- Der Vorsitzende des Stifterrats hatte die Hoffnung schon aufgegeben, dass es zum Erweiterungsbau kommt.
- Weil die Stadt ihr Versprechen nicht einhielt, sind bereits Gemälde aus Köln abgezogen worden.
- Ein wichtiges Thema für das Museum ist die Digitalisierung, sagt Jungen.
Peter Jungen ist Unternehmer und Vorsitzender des Stifterrats des Wallraf-Richartz-Museums; die weiteren Vorstandsmitglieder des Gremiums sind Christian DuMont Schütte, Herausgeber der DuMont Mediengruppe, Helmut Heinen, Herausgeber Heinen-Verlag, Martin Renker, Vice-Chairman Deutsche Bank, Alexander Vollert, Vorstandsvorsitzender AXA Konzern.
In einem „Gemeinsames Verständnis“ genannten Papier haben sich Stifterrat, Fondation Corboud und Stadt Köln auf ein Verfahren beim Erweiterungsbau des Wallraf-Richartz-Museums geeinigt. Der seit Jahren geplante Bau soll bis 2024 fertiggestellt werden. Jungen trifft sich zu diesem Zweck regelmäßig mit Baudezernent Greitemann. Grundlage der monatlichen Gespräche ist ein von den Generalplanern vorbereiteter, standardisierter Statusbericht.
Wir haben mit Peter Jungen gesprochen.
Herr Jungen, wie kam es eigentlich zur Gründung des Stifterrates des Wallraf-Richartz-Museums?
Der Stifterrat wurde gegründet, als Peter Ludwig seine Picasso-Sammlung der Stadt Köln schenkte und diese im Museum Ludwig und im Wallraf-Richartz-Museum untergebracht werden sollte – in diesem Augenblick musste die Sammlung Wallraf weichen; sie sollte wieder in einem separaten Museum untergebracht werden. Es kam zu einer Debatte über den Standort, die darauf hinaus lief, an der Stelle zu bauen, an der einst der Hercules-Tempel gestanden haben soll, und zwar nach einem Entwurf von Ungers. Allerdings: Der Stadt, vertreten damals durch den Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeier, fehlte das Geld. Also sucht er den Kontakt zu Alfred Neven DuMont mit der Bitte und der Frage, was man da tun könne.
Gab es eine Art Agenda, über die Unterstützung des Baus vielleicht sogar hinaus?
Es gab 1997 ein Gründungspapier, in dem das Ziel festgehalten wird, den Bau zu unterstützen und die weitere Entwicklung des Museums zu begleiten. Man sammelte Geld ein, das direkt für den Bau verwendet werden konnte – jeder zahlte 250000 D-Mark, vier Mitglieder 500000 D-Mark. Es hätte Ruschmeier ja nichts genützt, Mitgliedsbeiträge zu bekommen, die über 20 Jahre hinweg gezahlt werden sollten: Er brauchte das Geld sofort, er brauchte Cash. Damals hieß der Stifterrat noch Förderkreis, eine Bezeichnung, die wir allerdings nicht sehr sexy fanden.
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Mit der Gründung dieses Gremiums konnte Ruschmeier dann vor den Rat treten.
Nun hatte er das fehlende Geld. Dann aber geschah Folgendes: Die nach der deutschen Einheit boomende Bauwirtschaft brach ein, und die Preise sanken – es stellte sich heraus, dass der Bau des neuen Museums mit den Mitteln realisiert werden konnte, die die Stadt von sich aus zur Verfügung hatte. Also sollte das Geld des Stifterrats eher eingesetzt werden, um die „Dynamik des Museums zu begleiten und zu deren Finanzierung beizutragen“. Das erste Ergebnis war der Stiftersaal – Ungers meinte, und damit hatte er vollkommen recht, das an dieser historischen Stelle und mitten in der Stadt ein attraktiver Versammlungsort angebracht wäre. Schon jetzt organisiert die Museumsleitung hier 80 bis 100 Veranstaltungen im Jahr. Zu den Projekten des Stifterrats gehörte auch die Eröffnungsausstellung „Der Meister des Bartholomäus-Altars“.
Und die aktuelle Situation?
Um auf den Erweiterungsbau des Museums zu sprechen zu kommen, der nun mindestens seit 2011 nach vielen Jahren angegangen werden soll– auch hier ist der Stifterrat aktiv geworden. In 2011 hat der Stifterrat beschlossen, den Architektenwettbewerb zu finanzieren. Der Stifterrat war 2013 auslobendes Organ des Architektenwettbewerbs. Die Stadt Köln hat den Architektenwettbewerb als Dienstleister für den Stifterrat durchgeführt. Der Stifterrat ist Eigentümer der Entwürfe. Im vergangenen Jahr erst ist dann ein „Gemeinsames Verständnis“ zwischen Stadt, Stifterrat, Fondation Corboud und den Architekten erzielt worden, in dem festgehalten wurde, wie und in welchem Zeitraum wir den Bau durchführen wollen und dass es auch zu einer regelmäßigen Konsultationen zwischen der Stadt und dem Stifterrat, auch für die Fondation Corboud handelnd, kommen soll.
