Die Kölner Architektenfamilie Böhm hat ikonische Gebäude in der Stadt gebaut. Auf Besichtigungstour mit Paul Böhm zu sakralen und profanen Meisterwerken.
Kölner ArchitekturOhne diese Familie wäre Köln nur halb so schön
Ohne die Architektenfamilie Böhm wäre Köln nur halb so schön. Es soll sogar Menschen geben, die eher grußlos am Dom vorbeigehen würden als an den Gotteshäusern, die Dominikus, Gottfried und Paul Böhm in ihrer Stadt errichteten. Von Dominikus stammt St. Engelbert in Riehl, der erste, weit über die Stadtgrenzen hinaus wirkende moderne Kölner Kirchenbau; dessen Sohn Gottfried sicherte sich gleich mit seinem Erstlingswerk, dem Neubau der im Krieg zerstörten Kapelle St. Kolumba, einen Platz in der Stadtgeschichte, und Paul Böhm, der Enkel, verwirklichte in der von ihm entworfenen Zentralmoschee die Idee eines aufgeklärten Islam.
Revolution im Kirchenbau: Sankt Engelbert
An der Seite Paul Böhms radeln wir durch Köln, um einen Teil des steinernen Familienerbes zu besichtigen. Wir treffen uns an der „Zitronenpresse“, wie der Kölner Volksmund die Pfarrkirche St. Engelbert wegen ihres kreisrunden Grundrisses und der acht Parabelbögen taufte. „Eine tolle Skulptur von außen wie von innen“, findet Böhm. „Das Gebäude hat eine strenge, geometrische Form und sehr schön gewölbte Außenwände.“ Als er nach Köln zurückgekommen war, so Böhm, war sein erster Auftrag, den Innenraum der großväterlichen Kirche umzugestalten. „Der Boden sollte erneuert werden, es sollte einen Bereich für Kinder geben, und auch die Oberfläche der Wände war ein Thema.“ Es sei aber nie dazu gekommen, weil die Gemeinde das Geld lieber für soziale Zwecke spenden wollte. „Natürlich hatte ich Respekt vor diesem Auftrag, vor dem Bau vor allem, weniger vor dem Großvater.“
St. Engelbert (Riehl), Garthestraße 15
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Am aktuellen Zustand findet Böhm einiges auszusetzen: „Diese Altarinsel ist aber traurig, mit diesem muffigen Teppich. Und die Bänke stehen wie Kraut und Rüben.“ Aber das kann den Gesamteindruck nicht trüben: „Ein großartiger Raum, der raffiniert durch diese halbrunden Wandnischen gegliedert ist. Das ist nicht nur eine glatte Tonne.“ Überhaupt sei das Haus damals revolutionär gewesen. Allerdings habe Dominikus mehrere Entwürfe gebraucht, bis die Kirche stand. „Wenn ich mal eine Pleite erlebe, sage ich mir: Das ist meinem Großvater auch schon passiert.“
Ein Himmel aus gefaltetem Beton: Sankt Gertrud
Man betritt die berühmten Gottfried Böhm’schen Betongebirge aus den 1960er Jahren ja durchaus in der Erwartung eines Höhlenerlebnisses. Aber es sind eben modernistisch ausgetüftelte, aus Beton gefaltete Höhlen, die das fahle Licht kostbarer erscheinen lassen, als es jede farbenprächtige Glasmalerei vermag. Wie in der Kölner St. Gertrud-Kiche thronen die Böhm’schen Dächer zudem nicht über dem Altar, sondern verteilen die wirkenden Kräfte über den gesamten Raum. In einer solchen Kirche hebt man den Blick unweigerlich zum gewaltigen Formenspiel der zerklüfteten Decke, und zugleich weiß man sich als Gleicher unter Gleichen. Bei Gottfried Böhm wird jeder Einzelne zum Priester seiner eigenen ästhetischen Erfahrung.
