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Bodo Ramelow bei Caren Miosga„Für mich ist es bitter“ – Weggefährten verlassen Linke in Richtung Wagenknecht

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Caren Miosga (l.)und Bodo Ramelow (Linke)"

Caren Miosga (l.)und Bodo Ramelow (Linke)

Erreichen die etablieren Parteien die Ostdeutschen nicht mehr? Darüber sprach Caren Miosga auch mit Bodo Ramelow (Linke).

In Sachsen, Thüringen und Brandenburg wird im September der Landtag gewählt. Nur noch sechs Monate bleiben den etablierten Parteien, die Stimmen von Wählerinnen und Wählern in Ostdeutschland zurückzugewinnen, denn aktuell sehen Umfragen die AfD in allen drei Ländern ganz oben. In Thüringen steht die Partei um Fraktionschef Björn Höcke bei mehr als 30 Prozent. Dahinter: CDU (20 Prozent), Linke (16 Prozent) und das neue Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW, 11 Prozent).

Das bedeutet: Um einen Ministerpräsidenten Höcke zu verhindern, müsste die CDU ihre beidseitig errichtete Brandmauer nach links einreißen. Ob das denkbar ist, oder der Osten nun unregierbar wird, darüber sprach Moderatorin Caren Miosga am Sonntagabend in ihrer gleichnamigen Talkshow im Ersten mit der Soziologin Katharina Warda und dem ehemaligen Innen- und Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU). Hauptgast der Sendung war jedoch der amtierende Ministerpräsident in Thüringen, Bodo Ramelow (Linke).

FDP-Politiker Thomas Kemmerich lässt sich von AfD wählen

Ramelows zwei Amtszeiten wurden 2019 durch ein politisches Beben unterbrochen: Bei der Landtagswahl war keine mehrheitsfähige Koalition möglich. Ein Versuch, ihn zum Ministerpräsidenten einer Minderheitsregierung zu machen, scheiterte: Denn die AfD stimmte nicht für ihren eigenen Kandidaten, sondern wählte FDP-Fraktionschef Thomas Kemmerich, der die Wahl annahm.

Ramelow verließ damals den Saal. Seine Reaktion erklärte der 68-Jährige so: Ein AfD-Mitglied habe zugegeben, dass man Kemmerich eine Falle gestellt habe. „Da dachte ich, das ist doch eine Katastrophe, so ein Spiel mit der Demokratie. Der zweite Moment, der mich persönlich getroffen hat, war, dass mir ein Vertreter der FDP noch im Plenarsaal sagte: ‚Um 17 Uhr ist Ihr Büro geräumt und das werden wir kontrollieren.‘ Das fand ich ungeheuerlich.“ Kemmerich verkündete einen Tag später seinen Rücktritt. Mit Stimmen der CDU wurde Ramelow im März 2020 schließlich wiedergewählt.

Linke Weggefährtinnen wandern zum Bündnis Sahra Wagenknecht ab

Die Folge sei ein Vertrauensverlust der Menschen in die Politik gewesen, bilanzierte Miosga und fragte nach Gründen für den Absturz der Linken in den Umfragen. Ramelow sieht die auch in der Corona-Pandemie: „Viele fanden das, was ich da entschieden habe, falsch. Eine Woche nach meiner Wiederwahl muss ich anordnen, die Schulen zu schließen.“ Die Spaltung der Gesellschaft durch Corona sei noch immer da, sagte Ramelow mit Verweis auf die Entwicklung der Montagsdemonstrationen: „Diese Menschen demonstrieren jetzt mit einer Friedensfahne und der russischen Flagge gemeinsam in der Hand.“

Doch nicht nur die AfD läuft der thüringischen Linken laut Umfrage den Rang ab, auch das neue Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) legt zu. Ramelow: „Für mich ist es bitter, denn ich habe mit Frau Wagenknecht zusammen Verantwortung getragen.“

Auch Weggefährtin Katja Wolf, Oberbürgermeisterin von Eisenach, geht zum BSW, kandidiert für den Landtag. Vor kurzem habe Ramelow sie noch als Ministerin haben wollen. „Sie sagt, sie kandidiert nicht gegen mich, aber die Wählerinnen und Wähler haben nur eine Stimme. Wir müssen aufpassen, dass uns die Demokratie nicht am Ende zwischen den Fingern zerrinnt.“

Thomas de Maizière rechtfertigt Brandmauer auch nach links

Warum die Linken gerade im Osten denn so viele Stimmen verlieren, wollte Caren Miosga wissen. Die Soziologin Katharina Warda, selbst in Sachsen-Anhalt aufgewachsen, beobachtet einen gesellschaftlichen Rechtsruck: „Der Diskurs verschiebt sich dahin, dass jetzt andere einfache Antworten gesucht werden.“ Es würde helfen, hier eine klare Stoßrichtung vorzugeben, sagte Warda.

