Der russisch-amerikanische Pianist Kirill Gerstein bewältigt Ravels jazzige Klavierkonzerte in der Kölner Philharmonie mit Gelassenheit.
Kölner PhilharmonieWie Pianist Kirill Gerstein dem Orchester fast davonfliegt

Der russisch-amerikanische Pianist Kirill Gerstein
Copyright: Marco Borggreve
Maurice Ravels Affinität zum Jazz hat sich seinen beiden Klavierkonzerten auf sehr unterschiedliche Weise eingeschrieben. Quirlige Urbanität und die Melancholie des Chansons prägen das G-Dur-Konzert, das dem Solisten einen ebenso geschmeidigen wie effektvollen Klavierpart bietet.
Ganz anders das D-Dur-Konzert für die linke Hand, geschrieben im Auftrag des österreichischen Pianisten Paul Wittgenstein, der im Ersten Weltkrieg seinen rechten Arm verloren hatte. Hier scheinen die dunklen Bluesfarben und schmerzhaften Verhärtungen der Musik unmittelbar auf den Entstehungszusammenhang zu verweisen.
Diese Polarität von Krieg und Frieden wird natürlich besonders deutlich, wenn beide Stücke unmittelbar nacheinander erklingen, wie im jüngsten Abokonzert des WDR Sinfonieorchesters. Der russisch-amerikanische Pianist Kirill Gerstein erledigte diese Herkulesaufgabe mit bemerkenswerter Gelassenheit und großer Ökonomie im Krafteinsatz. Der mittlerweile in Berlin lebende und lehrende Musiker ist selbst ein Grenzgänger zwischen Klassik und Jazz; sein Spiel lebt ganz aus dem rhythmischen Impuls und der klaren Aufgabenverteilung zwischen strukturierender linker und frei formulierender rechter Hand – zumindest da, wo beide beteiligt sind.
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Ravel nur mit der linken Hand gespielt
In den Rahmensätzen des G-Dur-Konzerts brachte er vital vorantreibende Non-legato-Salven auf die Piste, denen das Orchester unter Leitung des lettischen Dirigenten Andris Poga zeitweise kaum zu folgen vermochte; weniger überzeugend war die scheue Walzer-Poesie des langsamen Mittelsatzes eingefangen. Im D-Dur-Konzert hatte Gerstein einen nicht ganz fleckenlosen Start; im weiteren Verlauf beeindruckte vor allem seine Fähigkeit, alleine mit den fünf Fingern der linken Hand einen weiten Funktionsraum aufzuziehen, in dem sich Melodie, Begleitfiguren und Basslinie plastisch voneinander absetzten.
Eine etwas gewagte Programm-Dramaturgie ließ diesem umfangreichen Konzert-Tandem noch Peter Tschaikowskys „Manfred-Sinfonie“ folgen, die nicht ganz zu Unrecht im Ruf teigiger Breite und gesprächiger Umständlichkeit steht. Es gab hier große Momente eines entgrenzten, pathetisch gesteigerten Tschaikowsky-Tons, für den das WDR Sinfonieorchester stets die nötigen Klangreserven bereithielt. Der Maestro hatte das Stück fraglos souverän im Griff, forderte ihm aber zu wenig Pointierung und erzählerische Flexibilität ab, um es über eine knappe Stunde hinweg unter Spannung zu halten.