Das Thema Kirche, sagt die Kölner Komikerin Carolin Kebekus,ist für sie „wahnsinnig emotional“.
Mit der Vorsitzenden der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), Mechthild Heil, spricht Kebekus über ihren kirchenkritischen Video-Clip „Im Namen der Mutter“.
In unserem großen Interview erzählt sie, warum Kardinal Meisner ihr die Eignung zur Päpstin absprach, was ihr in der Kirche „richtig eklig aufgestoßen ist“ und warum für sie der Austritt der einzige Weg war.
Aus unserem Archiv.
Frau Kebekus, 420.000 Mal wurde der Videoclip „Im Namen der Mutter“ zur Rolle der Frauen in der katholischen Kirche aus der Carolin-Kebekus-Show (ARD) in den ersten zwei Wochen aufgerufen. Ihr Rap „Dunk den Herrn“ von 2013 hat es bis heute auf fast 6,4 Millionen Aufrufe gebracht – samt einem Blasphemievorwurf, weil Sie da, als Nonne verkleidet, lasziv an einem Kreuz lecken. Kirchen-Provokation kommt gut?Carolin Kebekus: Ich war damals – ich sag mal – grün hinter den Ohren. So was wie „Dunk den Herrn“ würde ich heute garantiert nicht mehr machen.
Warum nicht?
Kebekus: Weil es mir nicht darum geht, religiöse Gefühle zu verletzen oder mich über den Glauben lustig zu machen. Ich muss sagen, da hätte es auch jetzt wieder wahnsinnig gute Witze gegeben. Aber okay, die dann sind halt durchgefallen. Denn ich wollte diesmal keine Gelegenheit für Ausflüchte geben: „Die Kebekus missachtet religiöse Gefühle! Der geht es doch bloß um die Aufmerksamkeit und den billigen Gag.“ Das stimmt nämlich einfach nicht. Das Thema Kirche ist für mich wahnsinnig emotional. Ich wollte mit dem neuen Clip zeigen: Es gibt in der Kirche so viele Frauen mit solch einer großen Liebe. Aber die bleibt ungenutzt.
Mechthild Heil: Ich habe mir das natürlich alles angeschaut und bin von vielen Leuten angesprochen worden. Was ich mich direkt gefragt habe: Kommt wohl eine Reaktion von der Amtskirche?
Kebekus: Sie meinen, von den Bischöfen? Natürlich nicht. Auf der Facebook-Seite der Bischofskonferenz haben sie ihre Social-Media-Beauftragte „Grüße vom ältesten Männerverein der Welt“ ausrichten lassen, ohne – und das fand ich krass – auch nur mit einer einzigen Silbe auf die Kritik einzugehen. Das war schon sehr schwach. Aber wie gehen Sie eigentlich damit um? Werden Sie nicht wahnsinnig, wenn Sie ständig mit diesen hohen Herrn sprechen müssen und die so reagieren? Ich weiß ja nicht, wie man das aushält, die ganze Zeit mit Leuten zu diskutieren, die einen im Grunde nicht ernst nehmen.
Heil: Das ist nicht einfach. Inzwischen sind wir aber in vielen Gesprächen und Gremien bis hin zum Synodalen Weg dabei. Und wir werden natürlich auch ernstgenommen. Es gibt aber auch Bischöfe, die meinen, schon wenn sie uns anhören, seien sie doch „auf Augenhöhe“. Was wir zu sagen haben oder was wir fordern, interessiert die erst mal nicht.
Ein Anfang? Und damit geben Sie sich zufrieden?
Heil: Nein, aber wenn wir darauf warten, bis alle Bischöfe uns ernst nehmen, gibt es keine katholische Kirche mehr in Deutschland.Kebekus: Was ich nicht verstehe: Frauen wie Sie in der „Katholischen Frauengemeinschaft“ (kfd) oder bei Maria 2.0 – klug, informiert, engagiert, leidenschaftlich – wären die Rettung der katholischen Kirche…
Heil: Nicht „wären“! Wir sind die Rettung.Kebekus: Trotzdem lassen die Männer am Ruder das Schiff lieber untergehen, als dass sie die Frauen ranlassen. Das ist absurd. Und ich glaube: Dahinter steckt am Ende nichts anderes als die uralte Angst vor der Frau. Gleichberechtigung – das klingt für manche schon ungehörig.
