AboAbonnieren

Über Musk und die AfDJan Böhmermann sorgt mit Gastbeitrag bei der „New York Times“ für Wirbel

Lesezeit 4 Minuten
Jan Böhmermann ist Satiriker und Moderator der Late-Night-Show „ZDF Magazin Royale“.

Jan Böhmermann ist Satiriker und Moderator der Late-Night-Show „ZDF Magazin Royale“.

Jan Böhmermann erläutert in einem satirischen Video bei der „New York Times“ das Erstarken der AfD – und zieht Parallelen zu Elon Musk.

Fast neun Minuten lang ist das Video, das die „New York Times“ veröffentlicht hat. Darin erklärt Jan Böhmermann, deutscher Satiriker und Fernsehmoderator der Late-Night-Show „ZDF Magazin Royale“, auf Englisch und mit hartem deutschen Akzent, im Anzug und vor büroteppichgrauem Hintergrund, das Wiedererstarken des Nationalsozialismus in Deutschland und der Welt.

Warum macht er das? Nun, Elon „Das-war-kein-Hitlergruß“ Musk hatte unter anderem über ein Meinungsstück bei der „Welt am Sonntag“ eine Wahlempfehlung für die extrem rechte Partei AfD abgegeben – und ungezählte Male über seine eigene Plattform X, dort auch in Form eines Livestreams mit Parteichefin Alice Weidel. Böhmermanns Video kann als Replik auf Musks verstanden werden, veröffentlicht er doch seinen satirischen Beitrag bei einer US-amerikanischen Zeitung.

Jan Böhmermann erläutert den Rechtsruck

Gleich zu Beginn heißt es dementsprechend: „Guten Tag aus Deutschland, dem Land, das laut Elon Musk gerettet werden muss.“ Während Jan Böhmermann spricht, blendet seine Redaktion immer wieder bayerische Volksmusik zur Untermalung ein. An diesen Stellen könnte vermutlich gelacht werden, wenn es nicht so ernst wäre.

In dem Meinungsstück verbindet Böhmermann die Klischees von langen, komplizierten Wörtern mit dem deutschen Erfindergeist. Nazis, die haben wir erfunden! Und dann sind wir auch noch „Vergangenheitsbewältigungsweltmeister“! Stündlich, täglich, 80 Jahre lang hätten wir uns gesagt „Nie wieder!“ und das Land mit Gedenkstätte über Gedenkstätte über Gedenkstätte gepflastert. Doch leider sei das „Nie wieder“ ohne Anleitung geliefert worden.

Dann schlägt er einen Bogen von den aktuellen Umfragewerten für die AfD in der bevorstehenden Bundestagswahl, die voraussichtlich die zweitmeisten Stimmen erhalten wird, zu Björn Höckes Rede über die deutsche Vergangenheitsbewältigung in Dresden 2017. Das eingeblendete Video kommentiert Böhmermann dies als „‚hitleresque ‘– das ist französisch für besorgniserregend“. Sollte der Rest der Welt also beunruhigt sein über eine große faschistische Rückkehr Deutschlands? „Jawohl, aber hallo und zwar so richtig“, sagt der Satiriker auf Deutsch.

Das Dritte Reich als „Vogelschiss“ und „Hitler war ein Kommunist“

Weiter geht es mit einem kurzen Abriss der AfD-Geschichte: vom „Vogelschiss“-Kommentar von Alexander Gauland über das Dritte Reich bis zu Alice Weidels Interview mit Elon Musk, in dem sie Adolf Hitler als Kommunisten bezeichnete. Warum die 180-Grad-Wende auch in Bezug auf die Wahrheit funktioniere? Noch so eine schöne deutsche Erfindung: „Geschichtsvergessenheit“, sagt Böhmermann. Außerdem seien die Nazis ja nie weg gewesen, wie die Taten des NSU gezeigt hätten.

Björn Höcke, Alexander Gauland (beide AfD) und Jörg Meuthen (ehemald AfD, heute Werteunion)

Björn Höcke, Alexander Gauland (beide AfD) und Jörg Meuthen (ehemals AfD, heute Werteunion)

Die Deutschen seien besonders gut im Zurschaustellen moralischer Werte. Wir hätten unsere dunkle Vergangenheit förmlich wegerinnert, und zwar so weit weg, dass „Nie wieder“ eine leere Phrase geworden sei. Der Comedian erzählt, dass sein Urgroßvater in der Waffen-SS war und blendet ein Foto von ihm ein. „Aber er war ein Koch“, sagt Böhmermann. „Und die Lasagne, die er in Stalingrad gemacht hat, schmeckte wie Schuhsohlenauflauf, also hat er die Waffen-SS förmlich von innen versucht zu zerstören.“

Wie ein Hitlergruß vor einer Gruppe von rechten Extremisten

Selbst wenn Nazis sich wie Nazis verhalten und Dinge machen, die Nazis machen: Solange sie nur laut genug sagen, dass sie keine Nazis sind, glaubten wir Deutsche ihnen, lautet Böhmermanns Argument. „Das ist wie einen Hitlergruß vor einer Gruppe von rechten Extremisten zu zeigen und dann abzustreiten, ein Nazi zu sein.“ (Elon Musk zeigte den Hitlergruß bei Donald Trumps Amtseinführung.) Ein Narrativ, das überall auf der Welt erfolgreich zu sein scheine: Hey, wir sind keine Nazis, wir sind nur gegen Freiheit, Gleichstellung und Rechtsstaatlichkeit.

Die AfD, sagt Böhmermann am Ende, sei nicht die neue Nazi-Partei. „The just want Germany to be great again.“ (Donald Trumps politischer Slogan lautet „Make America Great Again“.) Und deshalb, sagt Böhmermann zum Schluss, sei in Deutschland gerade „the Kacke am Dampfen“.

Ein Sprecher von AfD-Chefin Alice Weidel äußerte auf dpa-Anfrage als Reaktion auf den Video-Beitrag, dass Böhmermann die Wähler und „eifrigen Gebührenzahler“– die AfD kritisiert scharf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, für den auch Böhmermann mit seiner ZDF-Satiresendung tätig ist – vermutlich nicht davon abhalten werde, am Sonntag das Kreuz „an der richtigen Stelle“ zu setzen. (mit dpa)