Vor der Tür muss man sich allerdings vor dem Straßenverkehr in Acht nehmen. Das Agnesviertel ist deutlich urbaner als das Wohnviertel in Riehl, was sich auch daran zeigt, wie die Architekten jeweils mit der Umgebung umgingen. „Es ist interessant zu vergleichen“, so Böhm, „wie sich St. Engelbert und St. Gertrud jeweils in das Stadtbild eingliedern. St. Engelbert ist ein frei stehender Solitär, St. Gertrud hingegen ordnet sich bis in die Körnigkeit der Bauteile in die Straßenflucht der Nachbargebäude ein. Gleichzeitig modelliert sich das Gebäude mit einer leichten Aufweitung des Straßenraums zu einem Sakralbau.“ Im Inneren lässt sich Böhm von der „besonderen Akustik“ beeindrucken und von der „Mystik des Lichts und der Dunkelheit“. Er komme leider nur selten dazu, die Gebäude der Familie zu besuchen, sagt er. „Der Vater ist bekannt geworden mit dem Wallfahrtsdom in Neviges. Ich finde diesen Raum mindestens ebenbürtig.“
St. Gertrud (Agnesviertel), Krefelder Str. 57
Transparenz und Geborgenheit: Zentralmoschee
An der Venloer Straße erreichen wir Paul Böhms bekanntesten Bau: die Zentralmoschee in Ehrenfeld. In ihr verbinden sich die städtebaulichen Konzepte der beiden Kirchen, so Böhm. „Die Moschee ist ein Solitär und zugleich in die Stadt eingebunden. Sie lädt die Stadt zu sich ein, durch den Platz vor dem Eingang und die geschwungene Freitreppe, die dort hinauf führt.“ Auch die großflächig verglaste Fassade zieht die Öffentlichkeit in den Bau hinein. „Das Gebäude sollte transparent sein, aber auch ein Gefühl von Geborgenheit herstellen. Deswegen sind die Betonschalen zur Mitte hin gekrümmt, die Außenwände wölben sich über den Raum.“
Eines der Türmchen scheint mit dem Fernmeldeturm zu tanzen, das sei aber keine Absicht, so der Architekt. „Auf den Colonius könnte ich verzichten.“ Auch die Gestaltung des Innenraums sieht Böhm mit traurigen Augen an. „Die Reliefstruktur hätte ich mir zarter, wie ein Gewebe gewünscht. Und die Farbe des Teppichs ist schade, das bedaure ich am stärksten.“ Die Moschee leuchtet hellblau im Licht des Bodenbelags und wirkt dadurch ein wenig wie ein Hallenbad. Passend dazu laufen Kinder umher, Männer ruhen sich aus. „Moscheen sind viel belebter als Kirchen, das finde ich ganz schön“, so Böhm. „Wenn die Sonne wandert, ergeben sich wechselnde Raumeindrücke, eine andere Stimmung. Man mag sich hier aufhalten, es liegt eine angenehme Ruhe im Gebäude.“
Zentralmoschee (Ehrenfeld), Venloer Str. 160
Bauen als Skulptur: Christi Auferstehung
Als Nächstes steigen wir in Lindenthal ab, an Gottfried Böhms Kirche Christi Auferstehung. „Eine wunderschöne Arbeit“, findet der Sohn, „noch skulpturaler als St. Gertrud. Mein Vater hat hier viel Backstein verarbeitet, der Betonfelsen in der Mitte wächst aus dem Backstein heraus und staffelt sich in die Höhe bis in den Turm hinein. Mein Vater wollte ursprünglich Bildhauer werden, das sieht man vielen seiner Gebäude an.“ Gottfried Böhms künstlerische Ader zeigt sich auch in den von ihm selbst gestalteten Kirchenfenster. „Das ist eine raffinierte Technik. Was golden glänzt, sind Nägel, die mit Acryl vergossen wurden.“
Heute staunt man über die Modernität, die sich die katholische Kirche damals in ihrer äußeren Gestalt gegeben hat. Zwar lassen sich die Böhm’schen Betonfelsen aus den Glaubensburgen der romanischen Zeit ableiten, aber so avantgardistisch wie in dieser Architektur war die Kirche zu keiner Zeit. „In den Nachkriegsjahren vollzog die katholische Kirche einen Wandel, der ihr nicht gutgetan hat“, so Böhm. „Danach sind die Kirchen zu Allerweltsräumen mutiert, die man leicht mit Sparkassen oder Turnhallen verwechseln kann.“ Die Seelenlosigkeit dieser Räume habe sicherlich zur anhaltenden Kirchenflucht beigetragen. „Es gibt ein Bedürfnis nach solchen sakralen, meditativen Räumen.“
Christi Auferstehung (Lindenthal), Brucknerstraße
Meditativer Profanbau: Seminargebäude der Universität
Ein meditativer Profanbau ist Paul Böhm Seminargebäude für die Kölner Universität. „Die einzelnen Seminarräume sind Häuser im Haus, das von Gassen durchzogen ist“, so Böhm. In den einzelnen „Häusern“ dominieren warme Töne, die Innenwände und das Mobiliar besteht aus Lärchenholz. „Ich wollte zeigen, dass Bildung zu erfahren, etwas Kostbares ist.“ Das ist Böhm gelungen, weshalb die scheußlichen, von der Universitätsleitung aufgestellten Mülleimer gleich noch etwas billiger wirken.
Dank des Konstruktionskonzepts war die Bauzeit mit einem Jahr rekordverdächtig kurz. „Wir haben die einzelnen Räume innen gedämmt, die konstruktive Hülle konnten wir daher schnell herstellen.“ In den eher funktional gehaltenen Treppenhäusern gibt es sehr schöne eingelassene Handläufe. Da hält es Paul Böhm mit der Familientradition: „Wenn ich mich nicht um solche Details kümmere, macht es keiner.“
Seminargebäude (Universität/Lindenthal), Universitätsstraße 37