AboAbonnieren

Kölner PhilharmonieAlle Phasen der Romantik an einem Abend

Lesezeit 2 Minuten
Violinistin Veronika Eberle hält ihre Geige eng an ihrem Körper und stützt sich mit ihrem Kinn auf sie.

Eine gegenseitige Liebe: Veronika Eberle und ihre Geige

Der kolumbianische Dirigent Andrés Orozco-Estrada und die Soloviolinistin Veronika Eberle sorgten am 27.11. für romantische Töne in der Kölner Philharmonie.

Klar, so ein harter und unvermittelter Schlag des vollen Orchesters in eine romantische Traumsphäre hinein kann den einen oder anderen Konzertbesucher schon mal aus dem verdienten Morgennickerchen aufschrecken. Andrés Orozco-Estrada wollte sich wohl vergewissern, ob dieser Effekt aktuell erzielt wurde – anders war seine kurz-forschende Drehbewegung vom Pult aus hin zum Publikum nicht zu verstehen.

Orozco-Estrada führt die verschiedenen Phasen der Romantik in Köln auf

Fraglich allerdings, ob die Weckinitiative nötig war. Denn auch die romantische Traumklangwelt mit Hornruf und Flötenkaskaden, die am Beginn von Webers „Oberon“-Ouvertüre ersteht, kann so prickelnd und spannend inszeniert werden, dass an einen Morgenschlaf nicht zu denken ist. Genau dies war hier, im jüngsten Abo-Konzert des Gürzenich-Orchesters, in hohem Maße der Fall.

Überhaupt führte Orozco-Estrada, der mal kurzzeitig als Nachfolger von Markus Stenz beim Gürzenich-Orchester im Gespräch war, eindrucksvoll vor, dass man die frühe, die mittlere (Max Bruchs unsterbliches g-Moll-Violinkonzert) und die späte Romantik (Richard Strauss mit „Don Juan“ und „Rosenkavalier“-Suite) so servieren kann, dass es an allen Ecken und Enden brennt und lodert, dabei die Konturen scharf bleiben und sich nirgendwo mystischer Nebel verbreitet.

Violinistin Veronika Eberle zeigt sich als kongeniale Partnerin des Dirigenten

Sicher liebt der kolumbianische Dirigent die drastisch-sinnlichen Effekte – manchmal vielleicht zu sehr, die Fastnachtsszene im „Don Juan“ erinnerte schon stark an eine lateinamerikanische Fiesta. Und wenn es opulent werden soll, lässt er sich nicht lange bitten. Wie auch immer: Die Kunst, eine Phrase bis zum Reißpunkt zu spannen, beherrscht er meisterhaft. Auf langsamen Strecken wiederum nimmt er den Druck so heraus, dass die instrumentale Lyrik unbehelligt aufblühen kann. Bei all dem folgte ihm das Orchester nicht nur mit blank geputztem Grundklang, sondern auch mit sichtbarer Spielfreude.

Veronika Eberle war ihm im Bruch-Konzert eine in jeder Hinsicht kongeniale Partnerin. Gleich der mit sattem Leuchten aufsteigende Dreiklang zu Beginn zeigte die Interpretationslinie an: Die Münchnerin verfügt bei fabelhafter Grifftechnik über ein überaus flüssiges und substanzreiches Passagenspiel, aber wirklich berückend sind ihr dichtes Legato, die auf ihrer Stradivari angemischten dunklen Farben, die gestenreiche Beredsamkeit ihres Spiels. Dem starken Zuhörerbeifall ließ sie dann noch einen Auszug aus Prokofjews Violinsonate solo folgen.