Köln – Die Spielzeit 2018/19 wird für das Theater der Keller die definitiv letzte in der Kleingedankstraße sein. Vor 45 Jahren war der Keller hier eingezogen, spätestens am 31. Juli 2019 muss er das Gebäude räumen. Wo seit den frühen 70er Jahren gespielt wurde, sollen nach Willen des Eigentümers Luxuswohnungen entstehen. Der Räumungstitel liegt beim Notar, ein weiterer Aufschub ist nicht mehr möglich. Mit Wut und Wehmut verlasse er das Haus, das er lieben gelernt habe, sagte Intendant Heinz Simon Keller am Dienstag. Unverständlich sei das, bitter, aber leider legal: „Wer kauft in Deutschland denn ein Theater?“
Theater der Keller ist finanziell gut aufgestellt
Schlimm genug, wenn Clubs und Konzerthallen Opfer der Gentrifizierung werden, doch bei dem 1955 gegründeten Theater der Keller hat das noch mal eine andere Qualität. Für die Immobilie in der Kleingedankstraße zahlte die Bühne zuletzt 80.000 Euro Miete im Jahr. Trotzdem ist der Keller finanziell und künstlerisch gut aufgestellt. Alte Schulden konnten abgebaut werden, die Auslastung ist mit 18.000 Zuschauern in der vergangenen Spielzeit hervorragend, das Stück „Bilquiss“ gewann im vergangenen Dezember den Kölner Theaterpreis.
Notlösung Altes Pfandhaus
Fehlt nur eine Spielstätte. Die Pläne, in ein ehemaliges Tonstudio in der Werderstraße zu wechseln, scheiterten am Veto der Hausgemeinschaft, die wegen der Umnutzung gefragt werden musste. Verhandlungen mit zwei möglichen Spielorten in der Südstadt laufen zur Zeit noch, außerdem hat Ulrich Wackerhagen, der 1. Vorsitzende des Trägervereins des Theaters, einen Mietvertrag für das Alte Pfandhaus unterschrieben. Wenn alle Stricke reißen, könnte der Keller zur Saison 2019/20 hier unterkommen. Eine Notlösung.
Eine rote Box auf dem Ebertplatz
Am Dienstag präsentierte Heinz Simon Keller den Plan einer anderen, ungleich ehrgeizigeren Interimsstätte. Demnach könnte auf dem Ebertplatz ein neues Theater entstehen, eine rote Box mit einer Grundfläche von 270 Quadratmetern, in Schnellbauweise aus Holztafeln zusammengesetzt, und auf Stelen aufgebockt, so dass der Eingang zum Theater am ebenerdigen Fußgängerüberweg läge, und man unter der Theaterkiste zur Unterführung mit ihren Galerien gelangte.
Infoabend
Am 12. Juli um 18 Uhr wird der Architekt Christian Schaller im Theater der Keller die spektakulären Pläne des Theaters vorstellen. Anschließend wird um 20 Uhr eine Vorstellung von „Bilquiss“ gespielt.
Das provisorische Haus böte Platz für 120 Zuschauer, die Bühne wäre fast doppelt so groß wie im beengten alten Haus. Zudem könnte man noch unterhalb des Hauses eine Freilichtbühne mit Witterungsschutz einrichten, die dann auch von den umliegenden Vereinen, der Offenen Jazz Haus Schule oder den benachbarten Galerien bespielt werden könnte.
Man wolle, so Keller, zur sozio-kulturellen Belebung des Platzes beitragen. Der Architekt Christian Schaller – von ihm stammt unter anderem der Entwurf zur heutigen Domtreppe – hat die rote Box entworfen, deren Grundriss sich der Form des Ebertplatzes anpasst und mit seinen 20 Metern Länge und 14 Meter Breite, mit seinem zugespitzten Bug und aufsteigendem Heck nicht von ungefähr an ein Schiff erinnert, eine Arche Noah für das Theater der Keller. Ein Vierteljahr, glaubt Schaller, sollte für die Errichtung des Fliegenden Baus genügen.
Kosten von rund 800.000 Euro
Rund 620 000 Euro sollen die reinen Baukosten betragen, mit den technischen Kosten käme man auf etwa 800.000 Euro. Einen Teil davon kann das Theater selber stemmen, immerhin entfiele ja die Miete, und die Fördersummen der Stadt und des Landes steigen um fast 26 Prozent auf insgesamt 292 000 Euro. Und der große Rest? „Man kann nur akquirieren, wenn man ein Projekt hat“, schätzt Schaller. Ungleich schwieriger dürfte es sein, den roten Kubus bei Politik und Verwaltung durchzusetzen. Keller gibt an, bereits erste Gespräche mit Vertretern der Politik geführt zu haben. Praktischerweise sitzen mit Ulrich Wackerhagen (FDP) und Ralph Elster (CDU) gleich zwei kulturpolitische Sprecher ihrer jeweiligen Parteien im Keller-Vorstand.
Vorgestellt wurde auch der kommende Spielplan. Er reflektiert die Notlage des Kellers in nostalgische, sarkastische und trotzige Weise. Der Intendant selbst wird die Saison mit einem „Kirschgarten“ eröffnen. Der wird bekanntlich abgeholzt, um Ferienhäusern Platz zu machen. In einer an „Zimmer frei“ angelehnten „Spezialserie zum Rausschmiss“ sollen sich prominente Kandidaten – Annette Frier, Christine Westermann – um eine Zweitwohnung in der Kleingedankstraße bewerben. Die endgültig letzte Premiere am alten Ort wird dann Charlotte Sprenger bestreiten: Sie inszeniert Thomas Vinterbergs „Das Fest“.