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Neue deutsche Horrorserie bei SkyWie gruselig ist „Hausen“ wirklich?

Lesezeit 4 Minuten

Schwarzer Schleim frisst sich durchs Haus und zerstört das soziale Gefüge.

  1. Die deutsche Horrorserie „Hausen“ läuft in acht Folgen beim Pay-TV-Sender Sky. Das alte Regierungskrankenhaus der DDR wird darin zu einem „Haunted House“.
  2. Die Geschichte zu „Hausen“ hat Till Kleinert zusammen Anna Stoeva verfasst. Beide zelebrieren im Übermaß ihr Interesse für spezifisch ostdeutsche Themen und ihren Sinn fürs Atmosphärische.
  3. Um was es in der Geschichte geht, wie die Serie aufgemacht ist und wie sie am Ende ankommt.

Köln – Das Regierungskrankenhaus der DRR im äußersten Norden Berlins galt einst als verbotener Ort. Nur die politische Elite des Arbeiter- und Bauernstaates wurde hier behandelt. Wer in dem Plattenbau als Arzt arbeitet, munkelten damals die Anwohner, werde in West-Währung bezahlt.

Heute steht das graue Gebäude bereits seit Jahrzehnten leer, rottet als verlorener Ort eines verlorenen Staates vor sich hin. Nur Stadtarchäologen und Hobbyfotografen verschafften sich ab und an heimlich Zutritt und tasteten sich mit Hilfe von Taschenlampen durch seine langen, dunklen Korridore.

Unterdrückte Befindlichkeiten

Bis der Film- und Fernsehregisseur Thomas Stuber – bekannt unter anderem durch die Gabelstaplerfahrer-Liebesgeschichte „In den Gängen“ – das ehemalige Regierungskrankenhaus als idealen Drehort für die erste vom Bezahlsender Sky produzierte Horrorserie ausmachte.

„Hausen“, so der Titel des Achtteilers, zeigt den Pankower Plattenbau als klassisches „Haunted House“. Ein Spukhaus als Mikrokosmos unterdrückter ostdeutscher Befindlichkeiten: Allein der Idee möchte man applaudieren. Auch wenn Christoph Schlingensief schon vor 30 Jahren mit „Das deutsche Kettensägenmassaker“ die Wiedervereinigung als Splatterfilm erzählt hatte (mit dem bitter-wahren Slogan „Sie kamen als Freunde und wurden zu Wurst“).

Deutscher Horror ist selten

Die Geschichte zu „Hausen“ hat Till Kleinert zusammen Anna Stoeva verfasst. Sein Spielfilmdebüt „Der Samurai“ vor sechs Jahren war das seltene Beispiel eines deutschen Beitrags zum Horrorgenre. Kleinert und Stuber gemeinsam ist ihr Interesse für spezifisch ostdeutsche Themen und ihr Sinn fürs Atmosphärische. Beides zelebrieren sie nun in „Hausen“ im Übermaß.

Die Serie

„Hausen“ wird ab dem 29. Oktober täglich ab 20.15 Uhr in Doppelfolgen auf Sky Atlantic HD ausgestrahlt. Die komplette Staffel ist zudem auf Sky Ticket sowie über Sky Q verfügbar.

Die Geschichte ist schnell erzählt (ohne Spoiler!): Nachdem die Mutter bei einem Hausbrand zu Tode gekommen ist, zieht der 16-jährige Juri (Tristan Göbel) mit seinem Vater in den bewussten heruntergekommenen Plattenbau, der für Außenaufnahmen digital um etliche Geschosse aufgestockt wurde. Sein Vater Jaschek (Charly Hübner) hat dort eine Stelle als Hausmeister angenommen, im Zwei-Fronten-Kampf gegen die eigene Traurigkeit und die allgemeine Entropie in Gestalt eines zähflüssigen schwarzen Schleims, der den gesamten Mietbunker wie eine Art mystischer Schimmel durchdringt, den sozialen Zusammenhalt seiner Bewohner zerfrisst und sogar in konzentrierter Form als Droge gehandelt wird.

Kein Klischee darf fehlen

Naturgemäß von einer Jugendgang, die im Aufzug das Schmetterlingsmesser zückt. Dieses Horrorhaus lässt kein Klischee aus: Weder das alte Ehepaar, das vor dem Fernseher dämmert, noch den Nazi, der sich im 88. Stock (haha!) sein kleines viertes Reich aufgebaut hat, nicht den Perversling, der die Tochter des asiatischen Kioskbesitzers ausbeutet, und auch nicht das junge Prekariat-Pärchen mit Baby, das von einer besseren Existenz träumt. Vergeblich. Stattdessen kommt dem süchtigen Vater der Säugling im Müllschlucker abhanden und greint fortan als Kindsgeist durch die scheppernden Lüftungsrohre des Gebäudes.

Und ist doch nur eine weitere Tonspur im Dauergedröhne des aggressiv Horror telegrafierenden Sounddesigns, das klingt, als hätte sich Hans Zimmer rückwärtig auf die Tastatur seines Samplers gesetzt. Die Bilder sind von ähnlicher Aufdringlichkeit. Keine Leuchtstoffröhre, die hier nicht bedrohlich flackert, kein Lüftungsschacht, der nicht böse säuselt wie Sauron höchst selbst.

Bekannte Referenzen

Zwei Referenzen, an die man beim Anschauen von „Hausen“ immBer wieder denken muss, sind Stanley Kubricks „The Shining“ und Lars von Triers Serie „Hospital der Geister“, wobei Stuber niemals plump zitiert. Leider fallen die Vergleiche jeweils zuungunsten von „Hausen“ aus: Wo Kubrick den Schrecken in hell ausgeleuchteten Hotellobbys fand, behilft sich Stuben mit Geisterbahn-Rummel. Wo Jack Nicholson aus jeder Pore toxische Männlichkeit schwitzte, stapft Charly Hübner stoisch als Mensch gewordene Polierfalte durch die Gänge.

Und jede zarte Anwandlung von schwarzem Humor oder allzumenschlicher Hysterie, der das dänische Vorbild so einzigartig machte, wird von Hauptsatz-Dialogen geplättet, die klingen wie Spielszenen in einem Point-and-Click-Adventuregame aus den 80ern: „Das Baby ist weg. Deine Mutter ist tot. Wir müssen damit fertig werden.“

Exzentrische Hausbewohner

Das ist umso bedauerlicher, als sich unter den Hausbewohnern so herrlich exzentrische Bühnenstars wie Alexander Scheer und Lilith Stangenberg finden, die all das hätten geben können. Stattdessen endet „Hausen“ in einer eher assoziativen als logischen Bilderorgie.

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Es ist, als wollten sich Stuber und Kleinert mit aller Macht den Weg zurück in eine Zeit vor hundert Jahren bannen, in der das deutsche Kino mit Filmen wie „Das Cabinet des Dr. Caligari“ die Vorhut des Horrors bildete. Das ehrt sie. Aber gutes Gruselfernsehen geht anders.