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Abschluss des Felix-FestivalsSind 16 Geigen einfach zu viele?

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Generalmusikdirektor Francois-Xavier Roth bei einer Probe mit dem Gürzenich Orchester.

Köln – Das französisch ausgerichtete Programm des „Originalklang“-Festivals FEL!X wurde dieses Jahr von François-Xavier Roth mitausgewählt und durch zwei Konzerte des von ihm gegründeten und geleiteten Orchesters Les Siècle maßgeblich mitgestaltet. Von Jean-Philippe Rameau über Hector Berlioz führte das erste Konzert bis ins frühe 20. Jahrhundert zu Maurice Ravel. Im Abschlusskonzert schlossen dann alle drei Ballettmusiken von Igor Strawinsky an.

Streicher wackeln bei Rameau, Orchester überzeugt mit Berlioz und Ravel

Bei Rameaus Suite aus der Oper „Daphnis et Églé“ von 1753 zeigten die durchweg als Oberstimme führenden Violinen noch Unstimmigkeiten in Intonation und Phrasierung. Viele Details der filigranen Melodien blieben vage. Vielleicht waren sechszehn Geigen einfach zu viele? Berliozʼ „Cléopâtre“ von 1829 entfacht gleich zu Beginn einen äußeren Klangsturm des Meeres und einen inneren der Leidenschaften. Sopranistin Véronique Gens gestaltete die Titelpartie der von Cäsar und Antonius verlassenen ägyptischen Pharaonin stimm- und ausdrucksstark mit abrupt wechselnden Affekten von Zorn, Trauer, Stolz und trotzigem Selbstmord durch die an die Brust gelegte Giftschlange.

Ravels Ballettmusik „Daphnis et Chloé“ von 1912 schwillt anfangs vom fast unhörbaren Paukenwirbel zum Orchestertutti samt Chor an. Dann folgt ein einziger Klangrausch, auch dank der hinter dem Publikum im Saal tönenden Vokalisen der Chöre Kartäuserkantorei und Bach-Verein Köln. Gut zehn Jahre nach Siegmund Freuds „Traumdeutung“ hat Ravel hier alles erotische Begehren zu einer Musik sublimiert, die nicht mehr bloß Ausdruck von Sehnsucht ist, sondern vorgibt, die Erfüllung selbst zu sein. Ein Ungenügen bleibt indes bei der rein konzertanten Aufführung, weil dem „Originalklang“ kein Ballett entspricht, das man bei zu vielen flächig-gedehnten Passagen vermisst.

Roth ignoriert Suiten und spielt Strawinsky in voller Länge

Das gilt auch für die ersten beiden Ballettmusiken, die Strawinksy 1910 im Auftrag von Sergei Djagilew für die Ballets Russes schrieb und wenig später eigens für den Konzertsaal zu kompakteren Suiten verdichtete. Roth setzte jedoch die deutlich längeren Ballettmusiken aufs Programm. Dabei wäre es gerade bei einem „Originalklang“-Festivals die historisch korrekte Aufführungspraxis gewesen, in der Philharmonie die Konzertsuiten zu spielen.

Allen Klangreizen zum Trotz leidet ohne Tanz vor allem „Der Feuervogel“ unter langatmigen Wiederholungen und Sequenzierungen. „Petrushka“ fasziniert dagegen weitgehend unvermindert durch die Spannung von volkstümlichem Jahrmarktstreiben, einfachen Melodien sowie klanglicher Schärfe und rhythmischer Varianz.

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Großartig gespielt entfaltete schließlich „Le sacre du printemps“ mit allem Stampfen, Zucken, Wirbeln und Fauchen selbst gut hundert Jahre nach der Uraufführung 1913 noch immer die Kraft einer Naturgewalt. Das im damaligen Paris typische Instrumentarium von Les Siècle klingt vor allem in den Bläsern aufregend anders. Die enger mensurierten Fagotte schnarren mehr und die Blechbläser tendieren leichter zu metallischer Schärfe, bei gleichzeitig erhöhtem Risiko zu Giksern und Intonationsschwankungen. Doch die Patzer störten nicht den ebenso kraftvoll strahlenden wie dynamisch und vielfarbig differenzierten Gesamtklang. Eine tolle, zurecht bejubelte Aufführung. Und ein orgiastischer Abschluss des teils schwach, teils gut besuchten Festivals.