Köln – Den Raum mit der längsten Nachhallzeit in Köln betritt man nicht etwa durch das Portal des gotischen Doms. Man erreicht ihn durch eine nur gebückt zu durchquerende schmale Luke im Hohlkörper der Deutzer Brücke. Die Betonkonstruktion gliedert sich durch die beiden Flusspfeiler in tunnelartige Segmente von zweimal rund 120 und im Mittelstück 180 Metern Länge.
Seit 1995 findet hier jährlich im Sommer die „Brückenmusik“ statt, eine der ältesten Reihen in Deutschland für Klanginstallationen. Der im letzten Jahr verstorbene Gründer Peter Behrendsen beschrieb diesen außergewöhnlichen Ort gerne als „weltlichen Sakralraum“ mit einer kathedralenartig halligen Akustik, der sich kaum jemand zu entziehen vermag.
Als Ain Bailey diesen Tunnel über dem Rhein zum ersten Mal betrat, war auch sie fasziniert, denn der Hohlkörper ist alles andere als still. Vielmehr wirkt er wie ein riesiger Verstärker des über Fahrbahnen und Schienen rollenden Auto- und Bahnverkehrs. Der Resonanzkörper wird dadurch permanent in körperlich fühlbare Vibrationen und hörbare Schwingungen versetzt.
Lautsprechertürme im Mittelstück der Deutzer Brücke
Die englische Komponistin und bildende Künstlerin machte zunächst Aufnahmen dieser Klänge, um sie für ihre Raumklang-Installation „Trioesque“ dann so weit zu transformieren, dass man sie kaum mehr ihrem Ursprung zuordnen kann. Im langen Mittelstück der Brücke platzierte sie im Abstand von rund 50 Metern drei große Lautsprechertürme. Dieses Trio gibt dann die zwanzigminütige dreikanalige Komposition wieder.
Anfangs hört man auf der Stelle kreisende Klaviertöne wie von einer soften Jazz-Improvisation. Dann kommen elektronische Sounds dazu, die schließlich den gesamten Raum mit Schall fluten. Das in Gruppen von maximal 15 Personen durch die Brücke geführte Publikum wandert durch hochenergetisches Sirren und Schwirren wie durch eine Klangmassagedusche.
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Dabei verliert man hörend jede Orientierung für die Größe und Beschaffenheit des Raums, weil man den Eindruck hat, die Klänge entstünden direkt vor den eigenen Ohren statt entfernt aus den Lautsprechern. Präzisere Ortung erlaubt dann wieder hohes metallisches Klirren. Klanglich, räumlich und visuell besteht „Trioesque“ aus Transformationen von Nähe und Ferne, Hell und Dunkel, hüben und drüben, konkreten, instrumentalen und elektronischen Klängen.
Wie die langsam ein-, aus- und überblenden Klänge schwillt auch das dumpfe Grollen vorüberfahrender Straßenbahnen langsam an, donnert dann als heftiges Gewitter über einen hinweg, um sich in der entgegengesetzten Richtung wieder zu verlieren. Dass Ain Bailey diesen sonst unzugänglichen Unort primär als Hörort versteht, unterstreicht sie mit sparsam verwendetem Licht. Nur wenige LED-Scheinwerfer werfen kühle Lichtkegel auf die Betonverschalung.
An den engen Durchgängen zwischen den Brückensegmenten entstehen dabei spannungsvolle Momente des Übergangs von einem helleren Bereich in die Finsternis und umgekehrt aus der Dunkelheit ins Licht. Das weckt unweigerlich Assoziationen zu Bildern des Übergangs: von Leben und Tod, Licht am Ende des Tunnels, Strom des Lebens, Transit, Übergang, jenseitiges Ufer.
Brückenmusik 27, bis 28. August, Eingang Deutzer Brücke linksrheinisch Markmannsgasse, Eintritt 5 / 3 EUR (ermäßigt). Täglich Führungen zur vollen Stunde von 16 bis 20 Uhr. Anmeldung empfohlen unter www.brueckenmusik.de