Beim ersten ihrer sieben Konzerte ging die Schlagersängerin sofort auf die seit März mehrmals verschoben Kölner Termine ein.
„Helene-Mania“ mit sieben KonzertenHelene Fischer zeigt sich bei Kölner Show-Auftakt „extrem emotional“
Ein riesiger Rubin hängt vom Bühnenhimmel. Gestraffter Stoff, in dem ein Licht pulsiert. Atmosphärische Musik erfüllt die Kölner Arena. Paukenschläge, Geigenzauber. Dann senkt sich der Edelstein langsam herab und Helene singt: „In einem Moment kann sich alles drehen.“ Rotes Tuch wird in Sekundenbruchteilen gerafft. Gibt den Blick frei auf Deutschlands erfolgreichste Entertainerin. Die nicht nur diesen ersten Moment, sondern einen Gutteil ihrer Show irgendwo zwischen Decke und Boden schwebend verbringen wird.
„Und die Wolken leuchten für uns beide hell in Neonfarben“, schwärmt Helene. Schlagerpsychedelik. Exaltierte Normalität. Tänzer seilen sich von roten Stoffbahnen ab, fahren am Gestänge fliegender Bauten wieder in die Höhe.
Konzerte in Köln: Helene Fischer in Lanxess-Arena „extrem emotional“
Und die Sängerin, die in den Anfängen ihrer Karriere immer etwas steif wirkte, hat inzwischen gelernt, in ihren Vortrag immer wieder „Köln“ oder andere einsilbige Aufputschvokabeln einfließen zu lassen. „Ihr Lieben“, verrät sie dem Publikum in der Arena, „ich bin heute extrem emotional.“ Dann kommt sie auf die seit März mehrmals verschoben Kölner Termine zu sprechen, auf ihre Verletzungen, oder doch eigentlich nur auf die gebrochenen Rippen, die Narbe an der Nasenwurzel erwähnt sie nur indirekt, beteuert: „Ich bin nicht leichtsinnig!“ Als wären wir ihre Eltern.
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Aber man ist sich halt sehr nah im Schlager-Genre, zumindest behauptungsweise. Und so fällt Helene Fischer die undankbare Aufgabe zuteil, ein Cirque-du-Soleil-Spektakel im Las-Vegas-Format auf die Bühne zu bringen – in Köln gleich siebenmal hintereinander – und zugleich das nette Spätaussiedlermädel von Nebenan zu geben, dessen ausgefallenster Traum sich darin erschöpft, in zerrissenen Jeans um die Häuser zu ziehen oder im Viervierteltakt der Bumsmusik mit 300 Sachen über die Autobahn zu brettern. „Wir feiern die Schwächen“, singt Helene in „Fehlerfrei“. Aber erlauben kann sie sich keine.
Dann kommt die Trapeznummer, die in Hannover so fruchtbar schiefgegangen ist, ausgerechnet „Wunden“ heißt das lateinamerikanisch angehauchte Stück. Diesmal läuft alles gut: Helene hängt in der Luft, an den Armen eines starken Mannes. Keine Akrobatin singt so gut und gibt dabei noch überzeugend die Liebesfiebernde. Großer Jubel. Jetzt stehen die Menschen auf, lassen endlich los, feiern. Sie ist unkaputtbar, unsere Helene.
Helene Fischer singt Song über eigene Liebesgeschichte
Sie wäre so gerne Musical-Darstellerin geworden. Davon ist nur ein Moment geblieben. In einer Art Tinkerbell-Kleid schmettert sie „Never Enough“, die tränensüße Ballade einer Frau, die sich selbst nie genug sein kann, aus dem Filmmusical „Greatest Showman“. Dazu tanzen die Fontänen, umspülen funkelnde Regensäulen unsere größte Showfrau.
Dabei kommt der ungebremste Kitsch jetzt erst richtig in Fahrt! Anschließend bleibt die barfüßige Sängerin nämlich in der Pfütze stehen und verspricht dem Publikum, es nun ganz tief in ihr Herz blicken zu lassen. Zum ersten Mal habe sie sich die Zeit genommen, selber Songs zu schreiben, ihre ganz persönliche Geschichte zu schreiben. Das Lied, das folgt, heißt „Hand in Hand“ und beschreibt ihre Lovestory mit dem Luftakrobaten Thomas Seitel in Schlagerstanzen.
