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Prozessionen für den SonnenkönigDas Kölner Felix-Festival in der Philharmonie

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Daucé spielt zur Eröffnung des Felix-Festivals in der Philharmonie in Köln. 

Köln – Das seit 2019 die jeweils erste Woche der neuen Spielzeit der Kölner Philharmonie füllende Festival „Felix“ spezialisiert sich im Untertitel auf „Originalklang“. Während man in Bezug auf Musikaufnahmen ziemlich klar von technisch beliebig reproduzierbaren „Kopien“ sprechen kann, fragt sich dagegen, was und wo der „Originalklang“ einer Musik sein soll? Ist nicht alle live aufgeführte Musik hier und jetzt einmalig, also immer original? Gemeint ist jedoch das durch historisch sich informierende Aufführungspraxis rekonstruierte Klangbild alter Musik.

Man spielt dann mit leichten Barockbögen auf Darmsaiten und Nachbauten aus dem Orchester längst ausgemusterter Instrumente wie Theorbe, Viola, Zink oder Serpent. In dieser Weise arbeitet auch das seit 2008 aus 50 Sängerinnen und Instrumentalisten bestehende Ensemble Correspondences unter Leitung von Sébastien Daucé.

Daucé dirigiert die Krönung Ludwigs XIV. in der Kölner Philharmonie

Die auf französische Musik des 17. Jahrhunderts spezialisierte Formation eröffnete das diesmal von François-Xavier Roth zusammengestellte Festivalprogramm mit „Le sacre royal de Louis XIV“. Ensemblegründer Daucé forschte dafür nach dem musikalischen Programm, das 1654 in der Kathedrale von Reims zur Krönung Louis XIV. von Frankreich erklungen haben könnte. Doch spätestens da beginnen die Konjunktive und Spekulationen, denn wie das Programmheft ehrlich zugesteht: „Wie genau der (zur Krönung passende Soundtrack) geklungen hat, wissen wir nicht.“

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Der OpernKinderchor der CHORAKADEMIE am Konzerthaus Dortmund sang im Rahmen der Veranstaltung.

35 Einzelstücke französischer und italienischer Komponisten der Zeit wurden durch Ansagen von Stationen der Krönungsfeierlichkeit in acht Kapitel gegliedert: Ankunft des Königs, Prozession für die Königen Mutter, Eintritt des Königs, Hereintragen einer heiligen Ampulle, Überreichen von Krone und Zepter, Freilassen von Tauben, Krönungsmesse, feierlicher Auszug.

Während der zweistündigen Zeremonie marschierten das Ensemble aus Lyon sowie der Mädchenchor der Chorakademie Dortmund immer wieder in anderen Prozessionen durch den Saal über Bühne und Ränge. Die mit vielen „Amen“ salbungsvoll geladene Prozedur geriet dadurch leicht zum pseudosakralen Mummenschanz.

Zweifel Konzept des Originalklang-Konzerts

Zweifel am „Originalklang“-Konzept nährte auch das leichte Vibrato beim Vortrag gregorianischer Psalmodien, deren Unisono eben nicht göttlich rein und einzig wirkte, sondern expressiv vermenschlicht und aufgeraut. Dass der Trommler seine Noten vom Tablet-Computer spielte, bot nur ein sichtbares Indiz dafür, dass es letztlich unmöglich bleibt, Musik der Vergangenheit in der Gegenwart „original“ wie damals aufführen und erleben zu wollen.

Die Philharmonie bot weder architektonisch und akustisch noch sozial und spirituell einen angemessenen Rahmen für die einstigen Krönungsmusiken. Das Pendant zur gotischen Kathedrale in Reims wäre in Köln der Dom gewesen. Doch wer wollte an diesem Ort heute noch einem absolutistischen Despoten die höheren Weihen verleihen? Unter Ausblendung politischer Bedenken gegen die feudalistische Macht des „Sonnenkönigs“ konnte das Publikum viele unbekannte Komponisten und Werke erleben sowie schöne Solo-, Ensemble- und Chorleistungen, effektvolle Antiphonen und Echos zwischen im Raum verteilten Stimmen.

