Mit seinem Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld gibt der TV-Satiriker ein Heimspiel in der Kölner Arena. Unsere Kritik.
Lanxess-ArenaJan Böhmermann bittet Giovanni Zarrella auf die Bühne – und eine Kölner Rock-Ikone
‚„Na, Bock auf die Gegenwart zu tanzen?“, fragt Jan Böhmermann, als er in silbern changierender Joppe auf die Showtreppe schlendert. Die Reaktion in der Lanxess-Arena fällt verhalten aus. „Ich auch nicht“, pflichtet der „ZDF Magazin Royale“-Moderator und Gelegenheitssänger bei.
Dann wechselt er in die Kopfstimme und das 17-Mensch-starke Rundfunk-Tanzorchester stimmt einen zickigen 80er-Jahre-Funk an: „Faschismus is back“ heißt das Stück, das auch als Motto des Abends herhalten könnte. Es enthält einige von Böhmis besten Zweizeilern: „Wie konnte denn das passier’n/Wir war’n doch demonstrier’n.“
„Faschismus is back“ warnt Böhmermann im Funk-Sound
Die Arena ist bis zum ersten Oberrang gefüllt, das Publikum gibt ein erstaunlich homogenes Bild ab: urbane Millennials und Gen-Xer, das neue oder einfach gerade aktuelle, liberale Bürgertum. Welches sich vor allem in einer Sache von vorangehenden Generationen unterscheidet: Sein Selbstbewusstsein bröckelt, man ist sich gar nicht mehr so sicher, ob man noch die Mehrheitsgesellschaft repräsentiert. „Es gibt keine Gnade ab 50 Prozent“, säuselt Böhmermann im Rollenspiel als Neofaschist. Seit Jahren legt er mit großem Geschick und beflissener Bösartigkeit den Finger in diese Wunde – und kümmert sich zugleich um die Wundversorgung.
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Aufklärung ist der wichtigste Posten im Erste-Hilfe-Kasten: Das zweite Stück des Abends warnt im Gewand eines James-Bond-Titelsongs vor dem rechten Silicon-Valley-Milliardär Peter Thiel, im dritten schlüpft Böhmermann noch einmal in sein Rap-Alter-Ego Polizistensohn, der in Gestalt des prolligen Deutschrappers Bürgerkunde betreibt: „Wenn der Staat nicht läuft, dann müssen wir ihn tragen“, stößt er ins allzu verhallte Mikrofon und das Rundfunk-Tanzorchester stimmt zielgruppenfreundlich den Beginner-Klassiker „Hammerhart“ an.
Er wolle es mit seinen Texten nur in eine Broschüre des Bundesamts für politische Bildung schaffen, scherzt Böhmermann. Aber eigentlich meint er das völlig ernst. Zum Finale bittet er sogar das Grundgesetz – in Gestalt einer Bernd-das-Brot-ähnlichen Ganzkörperfigur – auf die Bühne.
Ein blasser, dünner Junge gibt noch keine Brandmauer ab
Der TV-Profi rechnet mit kurzen Aufmerksamkeitsspannen, setzt auf maximalen Abwechslungsreichtum. Das aus seiner Sendung bekannte Nerd-Gesangsquartett Die Jadebuben glänzt mit einem gedoppelten Musicalduett zwischen einem linken Parka- und einem rechten Bomberjacken-Träger, am Ende fällt sich das Hufeisen-Paar französische küssend in die Arme. Böhmermann selbst lässt sich an die Hallendecke ziehen, stürzt von da oben spektakulär zu Boden. Natürlich war es nur eine Puppe, der wahre Böhmi schwebt mit Engelsflügeln herab: Er habe eine zweite Chance verdient, genau wie „Donald Trump, Friedrich Merz und sogar Luke Mockridge“. Und zwischendrin animiert der extra-tighte Klangkörper unter Leitung von Lorenz Rohde zur großen Sause.
Und dennoch sackt die Stimmung gelegentlich etwas durch. Wenn seine Songs im Fernsehen oder auf YouTube die Mühen der journalistischen Investigativ-Arbeit auf den Punkt bringen, wirken sie sehr viel lustiger. Und wenn er immer wieder betont, dass ein älteres Stück die politische Lage exakt vorausgesagt hat, mag gerade dies der Grund dafür sein, dass es mit der guten Laune hapert. Die Nazis waren auch nur so lange lächerlich, bis sie an die Macht kamen. Und der blasse, dünne Junge, als der sich Böhmermann selbst beschreibt, gibt allein noch keine Brandmauer ab.
Man ist jedenfalls sichtlich erleichtert, als er den ersten Überraschungs-Act ankündigt, seinen ZDF-Kollegen Giovanni Zarrella. Der Schlagershowmaster stimmt zusammen mit Böhmermann Celentanos „Una festa sui prati“ an, das Publikum klatscht dazu – als Hommage an die eigenen Eltern – immer schön auf die Eins. Die Stimmung steigt, auch weil Zarrella die Live-Situation sichtlich souveräner beherrscht als Böhmermann.
Ebenso der zweite Gast des Abends. Weitschweifend erzählt Böhmermann von eher ungewöhnlichen Musikvorlieben seiner 90er-Jahre-Jugend. Er habe Tim Fischer ganz toll gefunden und immer wieder eine Aufnahme des 1. Kölner Schwulenchors gehört, in der dieser Brechts „Kinderhymne“ zur Haydn-Melodie der Nationalhymne singt. Das wäre nach der Wiedervereinigung ein besseres Deutschlandlied gewesen, sinniert Böhmermann, und bittet unvermittelt, aber unter großem Hallo Wolfgang Niedecken auf die Bühne. Der spielt sein eigenes Deutschlandlied: Zögerlich, dann immer lauter, singt die Arena „Verdamp lang her“ mit. Wenn der Faschismus back is, kann man nicht allein kämpfen, dann versöhnt man sich sogar mit den Boomern. So bietet Böhmermanns Bühnenausflug am Ende sogar noch eine Art von Utopie.