Nach 20 Jahren ist es nun zu einem positiven Ratsbeschluss gekommen.
Endlich ist es so weit, kann ich nur sagen, es hat ja kaum noch jemand daran geglaubt. Jedenfalls nicht bei uns im Stifterrat und auch nicht bei der Fondation Corboud, sonst wäre es ja nicht so weit gekommen, dass die Sammlung Surpierre abgezogen wurde. Das hat die Stadt Köln selbst vermasselt, denn die Vereinbarung war Teil der Leihgabe. Dort war festgehalten, dass die Bilder der Sammlung Surpierre abgezogen werden, wenn die Stadt die Ziele – also die Realisierung des Erweiterungsbaus – nicht einhält.
Es wird oft beklagt, dass die Stadt ihren Stiftern nicht mehr adäquat begegnet. War das einmal anders, Stichwort Wallraf?
Bei Wallraf hat es 41 Jahre gedauert, bis das erste Gebäude für die Sammlung errichtet wurde! Und das, obwohl die Stadt in den Genuss von 300 000 Talern von Richartz gekommen war. Sagen wir es einmal so: Die Stadt hatte häufig ein gespanntes Verhältnis zu ihren Stiftern. Man wird als Kölner in New York mitunter besser behandelt denn als Kölner in Köln. (Jungen ist Mitglied im Bord/in Gremien der New Yorker Philharmoniker, dem Metropolitan Museum, der Columbia Universität und den New York Angels, Anm. d. Red.)
Will man sich nichts vorschreiben lassen, oder wie ist das zu verstehen?
Wenn ein Stifter kommt, so wie Peter Ludwig, der klipp und klapp sagte: Bevor das Museum nicht steht, kommt kein einziges Bild nach Köln – dann stehen die Chancen gut, dass es klappt. Wallraf hatte damals eigentlich keine Wahl, er hat ja im wahrsten Sinne des Wortes seine Sammlung auf der Straße aufgesammelt. Sie bestand im Wesentlichen aus Sakralkunst, die von Soldaten der französischen Besatzung im Rahmen der Säkularisierung aus den Kirchen herausgerissen worden war – und Wallraf hat das mit Freunden und Bekannten eingesammelt.
So sah die Sammlung auch aus, ein wenig wie Kraut und Rüben.
Das machte ihren Charme aus. Wallraf war ein Besessener, und er hat der Stadt Köln diese Schätze gegen 4000 Taler Leibrente vermacht – er hat sie kapitalisiert. Um sich dann sofort wieder zu verschulden, indem er von diesem Geld erneut Bilder gekauft hat. In Köln aber fehlt heute oft das Bewusstsein davon, wo die Museen und ihre Ausstellungsstücke herkommen. Das sind alles bürgerliche Sammlungen und damit bürgerliche Stiftungen. Ohne diese Sammler und Stifter wäre die Stadt Köln nicht nur ärmer, sie wäre arm!
Dass es nun diesen entscheidenden Schritt vorwärtsging, haben personelle Veränderungen das ermöglicht?
Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat vielleicht nicht immer sofort auf unsere Vorstöße und Vorschläge reagiert, aber dann zuverlässig nachgefasst. Wenn sich Frau Reker auf eine Sache einlässt, dann will sie diese auch verstehen – das hat sie vielleicht mit Angela Merkel gemeinsam. Eine wichtige Rolle hat dabei auch Marisol Corboud gespielt, die Präsidentin der Fondation Corboud. Frau Reker ist im Übrigen die fünfte Bürgermeisterin, die mit dem Erweiterungsbau befasst ist. Der erste war Norbert Burger, dann kam für kurze Zeit der früh verstorbene Harry Blum, dann Fritz Schramma, dann Jürgen Rothers.
Doch Frau Reker kann nicht alleine handeln.
Allerdings braucht man eine Umgebung von Mitarbeitern, die muss man in einer Verwaltung über Jahre hinweg sorgfältig auswählen oder sie auch heranholen. Wer in der Sache wirklich mitgewirkt hat, auch beim Zustandekommen des „Gemeinsamen Verständnisses“, war zunächst Andrea Blome, als sie kommissarisch für das Baudezernat zuständig war – das ist ihr nicht hoch genug anzurechnen. Dann kam der Wechsel zu Markus Greitemann, der die Vorarbeiten guthieß und darauf aufbaute. Ich hoffe auf eine weitere professionelle Zusammenarbeit in den monatlichen beziehungsweise quartalsweisen Treffen zwischen ihm und mir.
So kam also Bewegung in die Sache?
