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Verhandlung in Köln beginntEx-BSI-Chef Schönbohm klagt auf Schadenersatz

Lesezeit 5 Minuten
Arne Schönbohm ist im Porträt zu sehen, er schaut durch eine randlose Brille in die Ferne.

Arne Schönbohm

Brisanter Prozess am Kölner Verwaltungsgericht: Ex-BSI-Chef Schönbohm klagt gegen das Bundesinnenministerium wegen seiner Abberufung.

Der nächste Justiz-Show-Down um die Ablösung des ehemaligen Präsidenten im Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Arne Schönbohm beginnt am Donnerstag vor dem Kölner Verwaltungsgericht. Während Schönbohm laut seiner Anwälte der Hauptverhandlung zuversichtlich entgegensieht, kommt der Prozess für Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zur Unzeit kurz vor der Bundestagswahl. Sollte Schönbohm Recht bekommen, wäre der Skandal um den Vorgang perfekt.

Im September 2023 hatte der einstige Cyberabwehrchef seine Dienstherrin wegen der Verletzung der Fürsorgepflicht auf Schadenersatz verklagt. Zunächst geht es um 5000 Euro. „Die Summe kann sich aber noch erhöhen“, erklärte sein Anwalt Christian Winterhoff dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Trotz unsinniger Vorwürfe habe Faeser alles darangesetzt, „um meinen Mandanten aus dem Amt zu entfernen“.

Die Ministerin ist im Porträt zu sehen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD)

Im Oktober 2022 hatte Faeser dem BSI-Chef zunächst die Führung der Amtsgeschäfte untersagt und schließlich zum Chefposten der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung strafversetzt. Zahlreiche mediale Enthüllungen in der „Mobbing-Affäre“ gegen Schönbohm legen den Verdacht nahe, dass die Ministerin und ihre Hausspitze Schönbohm wohl mit konstruierten Vorwürfen kaltstellen wollte. Offiziell hieß es, das Vertrauen zu Schönbohm sei zerstört. Tatsächlich aber diente wohl die Sendung „ZDF Magazin Royale“ des TV-Moderators Jahn Böhmermann als Hauptgrund für die Ablösung.

Medienanwalt Hennig: „Die Vorwürfe waren überprüfbar“

Am 7. Oktober hatte Böhmermann den BSI-Präsidenten einen „Cyberclown“ genannt. Zudem wurde Schönbohm als Sicherheitsrisiko dargestellt, er unterhalte angeblich mittelbar Kontakte zum russischen Geheimdienst, hieß es in der Sendung. In Anfragen vor der Ausstrahlung an das BSI offenbarte die Böhmermann-Redaktion über Links dubiose Quellen. Laut den E-Mails, die dieser Zeitung vorliegen, handelte es sich um längst widerlegte Verschwörungsgeschichten. Etwa diese: Das FBI hätte wegen einer Spionagesoftware einer russischen Firma ermittelt, die auch hierzulande zum Einsatz kommen würde.

Laut der E-Mails koordinierte das Bundesinnenministerium (BMI) in den Septembertagen vor der Sendung die Antworten auf die Fragenkataloge. „Durch die Links, die von der TV-Produktion mitübersandt wurden, waren die Vorwürfe überprüfbar und hätten sich bereits vor der Sendung als unbegründet herausstellen müssen“, erläutert Schönbohms Medienanwalt Markus Hennig. „Dass sich niemand im BMI die Sachlage tiefer angesehen hat, ist schwer vorstellbar.“ Nach der Sendung aber musste Schönbohm seinen Posten räumen. Die Vorgesetzten sollen ihm untersagt haben, sich öffentlich gegen die Vorwürfe zu wehren.

Erstes Urteil sieht vier unwahre Behauptungen in der Böhmermann-Sendung

Schönbohm verklagte daraufhin seine Dienstherrin und das ZDF wegen falscher Berichterstattung. Kurz vor Weihnachten hatte die Pressekammer des Münchner Landgerichts vier unwahre Behauptungen aus der Böhmermann-Sendung festgestellt. Der Tenor des Urteilsspruchs: Das ZDF habe in wichtigen Punkten Fake News verbreitet. Das Gericht befand, dass die kolportierte Nähe des Ex-BSI-Chefs zu Geheimdienstlern des Kreml über einen Cybersicherheitsverein nicht der Wahrheit entsprach. Die Forderung auf 100.000 Euro Schadenersatz wurde abgelehnt.

Das ZDF hat nach eigenen Angaben Berufung gegen das Urteil eingelegt. Demnach will der Sender „weder direkt noch indirekt bewusste Kontakte“ zu russischen Geheimdiensten behauptet haben. Zugleich hat auch Schönbohm das Oberlandesgericht München als nächst höhere Instanz angerufen, um im Zusammenhang mit der Schadenersatzforderung Recht zu bekommen.

