Christian Wunderlich über seine Zeit als Teenie-Star, seine zweite Karriere als Autor von Kinderbüchern und seine Heimatstadt Köln.
Christian Wunderlich„Ich habe all die Jahre für die Schublade geschrieben“
Herr Wunderlich, Ende der 90er Jahre haben Sie als Jugendlicher in Serien wie „Verbotene Liebe“ oder „Nesthocker“ gespielt und waren auch als Sänger erfolgreich. Nun, mit Mitte 40, schreiben Sie Kinderbücher. Wie kam es dazu?
Christian Wunderlich: Ich habe schon geschrieben, bevor ich Teenie-Star wurde. Das ging in der zweiten Klasse los, da habe ich kleine Geschichten geschrieben. Letztens habe ich zufällig nochmal in meinem Poesie-Album geguckt und da fiel mir auf, dass ich als Kind vier Berufswünsche hatte: Tänzer (wegen Patrick Swayze und „Dirty Dancing“), Koch, Schauspieler, aber am allerliebsten Autor. Ich habe sogar als Teenager geschrieben. Tagsüber drehen, nachts im Hotelzimmer lesen und schreiben. In dem Alter kommt man noch klar mit nur drei Stunden Schlaf (lacht).
Sie haben dann aber erst letztes Jahr Ihre erste Geschichte veröffentlicht, nämlich den ersten Teil von „Dachs Naseweiß: Phantastische Geschichten aus dem Wunderlichen Wald“.
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Ja, ich habe all die Jahre für die Schublade geschrieben, nur für mich. Die Charaktere aus „Dachs Naseweiß“ gab es schon seit 2008. Und weil mich diese Welt einfach nicht losgelassen haben, dachte ich irgendwann: Komm, versuch es einfach. Ich habe die Geschichten dann umgeschrieben und verschiedenen Verlagen angeboten, mehrere hatten Interesse. Und seitdem geht es Schlag auf Schlag, die Ideen sind einfach da. Als hätte ich die „Büchse des Christian“ geöffnet.
Ende August ist Ihr zweites Kinderbuch „Mats und Mathilde“ erschienen. Es geht um die Freundschaft zwischen einer Vogelscheuche und einem Vogel, die gemeinsam eine fantastische Reise unternehmen. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Es gibt Mathilde tatsächlich, ich habe ein Foto von der Vogelscheuche in meiner Küche hängen. Die Idee zu der – eigentlich unmöglichen – Freundschaft mit einem Vogel war sofort da. Ich habe jeden Tag zehn Seiten geschrieben und hatte die Geschichte dann nach 53 Tagen fertig. Ich glaube, wenn man ein Buch schreiben will, muss man erstmal Strecke machen. Und wenn mir nur Schrott eingefallen ist, habe ich den aufgeschrieben – nur, um am nächsten Tag dann festzustellen, dass es gar nicht so schlecht war. Das richtige Buch entsteht für mich erst danach, in unzähligen Kürzungen und Überarbeitungen.
„Mats und Mathilde“ erinnert mit seinen fantastischen Welten und den bunten Charakteren an Klassiker wie „Alice im Wunderland“. Inspirieren solche Werke Sie?
Das hatte ich tatsächlich nicht im Kopf, eher Pixar-Filme wie „Wall-E“, „Ratatouille“ oder „Oben“. Ich finde diese emotionale Herangehensweise toll. Auch Walther Moers mit seiner sprudelnden Kreativität inspiriert mich sehr und seine Herangehensweise: Versuche möglichst oft das Erwartbare zu vermeiden.
Astrid Lindgren hat mal gesagt, dass sie für das „Kind in sich schreibt“. Sie schreiben für Kinder ab fünf Jahren. Ist Ihr inneres Kind noch fünf?
Haha, die Altersangabe legt ja der Verlag fest. Ich habe die Bücher gar nicht speziell für Kinder geschrieben. Ich schreibe solche Geschichten, die ich selbst gerne lesen würde. Und das Kind in mir würde sie gerne lesen. Ich bin teilweise noch ein kleiner Junge, der mit Staunen durch die Welt geht. Das gilt aber, glaube ich, für alle Autorinnen und Autoren – sie müssen die Details und die Merkwürdigkeiten sehen, die viele andere übersehen und sie dann auf originelle Weise aufschreiben.
Sie schreiben von „Knäckebrotbirken“ und „Korkenzieherzedern“ und muten Ihren jungen Leserinnen und Lesern auch sonst viele seltene Wörter zu. Wissen Sie, ob das funktioniert?
