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DeutschrapDas unerträglich sexistische Brunftgebrüll der Aggro-Stars

Lesezeit 4 Minuten
Kollegah

Kollegah posiert für ein Promo-Foto

  1. Eine Studie des „Spiegel“ hat nach sexistischen Schlüsselwörtern in Rap-Songs gefahndet und ist dabei sehr schnell sehr fündig geworden.
  2. Begann in Deutschland Hip Hop mit Bildungsbürgern wie den Fanta 4, sind es nun Männer wie Bushido und Sido, die sexistisches Brunftgebrüll absondern.
  3. Hat Me Too zumindest dazu geführt, dass die Bitches-Beleidigungen abnehmen?

Köln – Es wäre ungerecht und träfe auch nicht im Entferntesten zu, der gesamten deutschen Rap-Szene zu unterstellen, sie hätte ein Problem mit Sexismus und Antisemitismus und überhaupt einen Hang zu Herabwürdigung und Beleidigung anderer.

Man muss daran erinnern, wo der Rap seine Wurzeln hat, nämlich in der afroamerikanischen Kultur, im Sprechgesang von Predigern und Feldarbeitern, die der Mühsal des Alltags ihre klagenden und auch wutentbrannten Deklamationen abrangen. Rap ist seinem Ursprung nach proletarisch, subkulturell, widerständig – das haben sich bis heute viele seiner Protagonisten erhalten, auch in der Spielart des Deutschrap.

Dennoch reißen die Beschwerden über verbale und andere Grenzverletzungen im Rap nicht ab. Gerade will Shakira gegen Kalazh 44 und Samra juristisch vorgehen, weil die beiden die Sängerin – dabei dümmste Klischees bedienend – mit Kokainkonsum in Verbindung bringen. Vor einigen Tagen erst musste sich der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel die Frage gefallen lassen, ob es wirklich schlau ist, wenn man ausgerechnet Farid Bang für ein Video als Saubermann zur Corona-Vorsorge engagiert – 2018 fuhr der Musikpreis „Echo“ krachend gegen die Wand, als er den Rapper auszeichnete, der zuvor von den „definierten“ Körpern von „Auschwitzinsassen“ geschwärmte hatte.

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Es gibt sie also, die selbst ernannten „wilden Jungs“, die sich eher wie schwarze Schafe benehmen und rumferkeln, und sie treten nicht vereinzelt, sondern durchaus in Herdenstärke auf. Das belegt eine Studie des „Spiegel“, der vor allem im Hinblick auf Sexismus 30.000 Songtexte aus vier Jahrzehnten Deutschrapgeschichte untersucht hat. Schon seit knapp zwanzig Jahren sind demnach sexistische Schlüsselwörter in mindestens jedem zehnten veröffentlichten Rap-Song zu finden.

Die Zeitangabe dürfte kein Zufall sein. Mit den Nullerjahren begann der Aufstieg des Plattenlabels „Aggro Berlin“ – davor war Rap eher eine leicht bildungsbürgerliche Angelegenheit mit sprachverliebten Crews wie Die Fantastischen Vier und Fettes Brot. Jetzt gaben Männer wie Bushido und Sido den Ton an, und statt feinziselierter Stabreime tönte Brunftgebrüll.

Nun gerierten sich vormalige soziale Außenseiter als neureiche Villenbesitzer, die mit Klunkern und Karossen nicht geizten und auf ihren Spaziergängen durch die neue Nachbarschaft gern Kampfhunde Gassi führten. Allerdings standen die jungen Männer vor einer Herausforderung: Um sich der Sympathie ihrer Fangemeinde weiterhin sicher zu sein, brauchten sie Provokationspotenzial – wenn man sich nicht gegenseitig beschimpfte, ging es gegen Frauen, Migranten, Juden. Auch ein vermeintliches Sensibelchen wie Xavier Naidoo entpuppt sich mittlerweile als Verschwörungstheoretiker und Geistesverwandter der sogenannten Reichsbürger.

Es ist wiederum kein Zufall, dass zumindest die sexistischen Ausfälle mancher Deutschrapper seit gut zwei Jahren messbar abgenommen haben. Die MeToo-Bewegung zeigt auch hier Wirkung, und viele Rapperinnen bieten den Kerlen Paroli, indem sie sich die Deutungshoheit über Chiffren wie „bitch“ zurückerobern und eben in ihrem Sinne umdeuten.

Skandal um Wiley

Nicht allein in Deutschland, auch in Großbritannien sorgen Rapper für Skandale. So behauptete der Musiker Wiley in der vergangenen Woche, dass jüdische Künstler Privilegien hätten und schwarze Künstler ausbeuteten. Daraufhin kündigte sein Manager die Zusammenarbeit auf, die Innenministerin protestierte. Auch auf Instagram war der Musiker aktiv. Dort wurde Wiley nach einem BBC-Bericht wie auf Twitter für sieben Tage geblockt. Londons Bürgermeister Sadiq Khan kritisierte das als nicht ausreichend. Wiley („Wearing my Rolex“) prägte den Grime, eine Spielart des Rap. (F.O./dpa)

Das wiederum spricht dafür, dass eine Art Freiwilliger Selbstkontrolle, wie sie beim Film zu mitunter unfreiwillig komischen Resultaten führt, für Rap-Texte unangebracht wäre. Weil offenbar die Gesellschaft selber reguliert und korrigiert, was hier aus dem Ruder gelaufen ist. Ohnehin findet Rap nicht in einem geschlossenen Käfig statt, in dem besinnungslos gebattelt wird. Auch der Straßenrap, der ungehobelte, dumpfe Sound des Ressentiments gibt nur wieder, was auch sonst in vielen Köpfen rumort. Als gesellschaftlicher Indikator ist er mitunter sogar aufschlussreich. Gerade der Einfluss der Frauen, der zu Diskussionen und Selbstreflexionen über Sexismus führt, zeigt deutlich, dass die Dinge in Bewegung sind. Für manche Testosteron-Rapper könnte es sich ausgebrüllt haben.