Die künstlerische Leiterin des Theaters „Studio Trafique“ spricht über ihre Kölner Kulturfavoriten in unserer Serie „Mein Kulturmonat“.
Anna Marienfeld„Bauverzögerungen bei Oper und Schauspiel Köln sind nur die Spitze des Eisbergs“
Das Café Potpourri im Altenberger Hof ist wie ein kleiner Ferienort, aber das gilt für Nippes generell. Nippes und das Belgische Viertel sind zwei Viertel, die ich sehr liebe. Ich mag es ohnehin am allermeisten, in Cafés zu sitzen, an meinem Laptop zu arbeiten und mir zwischendurch die Menschen anzugucken.
Das ist ja fast schon ein Klischee, aber die Kölner Herzlichkeit muss ich tatsächlich bestätigen. Ich schätze auch die etwas ruppigere Art und den Humor des Ruhrgebietes, meines Heimatortes. Aber die Herzlichkeit, die Nahbarkeit, das ganz schnell ins Gespräch kommen, der unkomplizierte Umgang miteinander, das finde ich schon wirklich sehr besonders an Köln.
Kultur: Kölner sind schnell bereit, neue Angebote anzunehmen
Das überträgt sich auch auf die Kultur. Die Begeisterungsfähigkeit des Kölner Publikums ist wirklich besonders – auch im Vergleich zu anderen Städten. Seit der Eröffnung unseres Theaters, dem Studio Trafique, haben wir hier in Windeseile ein unheimlich treues, offenes, herzliches Stammpublikum aufgebaut. Die Leute waren neugierig darauf, was in diesem ehemaligen Schützenheim passiert, das wir da bevölkert und neu belebt haben. Die Kölner sind schnell bereit, neue Kulturangebote anzunehmen.
Der Riesen-Vorteil im Vergleich zu anderen Orten ist in Köln, dass wir eine unheimlich vielfältige Kulturszene haben. Das finde ich wirklich beeindruckend. Für mich als Theatermacherin ist es natürlich vor allem die Kölner Tanz- und Theaterszene, die mich besonders beeindruckt hat, als ich hergekommen bin. Wir haben unheimlich viele tolle freie Kulturakteurinnen und -akteure aus allen Sparten. Da ist für jeden was dabei.
Auch das Durchhaltevermögen finde ich in Köln ganz besonders. Ob Kulturschaffende, die seit ganz vielen Jahren dabei sind, oder junge Leute, die neu anfangen: Überall ist eine große Begeisterung für die Sache spürbar.
Kölns schlechter Ruf in der Kulturszene
Dass das Angebot in Köln so bunt und vielfältig ist, sieht man auch daran, dass es zum Beispiel zwei Anbieter von Kulturabos unter anderem für die Freien Darstellenden Künste gibt: das KölnerKulturAbo und die Theatergemeinde. Einen tollen Einblick in die Darstellenden Künste bietet auch die Kölner Theaternacht, die vom Verein für Darstellende Künste veranstaltet wird, in der man quasi angeleitetes Theater-Hopping betreiben und viele verschiedene freie Bühnen kennenlernen kann.
Ich glaube, der einzige schlechte Ruf, den die Kölner Kulturszene von außen hat, ist, dass die Prozesse sehr langsam verlaufen. Wir brauchen dringend vereinfachte Verfahren, um auch kurzfristig Kulturorte entstehen zu lassen. Ich würde mir wünschen, dass der Weg von der Idee zur Umsetzung kürzer wird. Denn es gibt unheimlich viele Kulturschaffende, die wollen, die hochprofessionell sind, die wahnsinnig gute Kunst machen - aber nicht können, weil sie durch Raummangel verhindert werden.
Der eklatante Raummangel in Köln ist für mich ganz klar das größte Manko in der Kölner Kulturlandschaft. Die ewige Bauverzögerung der Oper und des Schauspiels ist nur die Spitze des Eisbergs, die natürlich sehr deutlich aus dem Wasser ragt. Darunter gibt es auch in den Freien Darstellenden Künsten ein riesiges Defizit für Orte der Kultur, die wir dringend brauchen. Da geht wahnsinnig viel ungenutztes Potenzial verloren.