Ich hatte keine Testleser. Aber ich finde, dass man Kinder nicht unterschätzen darf. Wenn Kinder ein Wort nicht verstehen, dann fragen sie. Oder sie stellen sich einfach etwas vor. Im Fall von „Mats und Mathilde“ gibt es ja auch noch die brillanten Illustrationen von Anne Hofmann. Das Buch ist komplett bebildert und Anne hat fast ein Jahr lang daran gearbeitet. Ich schätze mich sehr glücklich, dass ich mit ihr zusammenarbeiten durfte.
Ihre eigene Kindheit und Jugend waren nicht so leicht – Ihr Vater hatte einen Hirntumor und starb, als Sie 14 Jahre alt waren. Ein Jahr später ging die Schauspielkarriere los. Welchen Einfluss hat diese Zeit auf Ihre Arbeit als Kinderbuchautor?
Mit Sicherheit großen Einfluss. Ich neige zu Traurigkeit und Melancholie und bringe diese Facette auch in meinen Geschichten ein. Mein Eindruck ist, dass viele Kinderbuchautorinnen und -autoren eher vorsichtig mit traurigen Themen umgehen. Aber bei mir muss Mathilde zum Beispiel lernen, dass nicht alles schön ist, sondern es auch schlechte Menschen gibt. Die Geschichte mit meinem Vater zog sich durch meine gesamte Kindheit, er erkrankte, als ich ein Kleinkind war. Ich war daran gewöhnt, dass er immer wieder für längere Zeit ins Krankenhaus musste. Und irgendwann ging es immer weiter bergab: Erst durfte mein Vater keinen Sport mehr machen, dann nicht mehr Auto fahren, schließlich verlor er seine Arbeit bei der KHD in Köln. Und irgendwann kam er nicht mehr aus dem Krankenhaus zurück. Der Tod meines Vaters hat mich in ein unfassbares Tief gestürzt. Und ein Jahr später wartete dann das unfassbare Hoch: Ich war Schauspieler und im Fernsehen zu sehen.
Sie waren ja auch als Sänger erfolgreich, vor allem in Asien. Sie hatten viele Schauspiel-Angebote, haben Anfang der 2000er aber alles abrupt gestoppt. Warum?
Die 90er waren für mich sehr intensiv, ich war ausgelaugt und brauchte eine Pause. Ich war damals Anfang 20 und wollte schauen, was ich machen möchte. Mit 31 Jahren habe ich mein Abitur an einer Abendschule nachgeholt – mit einem Schnitt von 1,1 – und dann angefangen, Medizin zu studieren. Sicherlich auch angeregt durch die Erfahrungen mit meinem Vater. Ich habe aber schnell gemerkt, dass ich mich nicht zu hundert Prozent auf das Studium konzentrieren kann und auch künstlerisch arbeiten wollte. Im Jahr 2010 habe ich nochmal ein Album rausgebracht und auch Lieder für andere Künstler geschrieben, zum Beispiel den Song „Die schönste Stroß“ für die Höhner. Aber jetzt konzentriere ich mich voll und ganz aufs Schreiben. Das ist genau das, was ich machen will.
Sie sind in Köln geboren, aufgewachsen und leben immer noch hier. Haben Sie zwischendurch mal woanders gewohnt?
Ja, ich war für Dreharbeiten ein Jahr lang in Berlin. Da wollte ich damals auch unbedingt hin, aber dort ist mir aufgefallen: Ich brauche Köln, meine Hood, meine Leute. Ich liebe den Stadtwald und den Beethovenpark. Meine Figuren Mats und Mathilde spielen gerne verstecken und verkriechen sich in Höhlen. Köln ist meine Höhle, der Ort, wo ich mich immer zu Hause fühle.
Zu Person und Buch: Christian Wunderlich (45) kommt aus Köln und wurde Mitte der 90er durch Serien wie „Verbotene Liebe“ und „Nesthocker“ berühmt. Er veröffentlichte auch mehrere Musikalben. 2023 erschien sein erstes Kinderbuch „Dachs Naseweiß“, die Fortsetzung folgt diesen Herbst. Gerade ist sein aktuelles Kinderbuch „Mats und Mathilde“ erschienen, der zweite Teil folgt im Frühjahr. In der Geschichte geht es um die Freundschaft zwischen Vogelscheuche Mathilde und Vogel Mats. Mathilde ist auf der Suche nach ihrer Mama (dem Mädchen, das sie zum Leben erweckt hat), Mats sucht seinen Schwarm. Die beiden tun sich zusammen und erleben eine fantastische Reise.
Christian Wunderlich, Anne Hofmann: „Mats und Mathilde – eine große Freundschaft“, Oetinger Verlag, 256 Seiten, 16 Euro, ab 5 Jahren