„Hab gewartet, doch gewartet worauf?“, sehnsüchtelt Fischer und prompt schwingt der oberkörperfreie Luftikus am Seil auf die Bühne, greift sich seine Helene wie Tarzan seine Jane. Den Rest der Nummer dreht und spreizt sich das Paar hoch über den Brettern, die den schnöden Alltag bedeuten. Und als es schließlich eng umschlungen in der Unterbühne versinkt, ist man froh, dass es nun erst einmal eine halbe Stunde Pause zum Ausdampfen gibt. Zu viel Gefühl, um die Berliner Band Ideal zu zitieren.
Als Vamp, eingenäht in eine hautenge Lederhose, steigt Helene anschließend wieder an die Oberfläche und findet sich auf einer kleinen Bühne inmitten des Publikums wieder, umringt von ihren Musikerinnen und Musikern, bereit zum Akustik-Schlagermedley ihrer frühen Hits. Mit Humptata, Armschwenken und Akkordeon. Das fühlt sich an, als säße man wieder zwischen seinen Eltern gequetscht auf dem Sofa, gezwungen Dieter Thomas Hecks „Hitparade“ mit anzuschauen. Und findet es peinlicherweise gut.
Helene Fischer gönnt sich einen Techno-Tanzpart in „Vamos a marte“
Auf früheren Konzerten schob Helene Fischer jede Menge sattsam bekannter Coverversionen zwischen die Gassenhauer, suchte Anschluss ans internationale Showgeschäft. Das hatte dann etwas von gehobener Kreuzfahrtunterhaltung. Jetzt bestreitet sie ihr eigenes Programm, von Stücken, die sich anhören, als flögen gleich die Löcher aus dem Käse, bis zum technoiden Tanzpart in „Vamos a marte“. Gut so.
Auf der kleinen Bühne nimmt sie sich auch Zeit fürs Publikum, bittet Menschen, die lange genug große Papp-Botschaften hochgehalten haben, zum Selfie auf die Bühne, umarmt, singt Geburtstagsständchen – und bleibt dabei doch herzlich verkrampft. Ein locker charmierender Harry Styles wird sie nie. Dafür ist sie einfach zu Deutsch.
Aber jetzt schwenkt sie zu „Regenbogenfarben“ solidarisch die Regenbogenflagge, verarbeitet gleich darauf in „Luftballon“ den Verlust geliebter Menschen und lässt sich – die Show muss weitergehen – zu „Wann wachen wir auf“ von einer Leiter hängend übers Publikum schleudern.
Ein Roboterarm schleudert Fischer durch die Lanxess-Arena
Das kann man noch steigern: Im hinteren Teil des Innenraums hat sich die Sängerin an einen Roboterarm geschnallt, der sie mechanisch durch die Lüfte wirbelt. Dazu singt das unvermeidliche „Atemlos“. Als hätte sie zur Kirmes ihr persönliches Fahrgeschäft mitgebracht. Und die Kirmesmusik gleich dazu. Ein mögliches Fischer-Event wäre ein Konzert im Phantasialand. Die Fans folgten ihr von Attraktion zu Attraktion und Helene sänge dann jeweils vom ersten Wagen aus, von Looping zu Looping.
Ein Stück namens „Achterbahn“ hat sie übrigens tatsächlich im Programm, die Achterbahn existiert allerdings nur in ihrem Kopf, als grob geschmiedete Metapher für „Gefühle außer Plan“. In Köln drehen sich dazu Akrobaten in ineinander nach Art eines Logik-Puzzles verschachtelten Dreiecken und es folgt ein fetter Bass-Drop, mit dem man nun wirklich nicht gerechnet hatte.
Zur Zugabe versucht sich die brave Helene sogar kurz zum Brachial-Solo ihrer wasserstoffblonden Gitarristin im Headbangen, wo soll das noch hinführen? Keine Angst, nur zu einer letzten Ballade, ohne Luftschwünge und Feuerstöße gesungen. „Ich geb‘ dir alles, alles von mir“, haucht Helene. Und 15.000 Menschen dürfen sich gemeint fühlen.