Der polnische Pianist Piotr Anderszewski trat am Donnerstagabend in der Kölner Philharmonie auf. Auf dem Programm standen Bach und die osteuropäischen Komponisten Karol Szymanowski und Béla Bartók.
Kölner PhilharmonieDie Freude am Kühnen und Unerhörten
Ein wenig stört es schon die Optik, wenn vor dem edlen schwarzpolierten Konzertflügel keine ebenbürtige Klavierbank steht, sondern ein rot gepolsterter Metallstuhl mit Rückenlehne. Aber Piotr Anderszewski wird schon gewusst haben, warum er diese wenig repräsentative Sitzgelegenheit wählte - es war ja auch keineswegs das erste Mal.
Ein entspanntes, bequem zurückgelehntes Klavierspiel wäre nun allerdings das Letzte, das man dem Polen vorwerfen könnte. Dass seine lebendig erzählende, klanglich reich schattierte Kunst ganz aus der Ruhe schöpft, ist indes unverkennbar: Anderszewski meidet die körperliche Verausgabung, er wirkt stets beherrscht, fast ein wenig unterkühlt; stattdessen spürt man die hohe geistige Spannkraft, aus der er seine Gestaltungsideen bezieht.
Pianist Piotr Anderszewski spielt in der Kölner Philharmonie
Für Johann Sebastian Bachs Partiten könnte es wohl kaum eine angemessenere Attitüde geben. Zwei davon, die herbe, strenge in e-Moll und die lichte, anmutige in B-Dur, bildeten den Rahmen seines Kölner Klavierabends. In beiden Stücken zeigte Anderszewski wenig Scheu, die feingliedrigen Tanzsätze mit großem, markantem Ton zu zeichnen und in einen weiten, reich pedalisierten Klangraum zu stellen - so auch im zugegebenen f-Moll-Präludium aus dem zweiten Band des Wohltemperierten Klaviers.
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Manche Sätze wirkten geradezu orchestral; in der Allemande der e-Moll-Partita etwa meinte man verspielte Holzbläserfiguren über getupften Pizzicato-Bässen zu hören. Besonders eindrucksvoll gelangen dem Pianisten die beiden Sarabanden: intensiv und beredt die eine (e-Moll), schwebend und durchlässig die andere (B-Dur). Insgesamt wirkte die Darstellung der e-Moll-Partita schlüssiger, konzentrierter; im B-Dur-Werk irritierte zuweilen eine gewisse Schwergängigkeit, dazu landeten etliche Sprünge der finalen Gigue im Abseits.
Neben Bach stehen auch Szymanowski und Bartok auf dem Programm
Auch die Binnenwerke des Programms waren unverkennbar tanzinspiriert - allerdings nicht aristokratisch verfeinert wie bei Bach, sondern plebejisch und rustikal. Das galt für eine Auswahl der Mazurkas op. 50 von Karol Szymanowski ebenso wie für die 14 Bagatellen op. 6 von Béla Bartók.
Anderszewski liebt es bekanntlich, Bach mit den Osteuropäern zu kombinieren, was hier auch in hohem Maße sinnstiftend war: Man nahm in diesem Umfeld bei beiden Komponisten das Folkloristische weniger als Selbstzweck wahr denn als Anstoß, neue Regionen in Harmonik und Textur zu erkunden. Anderszewski spielte diese Freude am Kühnen und Unerhörten deutlich heraus - mit bohrenden Ostinati, zudringlichen Dissonanzen und dem besonderen Lustschmerz bitonaler Wendungen.