Das ist nicht nur in der Kirche so.
Kebekus: Stimmt. „Equal pay“ – gleiche Bezahlung? „Oh, da nimmt sich jemand ja ganz schön was raus!“ Gleicher Anteil an der Macht für Frauen? „Oh, da will jemand die Männer schlachten!“ Das sitzt irgendwie immer noch tief drin.Heil: Und vielleicht waren wir Frauen trotz unserer Argumente bislang einfach nicht stark und laut genug – auch in der Kirche nicht.
Sie glauben in den kirchlichen Diskussionen wirklich noch an die Kraft des Arguments?
Heil: Die Kirche hat immer auf gesellschaftliche Entwicklungen reagiert und sich verändert. Ich bin überzeugt, das wird auch bei der Gleichberechtigung der Frauen so sein. Sie wird die Kurve kriegen. Es geht gar nicht anders, wenn die Kirche überleben will.
Kebekus: Aber noch sind die Entscheider offenbar nicht so weit. Wenn der Kölner Kardinal Rainer Woelki sagt: Frauenweihe gibt’s nicht. Schluss, aus, basta, und jetzt ohne Abendessen ab ins Bett!, dann ist das doch kein ernsthafter Dialog.
Heil: Zum Glück gibt es auch andere Bischöfe, die es sich nicht so einfach machen. Und wenn man sich mal auf der ganzen Welt umsieht, dann gibt es Regionen, die kümmern sich längst nicht mehr um das, was „die da oben“ sagen, sondern machen einfach.
„Nächster Papst wird eher ‘n Heide / als jemand mit ‘ner Scheide“, texten Sie in Ihrem neuen Rap, Frau Kebekus. Wie sehr hängt die Rolle der Frau in der Kirche am Zugang zu den Ämtern – also Diakon, Priester, Bischof oder eben Papst?
Kebekus: Es geht erst einmal ganz allgemein um die Gleichberechtigung. Aber eines ist doch offensichtlich: Die entscheidenden Kompetenzen in der Kirche sind mit der Weihe verbunden. Also teilt die Weihe die Gläubigen in zwei Gruppen: in die Checker, die sogar eine Deutungshoheit über den Glauben beanspruchen, und in die anderen, die gesagt bekommen, wo‘s lang geht. Dann frage ich mich aber auch, was eigentlich mit den vielen Katholikinnen ist, die sich zu so einem geistlichen Amt berufen fühlen. Ich habe mal in Erfurt vier Theologiestudentinnen getroffen. Alles nette Mädels. „Seid ihr verrückt?“, habe ich die gefragt. „Wo wollt ihr denn später mal hin mit diesem Studium?“ – „Ach“, haben die ganz fröhlich geantwortet, „bis wir mal mit allem fertig sind, dürfen wir auch geweiht werden. Das wird so kommen.“ Ehrlich, das fand ich so geil – diese Studentinnen mit ihrem Willen, dieser Überzeugung und diesem Elan.
Heil: Solche jungen Mitglieder haben wir in der kfd natürlich auch. Das ist die eine Gruppe, die auf Reformen drängt. Aber neben den ganz Jungen sind es besonders die Älteren, die sagen: Wir haben schon so lange gekämpft. Jetzt wollen wir’s noch mal wissen!
Sie, Frau Kebekus, sind aus der Kirche ausgetreten. Haben Sie sich damit nicht ein Stück selber aus dem Spiel genommen?
Kebekus: Ach so. Kritisieren darf nur, wer brav seine Mitgliedsbeiträge zahlt?
Von außen meckern ist jedenfalls was anderes.