Das nahm Miosga zum Anlass, Thomas de Maizière auf die Brandmauer der Union festzunageln. Der CDU-Politiker hatte 2018 einen „Unvereinbarkeitsbeschluss“ mit AfD und Linken mitformuliert. „So ein Beschluss gegen zwei Parteien ist ja keine Gleichsetzung der Parteien“, sagte er und zog einen kulinarischen Vergleich: „Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind ja Eisbein und Kohlroulade nicht dasselbe.“ Es gebe viele Gründe, warum eine Koalition nicht denkbar sei, so de Maizière, der auch klarstellte: „Die AfD ist eine rechtsextreme und von Rechtsextremen gesteuerte Partei.“

Nicht genug für Katharina Warda. Der Soziologin fehlt die Abgrenzung der Union gegen rechts vor allem in der Praxis: „Da gibt es bei vielen ein starkes Liebäugeln mit rechten Positionen, mit rechter Rhetorik und hin zur AfD, mit dem Argument, man wolle denen die Stimmen abgreifen.“ Caren Miosga fragte ein weiteres Mal nach, ob die CDU nicht mit den Linken koalieren müsse, um die AfD zu verhindern. De Maizière blieb vage: „Mit Ratschlägen nach Thüringen von außen haben viele keine gute Erfahrung gemacht und ich will das auch nicht tun.“

Umso konkreter wurde noch einmal Bodo Ramelow: „Geredet wird nur über die Linke und das BSW oder das Verhältnis zur CDU.“ Es werde nicht darüber geredet, welche Gefahr für die Demokratie von Björn Höcke ausgehe. „Da wird dann immer nur die große Thüringer Gefahr gemalt. Man muss einfach nur den Herrn Höcke nehmen mit seinem Buch, was er da alles reingeschrieben hat.“

Zustimmung von de Maizière: „Wir reden nur darüber, wer mit wem was macht, und nicht darüber, was man will.“

Bodo Ramelow warnt vor russischem Angriff auf Litauen

Angesprochen auf seine für die Linke eher untypische Position, Waffenlieferungen an die Ukraine nicht abzulehnen, sagte Ramelow: „Es gibt keinen Grund, einem überfallenen Land Waffen zu verweigern.“ Dennoch wäre es ihm lieber, in einer Welt zu leben, in der man keine Waffen liefere.

Sorgen macht sich Ramelow um ein Thüringer Partnerland im Baltikum: „Gegen Litauen liegt in der Duma der Antrag auf Aufhebung der Souveränität. Das heißt, Moskau spielt schon damit, dass neben der Ukraine anschließend Litauen möglicherweise zu einem Angriffsziel wird und dann sind wir mit Thüringer Soldatinnen und Soldaten mittendrin.“

Keine klare Antwort von Thomas de Maizière

Wer sich fragte, was die etablierten Parteien denn nun tatsächlich tun, um in Thüringen einen Ministerpräsidenten Björn Höcke zu verhindern, bekam vor allem von Thomas de Maizière keine klare Antwort. Neben dem Kohlrouladen-Vergleich zwischen links und rechts und dem vorgefertigten Abgrenzungssatz zur AfD kam nicht viel Konkretes vom CDU-Mann. Zumindest Bodo Ramelow zeigte sich in der Schlusspointe trotz schlechter Umfragewerte fest entschlossen.

Die vierte Ausgabe ihrer neuen Sendung, die ohne große Wortgefechte auskam, schloss Caren Miosga nämlich mit einem Seitenhieb: „Herr Ramelow, sie fasten ja gerade und sagen, sie wollen so viele Kilos abnehmen, wie sie Prozente brauchen, um wieder in die Spitzenposition zu kommen. Sie wollen bis September 20 Kilo abnehmen?“ Ramelow ließ sich nicht beirren: „Im Moment bin ich schon acht Kilo runter. Wenn wir von 15 Prozent ausgehen, ist mein Ziel noch erreichbar.“ (Moritz Constantin, RND)