In der Einführung des Kulturraummanagements im Kulturamt liegt für mich die Hoffnung, dass an der richtigen Stelle in der Stadt diese Probleme erkannt und angegangen werden.
Gelebter demokratischer Austausch nach dem Theaterstück
Es wird natürlich trotzdem produziert, aber die Produktionen können zum Teil nicht abgespielt werden. Also finden zum Beispiel vielleicht vier oder acht Vorstellungen von einer tollen Theaterproduktion statt, die auch immer noch Zuschauer generieren könnte. Aber es gibt nicht genug Platz, um die Produktion im Repertoire zu halten. Das ist aus Nachhaltigkeitsaspekten ziemlich mangelhaft.
Ich merke im Theater jedes Wochenende aufs Neue, dass wir diese Kulturveranstaltungen als Orte der Begegnung unbedingt brauchen. Gemeinsame kulturelle Erlebnisse stärken den Zusammenhalt, schaffen Identifikationen, geben Inspirationen. Wenn die Menschen begeistert aus einer Vorstellung kommen und die Gespräche über Themen unserer Stücke, die ja durchaus politisch sind, weiterführen, dann ist das gelebter demokratischer Austausch.
Drei Tipps für den April von Anna Marienfeld
Die Akademie der Künste der Welt lädt erneut zur spannenden Reihe „Learning to Listen“ ein. Im Kompakt Record Store stellen Kulturschaffende für das Publikum eine Session für die Ohren zusammen. Songs, Instrumentals, Podcasts, Radio-Broadcasts und vieles mehr werden genutzt, um internalisierte Klänge und Lieder zu hinterfragen. Am Donnerstag, dem 25. April am 19.30 Uhr gestaltet das Regisseurinnen-Duo Miriam Gossing und Lina Sieckmann den Abend. Weitere Infos zum kostenlosen Event gibt es auf adjdw.org.
Neben den vielen tollen Bands und Einzelkünstlern bietet das c/o pop Festival ein „Experience-Programm“ zum Mitmachen an. Im kostenlosen Rahmenprogramm am Festival-Wochenende (28. und 29. April) werden zum Beispiel Workshops wie „How to Ramadan“, vegane Kochkurse und diverse Drag-Performances angeboten. Einlasstickets werden nicht benötigt, aber es gilt das Prinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Mehr Infos gibt es unter c-o-pop.de.
Für alle, die es verpasst haben: Das Kölnische Stadtmuseum hat seit Ende März einen neuen Standort mitten in der Stadt eröffnet, in der Minoritenstraße 13 (dienstags bis sonntags geöffnet). Ich finde das Konzept sehr spannend und modern. Die Kulturschaffenden setzen viel auf Partizipation, niedrigschwellige Zugänge, die Einbindung digitaler Vermittlungsstrategien und auf Exponate zum Anfassen. Besonders gut gefallen mir vor allem die verschiedenen Angebote zur Barrierefreiheit, denn das denken wir Kulturschaffende zwar zunehmend mehr, aber immer noch nicht genug von Anfang an mit.
Zur Person
Anna Marienfeld ist künstlerische Leiterin des Theaters Studio Trafique. Die gebürtige Dortmunderin studierte Literatur- und Kulturwissenschaften, Schauspiel und Soziologie in Dortmund, Hamburg und Istanbul. Seit 2014 arbeitet die 36-Jährige spartenübergreifend als freie Künstlerin an Stadttheatern und in der Freien Theaterszene in Bielefeld, Dortmund und Köln. 2012 gründete sie gemeinsam mit Björn Gabriel das Theaterkollektiv Studio Trafique, das seit März 2022 einen festen Sitz in Nippes hat.
Das Gespräch führte Manuel Liu.