Kebekus: Ich sehe mich ja gar nicht draußen. Ich bin getauft, und die Taufe kann ich nicht zurückgeben. Man kann sie mir aber auch nicht wegnehmen. Ich bin in einer katholischen Familie in Köln-Neubrück aufgewachsen. Die Kirche meiner Gemeinde Sankt Adelheid war ganz neu, meine Eltern waren beim Aufbau mit dabei. Mein Vater hat in der Gemeinde in einer Band gespielt. Die Jugendgottesdienste, in denen ich war, waren rappelvoll. Von dem allem habe ich mich nicht getrennt. Ich habe auch nicht die Glaubensgemeinschaft verlassen, mit der ich mich sehr verbunden fühle, vor allem mit den Frauen, die gegen die Diskriminierung in der katholischen Kirche kämpfen.
Heil: Wir haben das genauso empfunden und gut mitfühlen können, als Sie das Thema jetzt in Ihrer Show präsentiert haben. Sie erreichen damit Menschen, an die wir auf unseren Kanälen nicht herankommen. Und wenn dann dieser abgegriffene und im aktuellen Fall völlig falsche Vorwurf von der Verletzung religiöser Gefühle kommt, kann ich nur sagen: Was ist eigentlich mit den Gefühlen unzähliger Frauen, die von der Kirche über Jahrhunderte verletzt worden sind, ohne dass sie sich darum geschert hätte. Da hätten Sie Stoff für eine ganze Serie, Frau Kebekus!
Kebekus: Hinter mir gelassen habe ich tatsächlich die Institution. Manchmal denke ich, „wär vielleicht doch cool, noch drin zu sein. Dann würden sie dich vielleicht ernster nehmen.“ Aber – der Preis war mir zu hoch. Die Kirchensteuer ist da noch das Wenigste. Zur Zeit meines Austritts hatten sich so viele Dinge angehäuft, dass es für mich einfach nicht mehr ging.
Was zum Beispiel?
Kebekus: Die Freundin, die ihre Lebenspartnerin verleugnen musste, damit sie als Lehrerin in einer katholischen Schule arbeiten durfte. Die Bekannte meiner Eltern, die ihren Job bei der Kirche verloren hat, weil sie wieder geheiratet hat. Die Geschiedenen, die nicht mehr die Kommunion bekommen dürfen, wenn sie noch mal heiraten. Die vergewaltigte Frau, die von einer katholischen Klinik abgewiesen wurde, weil man ihr dort nicht die „Pille danach“ geben durfte. Dann natürlich der Missbrauchsskandal. Und eben auch der Umgang der Kirche mit den Frauen insgesamt. Ganz zu Anfang meiner Zeit bei der „heute-show“ war ich 2013 in Trier bei der Bischofskonferenz, um meine Bewerbung als Päpstin abzugeben. Eine harmlose Nummer eigentlich. Aber die haben getan, als hätte ich einem von denen den blanken Arsch gezeigt.
Heil: Ich erinnere mich. Und Kardinal Meisner hat zu Ihnen gesagt, für Päpstin hätten Sie nicht das Format.
Kebekus: … „die Figur“ hat er gesagt, die Figur. Das sollte wohl irgendwie lustig sein.
Heil: Nein, nein. Für mich schwang da noch viel mehr mit: das Absprechen jeglicher Kompetenz.
Kebekus: Wahrscheinlich ist es dieses Fehlen jeglicher Vorstellung von einer gleichberechtigten Rolle der Frauen. Im normalen Leben ist so was gar nicht denkbar, in der Kirche ist es anscheinend total normal. In Trier damals bei den Bischöfen, da haben sie zur eigentlichen Frage nach der Rolle der Frau so von oben herab drüber weg geredet, dass es mir richtig eklig aufgestoßen ist. Ab da war ich nur noch sauer und hatte das Gefühl, nichts von alledem kann ich mit dem vereinbaren, wir mir in meinem Leben wichtig ist. Da war Austritt der einzige Ausweg.
Zu den Personen
Carolin Kebekus, geb. 1980, ist Komikerin, Schauspielerin und Moderatorin. Seit 2013 gehört sie zum Ensemble der „heute-show“, des satirischen Nachrichtenformats im ZDF. 2020 bekam Kebekus in der ARD eine eigene Show unter ihrem Namen, die 2021 fortgesetzt wird.
