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Heimliche Stars in Kölns MuseenZu schön, um daran vorbeizugehen

Lesezeit 3 Minuten

Jan Vermeyens Bildnis eines Mannes

  1. In jedem Museum gibt es heimliche Stars, Werke, die nicht zu den berühmten Favoriten zählen, uns aber magisch anziehen, weil sie aus der Reihe fallen oder uns auf unerwartete Weise berühren.
  2. In einer neuen Serie stellen wir solche Kölner Lieblingsstücke vor und holen sie aus dem Schatten ins verdiente Rampenlicht.
  3. Zum Auftakt geht es um das unvorteilhafteste Porträt, das sich in der Schausammlung des Wallraf-Richartz-Museums finden lässt.

Köln – Welche Bilder hängen wohl neben der Mona Lisa? Und hat jemand diese Werke vor lauter Menschen, die sich um die weltberühmte Dame drängen, schon mal gesehen? In den Kölner Museen ging es zwar nie so drangvoll zu wie im Louvre, doch auch hier muss die Masse der Ausstellungsstücke mit Berühmtheiten um die Aufmerksamkeit der Besucher konkurrieren. Dabei gibt es in den Kölner Sammlungen viele heimliche Stars, also Bilder und Objekte, die nicht zu den beworbenen Publikumsfavoriten zählen, uns aber trotzdem magisch anziehen, weil sie aus der Reihe fallen oder uns auf unerwartete Weise berühren. In unserer neuen Serie stellen wir solche Lieblingsstücke vor und holen sie aus dem Schatten ins verdiente Rampenlicht.

Jan Vermeyens Bildnis eines Mannes

Zum Auftakt geht es um Jan Cornelisz Vermeyens „Bildnis eines Mannes“, das unvorteilhafteste Porträt, das sich in der Schausammlung des Wallraf-Richartz-Museum finden lässt. Es zeigt einen sehr von sich eingenommenen Herrn, dem ein kleiner Hund aus der mit Pelz gefütterten Jacke quillt, während er uns mit herablassendem Blick einen gelehrten Fingerzeig gibt; in seinem Rücken tummelt sich derweil ein Äffchen über grünem Tuch. Auch die gut gefüllten Tränensäcke schmeicheln dem Porträtierten nicht, und mit Mundwinkeln, die Richtung Doppelkinn stürzen, wollte sich schon im 16. Jahrhundert kein Mann von Welt verewigt sehen.

Katzen mit Hunden vergleichen

Man darf deshalb getrost vermuten, dass Jan Cornelisz Vermeyens Porträt keine Auftragsarbeit gewesen ist. Von diesen fertigte der 1500 in Beverwyk geborene flämische Maler viele an, durchaus im Stil des Kölner Bildnisses mit huldvoller Gestik und massigen Figuren, die das käfiggleiche Bildformat zu sprengen drohen. Sein bekanntestes Werk schuf Vermeyen auf dem Feldzug Karl V. nach Tunis: eine Serie farbenprächtiger Kriegsszenen, die als Teppichmotive die kaiserlichen Heldentaten rühmten.

Über das Porträt im Wallraf-Richartz-Museum weiß man hingegen wenig mit Sicherheit – nicht einmal, wen es zeigt. Aber es gibt immerhin eine bereits vor 80 Jahren vom niederländischen Kunsthistoriker Godefridus J. Hoogewerff entwickelte Theorie, die vor allem den unbestechlichen Vorteil hat, die einzige zu sein. Hoogewerff jedenfalls glaubte auf dem Bild Herman van Gouda zu erkennen, einen Kirchenmann, der in seiner Eigenschaft als Dekan offenbar um das Jahr 1544 mit dem bekannten Maler Jan van Scorel in Streit geriet. An einer Stelle des offenbar hitzigen Disputs soll Herman van Gouda dann – vermutlich ironisch triumphierend – ausgerufen haben: „Jetzt kann ich einen Hund nicht mehr von einer Katze unterscheiden.“

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So ließen sich die beiden Tiere auf dem Bild erklären: Der Hund ist ein Hund und der Affe kein gewöhnlicher Vertreter seiner Art, sondern eine Meerkatze. Gemeinsam begleiten sie van Gouda als Insignien einer eingebildeten Überlegenheit, die zu karikieren sich Scorel wohl selbst zu schade war. Stattdessen überließ er seinem Freund Vermeyen das Geschäft – das Porträt wäre demnach ein mit spitzem Pinsel ausgeführter Racheakt, eine Solidaritätsadresse unter Malern, die sich vom Klerus nicht gerne abkanzeln lassen.

Zur Serie

In jeder Sammlung gibt es heimliche Stars, Werke, die nicht zu den berühmten Favoriten zählen, uns aber trotzdem magisch anziehen, weil sie aus der Reihe fallen oder uns auf unerwartete Weise berühren. Wir stellen in loser Folge solche Lieblingsstücke aus den Kölner Museen vor. (KoM)

Solange es keine bessere Erklärung gibt, müssen wir mit dieser etwas gewundenen leben. Für sie spricht zudem, dass die gemalte Vergeltung ewig währt – oder zumindest deutlich länger als beispielsweise ein Tritt in den Allerwertesten. In jedem Fall sieht man auf diesem mutmaßlichen Racheakt keinen geschönten, am gesellschaftlichen Zeitideal gemessenen Menschen, wie man sie sonst in den Gemäldegalerien findet. Wahrhaftiger muss dieses „Bildnis eines Mannes“ deswegen nicht sein. Aber es zeigt einen Menschen ohnegleichen, der uns heute einzigartig erscheint, weil ein Maler seine ganze Kunst für die üble Nachrede aufbot.