Interview zur Corona-Krise„Die Anspannung für Kölner Clubs ist groß“
- Norbert Oberhaus und Jan van Weegen haben vor zehn Jahren die Klubkomm mitgegründet – ein Verband für Clubs und Veranstalter in Köln.
- Jetzt setzt der Verein alles daran, Kölns Musik-Spielstätten durch die Coronakrise zu führen.
- Die Zusammenarbeit mit der Stadt sei besser als je zuvor, doch viele Clubs stehen trotzdem vor dem Abgrund.
Norbert Oberhaus, Jan van Weegen, vor zehn Jahren haben Sie zusammen mit anderen Veranstaltern die Klubkomm gegründet, den Interessenverband der Kölner Musikclubs. Wie schwierig war es damals, sich zusammenzuraufen?Oberhaus: Es gab in Köln schon Ende der 1990er Jahre erste Versuche, einen Verband zu gründen. Es lag in der Luft, dass wir so etwas machen müssten. Als wir das CC 4711 in Ehrenfeld gegründet hatten, hatten wir dann viele der Akteure unter einem Dach. Da war — auch mit dem c/o pop Festival, das sich gefestigt hatte – die richtige Energie und Stimmung da: Jetzt lass es uns doch anpacken. In Köln hatte man sich unter den Clubs immer schon geholfen und miteinander gesprochen, da gab es nie dieses ausgeprägte Konkurrenzdenken. Der Gründungsprozess war manchmal zäh, aber als wir im März 2010 alle im Stadtgarten zusammensaßen, war das ein toller Moment. Jetzt in der Krise zeigt es sich ja, wie wertvoll das ist, dass man als Sparte gut organisiert ist. Jetzt können wir handeln und reagieren.
van Weegen: Es ist auch toll, was im Laufe der Jahre an neuen, jungen Akteuren zur Klubkomm dazu gestoßen ist. Wir haben gerade mit dem Lockdown gesehen, wie wichtig die Expertise ist, die diese Digital Natives mitbringen. In Windeseile wurde da ein digitales Format geschaffen, der Cologne-Culture-Stream.
Oberhaus: In den vergangenen fünf Jahren sind viele dazu gekommen, deren Club-Verständnis sehr politisch ist. Da geht es um den Club als Begegnungsstätte, als Orte, an dem neue Ideen entstehen.
van Weegen: Leute, die einen Club betreiben wollen, entscheiden sich ja für einen ziemlich schwierigen Weg. Das ist keine besonders ratsame Karriere-Entscheidung, da steht immer eine bestimmte Haltung dahinter.
Oberhaus: Das Gute ist, dass die kulturpolitische Bedeutung der Clubs inzwischen auch in der Politik angekommen ist. Diese höhere Akzeptanz und Wertschätzung ist enorm wichtig.
Was Ihnen jetzt, in der größten Krise, die Deutschlands Clubkultur jemals durchstehen muss, bestimmt geholfen hat?
Oberhaus: Die politische Willensbekundung „Wir wollen helfen“, die kam sehr schnell. Natürlich war das dann ein längerer Weg, dann musste ja auch viel formal geregelt werden. Wir arbeiten schon seit ein paar Jahren gut und vertrauensvoll mit der Stadt zusammen, aber das hatte noch mal eine ganz neue Qualität. Letztendlich waren wir in Köln bundesweit die ersten, die einen Hilfsfond für Clubs und Spielstätten aufgelegt haben.
van Weegen: Allein für diese Krisensituation, in der uns ja unsere Geschäftsgrundlage entzogen worden ist, hat es sich gelohnt, dass wir uns in der Klubkomm zusammen gefunden haben, dass wir unsere Interessen gebündelt formulieren können.
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Reicht denn die bis jetzt geleistete Unterstützung aus?
van Weegen: Auf gar keinen Fall. Der Notfallfond vom April, das war eine einmalige Zahlung. Wir haben insgesamt 545 000 Euro an 41 Livemusik-Spielstätten ausgezahlt. Damals wusste noch niemand, wann der Betrieb wieder aufgenommen werden kann. Die Stadt Köln hat dann noch vor der Sommerpause im Wirtschaftsausschuss weitere 600 000 Euro für eine Fortführung des Nothilfefonds bewilligt, ohne, dass wir noch mal große Lobbyarbeit hätten leisten müssen. Das Geld soll aber erst nachrangig zu den Förderungen die vom Bund und vom Land kommen bewilligt werden ausgezahlt werden. Für Juni, Juli, August gab es vom Bundeswirtschaftsministerium die branchenübergreifende Überbrückungshilfe, bei der man sich bis zu 80 Prozent der monatlichen Betriebs- und Sachkosten bezuschussen lassen konnte. Die läuft jetzt aber aus und ab September stehen wir vor der Frage, wo es weitere Fördermöglichkeiten gibt.
