Geschäftsführende Direktor der Formation, überreichte den Scheck während des Konzerts an die „wir helfen“-Vorsitzende Hedwig Neven DuMont.

Seit 2014 spielt der stadtkölnische Klangkörper (im Prinzip) alljährlich ein Benefizkonzert für „wir helfen“. Damals war die Geigerin Midori die Solistin, sie spielte Tschaikowskys Violinkonzert. Am Pult stand Michael Sanderling. Englert kündigte an, dass das Orchester diese Unterstützung fortsetzt.

„wir helfen“ wurde 1998 als gemeinnütziger Verein gegründet, schon damals unter dem Vorsitz von Hedwig Neven DuMont. Er fördert bis zu 150 Projekte in der Region und hat dabei bis jetzt mehr als 30 Millionen Euro sammeln können. (MaS)

Und Hedwig Neven DuMont, die Schirmherrin der „Stadt-Anzeiger“-Aktion „wir helfen“ zugunsten benachteiligter Kinder und Jugendlicher, machte nach der Pause in ihrem Dank für den von Gürzenich-Direktor Stefan Englert überreichten Scheck auf andere Katastrophen aufmerksam – die ebensolche auch dann sind, wenn sie nicht im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen: „Es gibt auch in unserer Stadt immer mehr Kinder, die im Nichts aufwachsen müssen. Die klauen, weil sie Hunger haben – und hören dann mit dem Klauen nicht mehr auf.“

Gibt es eine Brücke zwischen den Sphären? Zumindest dieser Sonntagmorgen legt eine positive Antwort nahe: Als Beispiel dafür, dass die Ausübung der Kunst die Not des Lebens lindern kann. Das Konzert trug den Rahmentitel „Krone“, der sich offensichtlich auf den etwas platten Beinamen des Beethoven-Konzerts bezog: „Emperor“.

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Hedwig Neven DuMont zwischen den Gürzenich-„Spitzen“ Stefan Englert (l.) und François-Xavier Roth

Vielleicht nicht kaiserlich, auf jeden Fall aber magistral spielte es der Solist Rudolf Buchbinder, der Wiener Grandseigneur einer erfüllten Beethoven-Interpretation seit Jahrzehnten.

Der 75-jährige ist in diesem Werk, man merkt es auf Schritt und Tritt, zuhause wie kaum ein zweiter. Das zeigt sich in einer introvertierten, alle äußeren Effekte meidenden Gelassenheit, die aber nicht mit blasser Routine verwechselt werden will und darf. Sozusagen zu sich selbst kommt sein Beethoven-Spiel nicht so sehr in den tadellos absolvierten virtuosen Steigerungen als vielmehr im leuchtend-beseelten Legato-Espressivo, mit dem er die sanglichen Stellen ausstattet – nicht nur im Wunder des langsamen Satzes.

Da atmet, da entwickelt sich die Phrase mit zwingender Intensität, da wird auch die beiläufige Begleitfigur beredt, da erzeugt das stets geschmackssichere Rubato Augenblicke eines seligen Aus-der-Zeit-Fallens.

Dank mit einem Wiener Schmankerl

Für den enthusiastischen Publikumsbeifall bedankte sich der Gast mit – wie könnte es anders sein – einem Wiener Schmankerl: einer „Fledermaus“-Paraphrase. Man wird diesen effektvollen Rausschmeißer wohl auch auf Buchbinders angekündigter neuer CD hören können.

Allemal bemerkenswert war die bruchlose Integration und Verschmelzung von Solist und Orchester – obwohl sich Buchbinder, eng bei sich selbst und seinem Flügel, um das Geschehen um ihn herum wenig zu bekümmern schien. Aber auch heikle Formscharniere funktionierten da wie am Schnürchen. Das war nicht zuletzt das Verdienst des italienischen Dirigenten Michele Mariotti, der das gut aufgelegte Orchester zu einer klanglich und rhythmisch fokussierten, energischen und selbstbewusst ihre eigenen Akzente setzenden Begleitung anhielt.

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Es folgte eine kernig-beherzte, straff organisierte, im Detail plastisch-farbige und insgesamt ebenfalls hochvitale Deutung der Dvorák-Sinfonie. Deren interne Dramaturgie hat ja so ihre Tücken: Der Beginn des ersten Satzes etwa wirkt, bis das markante Dreiklangsthema in der (ausgezeichnet gespielten) Flöte erklingt, wie eine langsame Einleitung. Was er aber nicht ist – das Tempo ist von Anfang an „Allegro con brio“. Dieser Effekt – ankommen, obwohl man längst „da“ ist – will genau gestaltet werden.

Unter Mariottis präzisem Schlag gelang das genauso überzeugend wie später die melancholische Walzeridylle des dritten Satzes und die furiose finale Stretta. Von dieser Vorstellung war nicht nur das Publikum, sondern erkennbar auch das Orchester selbst begeistert.