Caroline Peters über ihren ersten Roman „Ein anderes Leben“, den sie bei der lit.Cologne Spezial vorstellt. Wir verlosen Karten.
„Ein anderes Leben“Caroline Peters über ihren ersten Roman – „Männer liefern sehr viel Drama in der Welt“
Frau Peters, die Ich-Erzählerin ihres Romandebüts „Ein anderes Leben“ ist Schauspielerin von Beruf, wuchs in Köln auf und ist ungefähr in Ihrem Alter. Haben Sie es darauf angelegt, dass man nach autobiografischen Bezügen in der Fiktion sucht?
Autobiografisch ist vor allem die Figur der Mutter, allerdings nur die Lebensdaten, nicht das Leben selbst. Ich hatte keine Erfahrung als Schriftstellerin, wollte aber viele Details haben, und bei Schauspielerinnen kenne ich mich eben am besten aus. Deswegen habe ich mich auch auf alle drei Töchter aufgeteilt, als Versionen meiner selbst, die ich hätte sein können. Auch das Köln der 1980er Jahre kenne ich sehr gut. Es war angenehm, im Kopf dort hinzureisen und sich Szenen auszudenken, die dort so hätten stattfinden können.
Sie erzählen eine Familiengeschichte am offenen Grab des Vaters. Aber es geht vor allem um die Mutter. Ist das eine Generationenfrage oder liefern Frauen bessere Dramen als Männer?
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Männer liefern sehr viel Drama in der Welt, aber ich wollte gerne eine Geschichte über eine Frau erzählen. Von denen gibt es nicht ganz so viele wie über Männer. Als ich jünger war, wurde ich in Interviews oft gefragt, was mein Vater oder mein Mann beruflich machen. Was meine Mutter gemacht hat, wurde nie gefragt. Dazu kam die Erfahrung nach dem Tod meines Vaters. Erst wenn beide Elternteile nicht mehr leben, lernt man sich selbst als Erwachsenen kennen. Man hört auf, das Kind zu sein. Das ist noch mal ein großer Schritt im Leben, mit dem hatte ich nicht rechnet. Das eigene Leben wird auf den Prüfstand gestellt. Ich stellte plötzlich fest, dass ich gar nicht so viel über die Menschen hinter den Eltern weiß.
Weil wir sie nicht jenseits dieser Rolle wahrnehmen?
Ja, wir schauen so lange Zeit auf die Eltern als Eltern und nicht als gleichberechtigte Erwachsene. Man vergleicht sich nicht mit ihnen, sondern denkt immer nur an die Erwartungen aus der Kindheit zurück: Dass sich Eltern um einen kümmern oder uns mit Ratschlägen auf die Nerven gehen. Man steckt in den Familienrollen fest. Und fragt sich: Wer waren meine Eltern, bevor es mich gab? Darüber wurden wir stets gut informiert, über diese Frage musste ich nicht nachdenken. Mich beschäftigte eher, wer meine Eltern waren, nachdem ich mich von ihnen gelöst hatte. Darüber wusste ich wenig, und das erschien mir seltsam. Als hätte ich in einer Dimension gelebt, in der meine Mutter nur als Mutter existiert hat und sonst nicht.
Die Familienkonstellation in ihrem Buch ist einerseits sehr unkonventionell. Die Mutter hat drei Töchter von drei Ehemännern. Aber dann doch wieder konventionell in den Geschlechterrollen: Die Mutter muss ihre Ambitionen zurückstehen lassen zugunsten von Mann und Kindern.
Ich wollte der Figur ein Leben geben, in der sie zu verschiedenen Zeiten Frau und Mutter geworden ist. Es ist einfach ein Unterschied, ob man mit 20 in der 1950er Jahren heiratet, mit 30 in den 1960er Jahren oder dann mit 40 Jahren noch mal. Das bringt auch jeweils eine andere Kindererziehung mit sich. Die Sachen sind selten so individuell, wie man sich das denkt. Man kann seinen Eltern vieles vorwerfen, was sie getan oder gelassen haben, aber vieles hatte auch mit der Zeit zu tun, in der sie agierten. Sie haben sich vielleicht nur am Rahmen des Möglichen orientiert.
Dieser Rahmen ist bei Ihnen weit gesteckt.
Ich wollte eine dreimal geschiedene Mutter an der Spitze der Romankonstruktion, weil mich interessierte, was mit einer Familie passiert, wenn die Mutter versucht, sich zum Zentrum zu machen. In vielen Familien aus den 50ern und 60ern ist der Vater der Mittelpunkt, aber bei drei Vätern geht das nicht mehr. Dieses Patchwork-Leben ist etwas anderes als ein gewöhnliches Familienleben. Man muss in dieser Konstellation tiefe Gefühle für Menschen einbringen, mit denen man nicht blutsverwandt ist.
Ihre Eltern gehörten zur Nachkriegsgeneration. Welche Rolle spielte das für Sie?
Meine Eltern waren im Krieg noch Kinder und sind im Schutt und mit der Schuld ihrer Eltern aufgewachsen. Vieles davon haben sie an die folgende Generation weitergetragen, ohne dass man darüber spricht. Und ich wollte gern gnädiger auf diese Generation blicken, als ich es bisher getan habe.