Nach welchem Schlüssel wurde und wird denn das Geld an die Clubs verteilt?
van Weegen: Das ist nach den Kapazitäten der Clubs gestaffelt, von 5000 Euro für die kleinen Läden, eine Besucherkapazität bis zu 99 Personen haben, bis hin zu 25 000 Euro für Clubs in der Größenordnung von 1500 bis 1600 Leuten. Das hat sich als ganz gut und leistungsgerecht dargestellt. Großer Laden – große Kosten, kleiner Laden – geringere Kosten.
Situation ist dramatisch
25 000 Euro, das klingt erstmal nach einer großen Summe geschenkten Geldes?
Norbert Oberhaus und Jan van Weegen
Norbert Oberhaus ist seit den 1990er Jahren in Köln als Kulturmanager tätig. Er rief unter anderem die Summer Stage, die c/o pop und das Nachwuchsförderprogramms popNRW ins Leben. Vor zehn Jahren gehörte er zu den Initiatoren der Klubkomm, deren erster Vorsitzender er war.
Jan van Weegen, 1. Vorsitzender der Kölner Klubkomm, betreibt seit 24 Jahren zusammen mit Pablo Geller das Gebäude 9. Vor ein paar Jahren sollte der legendäre Mülheimer Musikclub dem dort neu entstehen den Viertel weichen, ein öffentlicher Aufschrei rettete ihn in letzter Minute.
van Weegen: Aber die Situation ist trotz aller Hilfe dramatisch. Für größere Betriebe fallen da locker 30 000 bis 40 000 Euro pro Monat an Betriebs- und Sachkosten an. Das ist für die Club-Betreiber eine ganz schwere Hypothek, die da im wahrsten Sinne des Wortes mitgeschleppt wird. Die Anspannung ist ziemlich groß. Solange noch kein Endpunkt in Sicht ist, und man keine zuverlässige Liquiditätsplanung machen. Viele haben bereits einen KfW-Kredit aufgenommen, fragen sich aber, ob sie den jemals wieder abbezahlen können – oder sich für den Rest ihres Lebens verschuldet haben.
Oberhaus: Auch der Bund stellt viel Geld für Clubs und Veranstalter zur Verfügung, insgesamt 30 Millionen Euro. Aber diese Gelder sind für Programm-Konzepte und Zukunftsinvestitionen vorgesehen. Die helfen nicht bei den monatlichen Betriebskosten. Dafür ist das Kulturministerium auch nicht zuständig, weshalb unsere nächste Adresse das Land NRW ist. Das hat sich bis jetzt, was die Spielstätten-Förderung für Clubs angeht, vornehm zurückgehalten.
Kultur hört bei Jazz auf
Hat NRW denn nicht gerade 80 Millionen Euro für Kulturspielstätten ausgeschüttet?
Oberhaus: Aber Clubs sind davon explizit ausgenommen. Für das Kultusministerium NRW scheint Pop beim Jazz aufzuhören. Das ist ärgerlich. Bayern hat zum Beispiel gerade ein Förderprogramm für Clubs aufgelegt, Hamburg hat bereits im März so ein Programm an den Start gebracht, um die Fixkosten der Clubs zu übernehmen und in Berlin gibt es das auch. Für uns wäre das der letzte Strohhalm damit wir nicht nur durch den Winter kommen, sondern auch in das nächste Frühjahr hinein. Sonst hilft uns auch das Geld vom Bund nichts. Du kannst kein Programm planen, wenn du morgen die Miete nicht zahlen kannst.
van Weegen: Wir müssen die Struktur der Musikspielstätten bis zum Ende der Pandemie herüber retten. Das funktioniert am besten über Zuschüsse. Wenn man ein finanzielles Auskommen hat, kann man die Gitarre auch noch ein bisschen länger im Koffer lassen.