Folgetag des Felix-Festivals mit Musik von Giacomo Rossini

Der zweite Abend am 17.08. bot eine willkommene Erweiterung des Repertoires und ein bekanntes Werk in selten zu hörender Bearbeitung. Alexander Melnikov begann das zweite Konzert des „Originalklang“-Festivals FEL!X der Kölner Philharmonie mit ausgewählten Nummern aus den „Péchés de vieillesse“ (Sünden des Alters) von Giacomo Rossini. Der weltbekannte Opernkomponist schrieb diese Klavierstücke während der vierzig Jahre vor seinem Tod 1868, nachdem er mit gerade einmal 38 Jahren seine Karriere offiziell beendet hatte, um sich fortan dem Kochen und Spazierengehen zu widmen.

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Das von Daucé gegründete Ensemble Correspondances bei der Eröffnung.

Doch der Meister des italienischen Belcanto konnte das Komponieren nicht gänzlich lassen. Wie nebenbei schrieb er über tausend Seiten Klaviermusik, von denen er zu Lebzeiten nur eine kleine Sammlung von 56 „halbkomischen Klavierstücken“ veröffentlichte. Die Miniaturen leben von ironischer Leichtigkeit, launiger Spielfreude und scherzhaft übersteigerter Virtuosität.

Pianist Alexander Melnikov glänzt auch auf historischem Flügel

Eine parodistische Stilkopie von Jacques Offenbach setzt immer wieder mit Steigerungswellen ein, wie sie freilich auch Rossini selbst komponierte. Dann klingt es nach Chopin, mit sehnsuchtsvoll schwebenden Melodien über sanft wogenden Akkorden samt perlenden Einsprengseln. Häufig überraschen Trugschlüsse, ungewöhnliche Modulationen, plötzliche Rückungen und eigenwillige Schlussbildungen. Bewusst geweckte Erwartungen werden durchkreuzt.

Durch feine Anschlagsdifferenzierung entlockte Melnikov dem historischen Blüthner-Flügel vom Ende der 1850er Jahre einen großen Reichtum an Farben. Als skurrile Paradenummer bot der russische Pianist „Un petit train de plaisir“. Mit kurzen Zwischentiteln zu den Stationen dieses „Vergnügungszugs“ provoziert Rossini einen ständigen Abgleich von Text und Musik.

Zur Veranstaltung

FEL!X Original. Klang. Köln

Noch bis Sonntag, 21. August.

Neben lautmalerischen Entsprechungen kommt es jedoch vor allem zu satirischen Kollisionen: Stationsglocke, Einsteigen, Abfahrt, Satanspfeife, Bremsmelodie, schreckliche Entgleisung, Verletzte, erster Toter ins Paradies, zweiter in die Hölle. Das Finale bildet dann „Der stechende Schmerz der Erben“ mit einem besonders schwungvollen Walzer.

Mit nur zwei Händen eine fantastische Sinfonie spielen

Den kleinen Formen des ersten Konzertteils folgte im zweiten die symphonische Großform, wenngleich in Kleinstbesetzung: Hector Berliozʼ „Symphonie fantastique“ in der Transkription für Klavier des jungen Franz Liszt von 1834, vier Jahre nach der spektakulären Uraufführung des epochalen Werks. Die motivischen Varianten des Hauptthemas, der „idée fixe“, treten bei dieser reduzierten Fassung in der Einleitung viel deutlicher heraus, bevor sich die musikalische Inkarnation der ersehnten Geliebten dann umso manischer in alle fünf Sätze der Programmsinfonie drängt.

Zu Berliozʼ Vorstellung, der Finalsatz sei der fiebrige Opium-Rausch eines unglücklich verliebten Künstlers, passt das furiose Wüten des einsamen Virtuosen am Klavier im Grunde besser als das große Tutti. Der Solist wird immer wieder an die Grenze des mit zwei Händen Spielbaren getrieben.

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Doch wo Liszts Transkription nur monochrome Tremoli und Akkordbrechungen hören lässt, vermisst man den vielfarbigen Originalklang der „Fantastischen Symphonie“. Schließlich wäre für Liszt und Rossini statt des Blüthners auch ein Instrument aus der Pariser Pianomanufaktur Érard „originaler“ gewesen. Aber geschenkt: Stehender Beifall für Melnikov.