Mechthild Heil, geb. 1961, ist Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), des bundesweit mitgliederstärksten katholischen Verbands. Die studierte Architektin mit eigenem Büro sitzt seit 2009 für die CDU im Bundestag. Seit 2016 gehört Heil auch dem Bundesvorstand ihrer Partei an. Die kfd tritt für Reformen in der katholischen Kirche, für die Rechte von Frauen und deren Zulassung zu den Weiheämtern ein. 2018 prangerte der Verband mit der Aktion „Macht Licht an!“ die aus seiner Sicht unzureichende Aufklärung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche an. Mit gleichen Anliegen formierte sich im Mai 2019 die Basisbewegung „Maria 2.0“. (jf)
Sie sind nicht so sauer, Frau Heil?
Heil: Doch. Sie haben ja vollkommen recht mit allem, was Sie genannt haben, Frau Kebekus. Das ist furchtbar, und ich kann damit so wenig umgehen wie Sie. Aber die Frage für mich ist: Wie bekommen wir das geändert? Ich habe mich entschieden, zu bleiben und für eine andere Kirche zu kämpfen. Aber ich frage mich schon auch allen Ernstes, wer am Ende mehr verändert in der Kirche. Die Frauen, die drin bleiben? Oder die, die rausgehen? Ich glaube, der Druck wird größer, je mehr gehen. Auch insofern habe ich großes Verständnis für alle, die so verletzt sind, dass sie sagen, „jetzt reicht’s!“ Auch insofern habe ich großes Verständnis für alle, die so verletzt sind, dass sie sagen, „jetzt reicht’s!“ Aber für die Anliegen der kfd und auch für mich ist es wichtig, dass möglichst viele bleiben und die Zukunft der Kirche mitgestalten.
Warum gehören Sie zu denen, die bleiben?
Heil: Aufgewachsen bin ich so ähnlich wie Sie, Frau Kebekus: gut katholisch sozialisiert. Als Vorsitzende eines großen Verbands bin ich davon überzeugt, etwas bewegen zu können. Und meinem Gefühl nach wird mein Platz immer in der Kirche sein. Und ich sage mir: Wenn nur die bleiben, die keine Veränderungen wollen, dann bleiben die Falschen. Denen will ich die Kirche nicht überlassen!
Kebekus: Das verstehe ich gut. Das wäre dann ein kleiner, nerdiger Verein, mit dem keiner mehr was anfangen könnte. Was ich machen kann, damit es vielleicht doch nicht so weit kommt: Die tollen Frauen in der Kirche mit meinen Mitteln unterstützen.
Wird die Kraft ausreichen für echte Veränderungen? Wird Ihr Atem lang genug sein? Zumal Ihre Forderungen im Weltmaßstab keineswegs auf mehrheitliche Zustimmung stoßen.
Heil: Kann das ernsthaft ein Argument sein? Es gibt auch Länder, da werden die Mädchen mit zwölf verheiratet. Soll das dann der Maßstab für Frauenrechte sein? Wir leben hier in Europa. Wir haben gesellschaftliche Standards errungen, die für uns essenziell und unverzichtbar sind. Wir haben gute Argumente für unsere Anliegen. Und ich weiß, dass Frauen in vielen Ländern darauf schauen, was in Deutschland passiert, und dankbar sind für unseren Schwung und den Druck, den wir machen, weil das abstrahlt. „Seid mal still, bis alle anderen auch so weit sind!“ Das werden wir nicht mitmachen!
Frau Kebekus, können Sie sich eine Situation vorstellen, in der Sie sagen, jetzt trete ich wieder ein?
Kebekus: Wenn sich wirklich etwas bewegte…
Heil: … bei der Wahl der ersten Päpstin vielleicht.
Kebekus: Ja klar, wenn das passiert, bin ich wieder dabei.
Das Gespräch führte Joachim Frank
Das Interview erschien zuerst im Juli 2020 im „Kölner Stadt-Anzeiger”.