Was bisher geschah

Der Kölner Prozess dürfte also spannend werden. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ zeichnet die Chronologie der Affäre noch einmal nach:

Juni 2022: Laut den Klägern soll das BMI in jener Zeit „eine Liste mit angeblichen Fehlverhaltensweisen gegen meinen Mandanten auf Vorrat zusammengestellt“ haben. Das Ministerium widerspricht, eine solche Liste sei nie angefertigt worden. Doch eine Mail des damaligen Vorgesetzten Schönbohms im BMI belegt das Gegenteil.

7. Oktober 2022: TV-Satiriker Jan Böhmermann unterstellt Schönbohm mittelbar Kontakte zu russischen Geheimdiensten über den von ihm mitgegründeten Verein „Cybersicherheitsrat Deutschland“. Das Ministerium schweigt zu den Vorwürfen.

Freitag, 14. Oktober 2022: BMI-Staatssekretär Markus Richter soll sich laut einer Telefonnotiz Schönbohms bei diesem gemeldet haben. Die Notiz liegt dieser Zeitung vor, demnach soll der Anrufer dem Behördenleiter zwei Möglichkeiten angeboten haben, „um die Situation zu beruhigen“. Entweder ein Wechsel auf den Chefposten der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung in Brühl mit Gehaltsanpassung von B6 (10.600 Euro) auf B8 (11.700 Euro). Andernfalls sollte eine Voruntersuchung beginnen, die in ein Disziplinarverfahren habe münden können. Noch am gleichen Tag hat Schönbohm um die Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens gebeten.

18. Oktober 2022: Wohl ohne die ZDF-Story zu Schönbohms angeblicher Russen-Nähe überprüft zu haben, untersagt der Chef der Zentralabteilung Z im Ministerium Schönbohm das weitere Ausüben der Dienstgeschäfte. Zugleich beginnt eine Voruntersuchung in der Angelegenheit. Nach kurzer Zeit stellt sich heraus, dass an der Unterstellung nichts dran ist. Knapp ein Jahr später behauptet Bundesinnenministerin Faeser in einem Interview, die Absetzung des BSI-Präsidenten habe nichts mit der Böhmermann-Berichterstattung über die Russen-Kontakten zu tun. Einziger Beweggrund für den Postenwechsel sei ein genereller Vertrauensverlust gewesen.

Focus-Online veröffentlicht den Bescheid zum Verbot der Dienstgeschäfte, der das Gegenteil beweist: Punkt 1 in dem vierseitigen Papier werden ausführlich die Vorwürfe Böhmermanns behandelt. Im Vorspann heißt es: „Aufgrund der aktuellen Vorwürfe gegen Sie in Ihrer Funktion als Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, die nach der Ausstrahlung der Sendung ‚ZDF Magazin Royale‘ vom 7. Oktober verbreitet wurden, ist in der Öffentlichkeit das Vertrauen in ihrer Amtsführung nachhaltig beschädigt.“

Das Papier listet sechs weitere angebliche Verfehlungen auf.

5. Dezember 2022: Schönbohm erhält die Abordnung zum BAköV.

18. Januar 2023: Eine ministeriale Referentin, die mit der Voruntersuchung in der Sache Schönbohm befasst ist, übersendet per Mail an die Vorgesetzten einen Entwurf zur Einstellung des Verfahrens. Tenor: Alle sieben Vorwürfe reichten nicht aus, um ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Die Untersuchung läuft weiter.

2. März 2023: Bei einem Treffen mit dem Zentralabteilungsleiter bemängelt die Ministerin laut einem Vermerk die dünne Erkenntnislage im Fall Schönbohm. Man solle nochmal das Bundesamt für Verfassungsschutz abfragen und Geheimunterlagen zusammentragen, soll Faeser angeordnet haben. Das Unterfangen bleibt erfolglos.

März 2023: Zeitnah übermittelt Abteilungsleiter von Simson an die Ministerin einen Langvermerk in der Personalsache. Tenor: Zwar habe man nichts zu disziplinarwürdigen Verfehlungen gefunden. „Das Ziel der Abberufung des Herrn Schönbohm als Präsident des BSI wurde erreicht.“ Dazu befragt, betonte das Ministerium stets, dass man gerade in diesem Fall sehr sorgfältig alles geprüft habe.

28. April 2023: Ende April teilt das Ministerium Schönbohm mit, dass die Voruntersuchung eingestellt wurde. In dem kurzen Schreiben freut sich Faesers Personalchef von Simson auf eine „Fortsetzung der begonnenen erfolgreichen und vertrauensvollen Zusammenarbeit“.

September 2023: Arne Schönbohm verklagt Faeser (formell die Bundesrepublik Deutschland) beim Kölner Verwaltungsgericht wegen der Verletzung der Fürsorgepflicht.