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Empörung über Sahra Wagenknecht„Verbrecherisch, sich die russische Propaganda zu eigen zu machen“

Lesezeit 3 Minuten
BSW-Politikerin Sahra Wagenknecht bei einem Pressestatement. An neuerlichen Aussagen von Wagenknecht zu Russland und der Ukraine gibt es scharfe Kritik. (Archivbild)

BSW-Politikerin Sahra Wagenknecht bei einem Pressestatement. An neuerlichen Aussagen von Wagenknecht zu Russland und der Ukraine gibt es scharfe Kritik. (Archivbild)

Sahra Wagenknecht äußert sich zu Russland und Putin – und ignoriert dabei Genozid-Motive des Kremls. Das bleibt nicht ohne Reaktion.

BSW-Politikerin Sahra Wagenknecht bestreitet, dass der russische Präsident Wladimir Putin die Ukraine auslöschen und ihre Führung stürzen wolle, das sagte Wagenknecht der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, obwohl es zahlreiche Aussagen von Putin und führenden russischen Politikern gibt, die das Gegenteil belegen.

Wagenknecht bezog sich bei ihrer Aussage laut einem Bericht des „Spiegel“ auf Aussagen Putins, die der Kremlchef in einem Gespräch mit dem rechtspopulistischen amerikanischen Influencer Tucker Carlson geäußert hatte. Dort habe Putin „etwas anderes“ zum Ausdruck gebracht, behauptete Wagenknecht. „Er sagt, wenn die Ukrainer in einem eigenen Staat leben wollen, dann sollen sie das tun. Und, dass er verhandeln will.“

Sahra Wagenknecht zitiert aus Putins Gespräch mit Tucker Carlson

Putin hatte das Gespräch mit Carlson unterdessen mit einem fast 30-minütigen historischen Vortrag über den angeblichen Anspruch Russlands auf die Ukraine begonnen und die Ukrainer als „Teil des russischen Volkes“ bezeichnet. Die Ukraine sei kein eigenständiger Staat, erklärte Putin zudem. Darauf ging Wagenknecht nicht ein.

Auch dass der Vizechef des russischen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, noch in dieser Woche angekündigt hatte, die ukrainische Hauptstadt Kiew erobern zu wollen, ignorierte die BSW-Politikerin ebenso wie zahlreiche Äußerungen aus Moskau, die eine Absicht zum Genozid erkennen lassen.

Für die von Russland besetzte Ostukraine äußerte Wagenknecht ebenfalls einen Vorschlag. Dort solle man „eine Lösung anstreben wie im Saarland nach dem Zweiten Weltkrieg, wo die Menschen entscheiden konnten, zu welchem Land sie gehören wollen“. Das Saarland wurde 1955 nach einer Volksabstimmung in die Bundesrepublik eingegliedert.

Systematische Vertreibung und Tötung von Ukrainern in besetzten Gebieten

In der von Russland seit 2014 illegal besetzten Ostukraine wurden unterdessen seit der russischen Annexion ukrainische Menschen systematisch ermordet und vertrieben. Russische Bürger wurden derweil gezielt in der Region angesiedelt. Zudem hat der Kreml für diese Landesteile bereits Scheinreferenden abgehalten – und sie zum eigenen Staatsgebiet erklärt.

Wagenknecht forderte nun dennoch erneute Abstimmungen und bekräftigte ihre Forderung nach einem Waffenstillstand und einem Einfrieren des Krieges. Kremlchef Putin sei nicht „durchgeknallt“, erklärte sie zudem.

Kritik an Sahra Wagenknecht: „Die genozidale Logik blendet sie vollständig aus“

„Für Wagenknecht geht es bei diesem Aggressionskrieg um russische Sicherheitsinteressen“, kritisierte der Militärexperte Carlo Masala die Wortmeldung der BSW-Politikerin bei X (vormals Twitter). „Die genozidale Logik blendet sie vollständig aus. Deshalb kann er aus ihrer Sicht auch durch Einfrieren gelöst werden.“ Der Kölner Politik-Professor Thomas Jäger attestierte der BSW-Politikerin bei X derweil: „Frau Wagenknecht verbreitet seit Jahren Narrative, die nicht den Tatsachen entsprechen.“

Auch der CDU-Politiker Dennis Radtke fand bei X deutliche Worte – und kritisierte den Vergleich mit dem Saarland. „Der Unterschied ist: Im Saarland gab es eine freie und demokratische Wahl. In den russisch-besetzen Gebieten sind die Wahlen genauso fake wie in Russland selbst“, erklärte Radtke.

Ukrainischer Botschafter über Sahra Wagenknecht: „Loser-Philosophie“

Scharfe Kritik an Wagenknecht und ihrer Partei äußerte auch der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev. „Es ist doch verbrecherisch, sich die russische Propaganda zu eigen zu machen oder zu behaupten, man brauche keine Waffen, um sich zu verteidigen. Diese Loser-Philosophie ist angesichts der heutigen Bedrohungslage absolut unverantwortlich“, erklärte der Diplomat gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

Forderungen aus der deutschen Politik nach Verhandlungen mit Russland wies Makeiev zurück. „Glauben diejenigen, die Verhandlungen fordern, dass sie das, was Präsident Biden, Bundeskanzlerin Merkel, Bundeskanzler Scholz und Präsident Macron nicht geschafft haben, schaffen würden? Wir haben von Putin mehrfach gehört, dass uns Ukrainern das Existenzrecht aberkannt wird. Wie soll man da Verhandlungen führen? Niemand hat mir bisher einen Plan vorgestellt“, sagte Makeiev.

Makeiev wies auf die langfristigen Auswirkungen des Kriegs für ganz Europa hin. „Das Ausmaß dieser Katastrophe wird sich auf das Leben der nächsten Generationen von Ukrainern und Europäern auswirken.“ 80 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg würden wieder Eltern und Großeltern ihren Kindern und Enkeln von Bombardierungen erzählen. (mit dpa)