Nach 16 Jahren Kölner Konzert-Abstinenz hat die Soul-Sängerin Erykah Badu im Tanzbrunnen ein Konzert gegeben.
Vokaltechnisch war ihr Auftritt auf höchstem Niveau, am Ende sind die meisten Fans dennoch sichtlich verärgert. Unser Konzertbericht.
Köln – Erykah Badu trägt ein Textmarker-gelbes Gewand, so weit geschnitten, als hätte sie sich in einen aufgeblähten Fallschirm gehüllt. Ihr Gesicht hält sie unter einem Schleier verborgen, und unter einer mehr als hüftlangen Perückenpracht, über die sie wiederum einen riesigen Hut aus durchsichtigem Plastik gestülpt hat. Die achtköpfige Band spielt das Intro aus ihrem 2015er Mixtape „But You Caint Use My Phone“, dem bislang letzten Lebenszeichen der Soul-Diva, die schon lange keiner erkennbaren Karriereplanung mehr, sondern allein ihren künstlerischen Launen folgt.
Langsam schreitet das außerirdische Wesen, die Botschafterin aus der Zukunft, die Voodoo-Priesterin aus Wakanda – suchen Sie sich was aus – zur Mitte der kleinen Bühne im großen Tanzbrunnen, haucht ihrem erwartungsfrohem Publikum ein immer kräftiger werdendes „Hello“ entgegen, legt Hut und bald auch Schleier ab, und füllt nun plötzlich mit ihrer leuchtenden Präsenz Frei Ottos Sternwellenzelt und auch das unbedachte Areal darüber hinaus. Der Deutsche Wetterdienst hat vor Gewittern, Starkregen und sogar Tornados gewarnt, doch am Rheinufer strahlt noch die Sonne, mit dem angekündigten Wirbelwind muss die Soul-Queen aus Dallas, Texas gemeint gewesen sein.
Jetzt singt sie „Out My Mind, Just in Time“, eine bittersüße Ballade von ihrem „New Amerykah, Part Two“-Album, und sie singt sie wie die wiederauferstandene Billie Holiday, gebadet im Schein einer Pyramide aus grünem Laserlicht. Später folgen noch zwei Songs von ihrem Debüt, „Baduizm“, das ihr damals die ersten Vergleiche mit der Schmerzensfrau des Jazz eingebracht hat.
Damals, das war vor 22 Jahren, 21 behauptet die Badu in Köln, und keiner wagt zu widersprechen. Seitdem ist ihre Musik immer noch ein weniger jazziger geworden, im Sinne von improvisierter, stärker dem Ausdruck als der Struktur eines Songs verpflichtet. Zwischen den Stücken trinkt die Sängerin Kräutertee aus einer Thermoskanne, schüttet die Reste quasi-zeremoniell in den Bühnengraben , ululiert mit Zunge und Gaumenzäpfchen wie in religiöser Ekstase und dilettiert an einer Drum-Maschine – so lange, bis sie auf einen Rhythmus stößt, der vom Publikum erkannt wird, und in den die Band dann einfällt.
Aber das hier ist definitiv kein Best-of-Konzert, eher schon ein afrofuturistischer, bassgetriebener Gottesdienst, mit Call-and-Response-Chören, eigenartigen Tanzeinlagen – einmal versucht sich die Badu erfolglos an einem Kopfstand – und Ansprachen ans Publikum. Als sie sich von der Bühne herunterheben lässt, das Absperrgitter erklimmt und sich über die Menge beugt, schlägt ihr eine Welle der Verehrung entgegen, die zugänglicheren aber geheimnisloseren Künstlern wohl verwehrt bleibt. Weshalb sich jüngere Stars wie Janelle Monáe und Solange die Badu zur Muttergöttin erkoren haben.
Technisch, zumal vokaltechnisch ist das hier alles auf höchstem Niveau, doch irgendwann übernimmt der Gott des Rausches die Regie: Die Badu schüttelt ihre echten Dreadlocks, eine neue Tänzerin betritt die Bühne, bläst in eine kleine Wasserflasche, fordert die Sängerin zum rituellen Tanzduell, die sich schließlich mit ein paar Wassertropfen von ihr taufen lässt. Dann streckt Erykah Badu ihre offenen Handflächen dem Publikum entgegen und fordert dieses auf, es ihr gleich zu tun. In diesem Augenblick, behauptet sie, hätten wir Rasse, Klasse und Geschlecht transzendiert.
Für einen Augenblick mag sich das auch so anfühlen, doch dann transzendiert sich der Star von der Bühne. Es ist kaum eine Stunde vergangen, die Menschen im Tanzbrunnen verharren erst ungläubig, dann sichtlich verärgert. Bei Tickets für knapp 70 Euro sehr verständlich. Eine derart intensive Stunde mag weniger aufregenden, dafür längeren Konzerten vorzuziehen sein. Doch seit dem letzten Kölner Auftritt der Badu sind nun 16 Jahre vergangen, und auf ihre Frage, wer sie zum ersten Mal erlebt, waren die meisten Hände hochgegangen. Da wiegt die Enttäuschung umso schwerer: Die Göttin hatte wohl schlicht keine Lust mehr.