Es war eine klare Entscheidung erforderlich. Die Verwaltungsspitze musste sich deutlich für den Erweiterungsbau aussprechen. Manchmal hatte man bei Termindiskussionen den Eindruck, die Verwaltungsspitze traute ihrer eigenen Verwaltung die Realisierung nicht zu. Mit dem Rat haben wir nie Probleme gehabt; Probleme ergaben sich immer durch die, die in der Verwaltung Politik machen. Und an dieser Stelle hat es „klick“ gemacht. Entscheidend war, dass die Verwaltung einen gemeinsamen Fahrplan nach innen bekam, und der liegt als „Gemeinsames Verständnis“ vor.
Welche Rolle wird der Stifterrat in der Zukunft spielen?
Die Mitwirkungsrechte des Stifterrats sind Ewigkeitsrechte. Die überwiegende Mehrheit der Mitglieder sind Firmenmitglieder. Die Rechte der persönlichen Mitglieder sind vererbbar. Der Stifterrat wird also in den nächsten Jahren mit der Stadt und der Fondation Corboud alles dafür tun, dass der Erweiterungsbau realisiert und bis November/Dezember 2024 fertiggestellt wird. Wir haben so viel an Zeit und Aufwand in dieses Ziel hineingesteckt, dass es falsch wäre, sich jetzt zurückzulehnen und zu glauben, man habe erreicht, was notwendig ist. Es ist nichts erreicht – außer, dass nun die Architekten und, das war mir besonders wichtig, der Generalplaner ihre Arbeit aufnehmen. Die Verwaltung sollte nicht versuchen, selbst diese Arbeit in die Hand zu nehmen. Die Eröffnung könnte im zeitlichen Zusammenhang mit dem 18. 5. 2025 erfolgen, an dem Gerard Corboud 100 Jahre alt geworden wäre.
Welche Überlegungen gibt es für die Zukunft, zum Beispiel zur Digitalisierung?
Wichtig ist sicher darüber hinaus, dem Museum in Fragen der Digitalisierung zu helfen. Wir haben gerade auch in der Corona-Krise gesehen, welch große Bedeutung diese hätte und welche Defizite hier bestehen. Es kann nicht darum gehen, nur virtuelle Rundgänge zu veranstalten. Digitalisierung bedeutet vor allem auch, zu den Ausstellungsstücken eine eigene Narration zu liefern, Geschichten zu den Bildern zu erzählen. Woanders, etwa am Metropolitan Museum in New York, bei dem ich Mitglied des International Council bin, ist man da schon erheblich weiter. Der Stifterrat hat für das Wallraf-Richartz-Museum schon vor vier Jahren Mittel zur Verfügung gestellt, um die Digitalisierung voranzutreiben, die bislang noch nicht abgerufen wurden. Es geht vor allem darum, mit Technologie in die Moderne zu kommen. Es geht um die Frage, mit welchem Selbstverständnis Museen in ihrer Zeit agieren – wofür sind sie da? Für Kunstvermittlung, für Events, für pädagogische Aufgaben, oder sind sie dazu da, einfach nur immer mehr Bilder in die Depots zu stellen?
Worauf kommt es denn an?
Wichtig wäre deshalb, Mittel in die Aufarbeitung der Sammlung zu stecken, in die Digitalisierung dessen, was man als Schatz besitzt, und damit auch Verknüpfungen zu ermöglichen, kurz: Narrative zu entwickeln am Beispiel Wallraf. Er war einer der wichtigsten Bürger Kölns in der Neuzeit, als Rektor der Universität zu Köln, als Sammler von Kunst und einer umfassenden Bibliothek; die Wallraf-Sammlung war Grundstock mehrerer Kölner Museen. Es geht doch auch ums Vorführen, um den Zugang für Menschen zu ermöglichen, die normalerweise nicht ins Museum gehen, gerade auch für junge Menschen.
Wie bewerten Sie den Standort des Museums in der Nähe zur Hohe Straße, die gerade an Attraktivität verliert?
Da wird vieles wegbrechen, auf der anderen Seite werden sich vielleicht neue Aspekte ergeben. Die Erhöhung der Attraktivität von Museen kann dem Zentrum neue Impulse geben. Hierzu kann eine noch stärkere Nutzung des Stiftersaals für Veranstaltungen beitragen, um jährlich einen beachtlichen Finanzierungsbeitrag von sicher über 100000 Euro zu erzielen. Damit entsteht eine attraktive Verbindung nach außen. Schließlich verfügt das Wallraf über eine der umfangreichsten Sammlungen mittelalterlicher Malerei in der Welt, aus keiner anderen Stadt kommt eine so umfangreiche Sammlung mittelalterlicher Tafelmalerei, wie es sie in Köln gibt. Hier hat es keine Stadtbrände gegeben und keine Bilderstürme, und Wallraf hat es eingesammelt. Das hat auch eine besondere historische Bedeutung. Darauf sollten wir in Köln stolz sein, und wir sollten es angemessen würdigen.