Die Roman-Mutter findet spät zu sich und löst sich aus der Ehe.
Sie ist eigentlich die ganze Zeit sehr bei sich und bemüht alles unter einen Hut zu kriegen. Ich habe versucht zu zeigen, wie sie mit unglaublich viel Schwung in eine Ehe startet, mit Kraft und Verliebtsein, und wie sie das vielleicht nicht halten kann, wie das Leben dann zuschlägt, mit Kindergärten und Aufgaben und Geldverdienen. Gerade die erste Ehe in den 1950er Jahren hatte eine ungeheure Energie. Die jungen Roman-Eltern waren endlich jung und im Aufbruch, weg vom Horror der Eltern: Sie wollen jetzt alles anders machen und lieben kreuz und quer.
Aber das gelingt nicht?
Diese Lässigkeit geht verloren, wird im Alltag zerrieben. Hanna soll am Ende doch immer dem Mann den Rücken stärken und sich um die Kinder und nicht um sich kümmern. Sie trifft auf ein Rollenverständnis und Erwartungen, für die sie völlig ungeeignet ist. Sie ist nicht dafür geschaffen, eine Stütze der Familie zu sein, aber die Familie lässt sie aus dieser Rolle nicht raus. Ein Leben als Dichterin lässt sich nicht integrieren in eine solche Ehe. Dabei verstehen sich die Eheleute gut. Die mögen einander sehr, aber scheitern am bürgerlichen Entwurf, den sie leben möchten.
Sie schreiben, plötzlich wird im Leben alles cremefarben.
Ja, die Garderobe, der neue Golf, die Tapeten, alles wird creme. Ich mochte die Vorstellung, dass jemand den Mut hat, aus diesem bürgerlichen Leben auszubrechen. Jemand, der sagt: Ich fand das gut, ich wollte das auch, aber es passt einfach nicht zu mir. Im echten Leben gelingt einem das nicht so einfach. Romanfiguren fällt das leichter.
Wie die Mutterfigur im Roman haben Sie sehr spät mit dem Schreiben begonnen.
Ich habe schon immer gerne vor mich hingeschrieben, und meine Theaterarbeit ist stark vom Schreiben geprägt. Bei René Pollesch etwa entstanden die Stücke während der Probenarbeit, auch bei Simon Stone. Und wenn man durch das Auswendiglernen und Spielen Texte von Shakespeare oder Jelinek in sich aufnimmt, bleibt auch körperlich etwas hängen. Die Pandemie-Zeit hat dann ein Fenster geöffnet: So, jetzt kann man mal was ganz anderes machen als sonst. Jedenfalls in meinem Beruf, der ist zu hundert Prozent zum Stillstand gekommen. Da musste ich mich irgendwie auffangen. Ich dachte, wenn es eine Gelegenheit gibt im Leben zum Schreiben, dann jetzt...
Das ging von jetzt auf gleich?
Es hatte sich lange angebahnt. Überlegungen gab es bereits, auch Recherchen zum Großvater und auch die Idee aus meiner Mutter eine Romanheldin zu machen. Aber es gab nie die Zeit.
Die Pandemie ist vorbei. Bleibt es bei einem Buch?
In meinem Kopf sind schon zwei weitere Bücher geplant. Aber ich warte jetzt erst mal die Realität ab, wie das Buch aufgenommen wird und ob der Verlag überhaupt noch mal will. Aber ich wünsche mir das sehr, mir hat das Schreiben viel gegeben. Ich habe die Einsamkeit am Schreibtisch enorm genossen. Film und Theater sind kollektive Künste, ständig ist man von Menschen umgeben. Das Alleinsein war eine interessante Erfahrung. Immer möchte ich das zwar nicht haben. Aber als Abwechslung fand ich es sehr schön.
Große Verlosung
Caroline Peters, geboren 1971, zählt zu den bekanntesten deutschen Schauspielerinnen und erhielt zahlreiche Auszeichnungen wie den Grimme-Preis und den Nestroy-Theaterpreis. 2016 und 2018 wurde Caroline Peters zur Schauspielerin des Jahres gewählt.
„Ein anderes Leben“ (Rowohlt, 240 Seiten, 23 Euro) ist ihr erster Roman. Er erscheint am 15. Oktober. Am 13. Oktober (17 Uhr, Flora Köln) stellt sie ihn bei der lit.Cologne Spezial vor. Karten für den Abend mit Peters kosten im Vorverkauf 26 Euro, ermäßigt 22 Euro. Wir verlosen dreimal zwei Tickets.
Zudem verlosen wir jeweils dreimal zwei Karten für weitere zwei Veranstaltungen der lit.Cologne Spezial: Donna Leon tritt am 12. Oktober, 20 Uhr, im Theater im Tanzbrunnen auf, Tana Frenchs einzige Lesung in Deutschland findet am 13. Oktober,20 Uhr, in der Flora statt. Wenn Sie gewinnen möchten, schicken Sie bitte eine Mail mit dem Betreff „Caroline Peters“, „Donna Leon“ oder „Tana French“ und Ihrem vollständigen Namen bis Freitag, 11. Oktober, 16 Uhr, an
ksta-kultur@kstamedien.de