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lit.Cologne 2025Die Zukunft ist noch nicht verloren

Lesezeit 5 Minuten
Tupoka Ogette (r.) hatte zu einer Live-Ausgabe ihres Podcasts tupodcast Alice Hasters (l.) und Oyindamola Alashe eingeladen

Tupoka Ogette (r.) hatte zu einer Live-Ausgabe ihres Podcasts tupodcast Alice Hasters (l.) und Oyindamola Alashe eingeladen

Auf sehr unterschiedliche Art machten Tupoka Ogette mit ihren Gästen und Matthias Horx bei der lit.Cologne Hoffnung, dass noch nicht alles verloren ist.

Die Welt, in der wir leben, macht vielen Menschen Angst. Demagogen, Kriege, Klimawandel - die Liste der schier unüberwindbaren Herausforderungen ist lang. In den USA und vielen anderen Ländern sprechen Politikerinnen und Politiker trans Menschen ihre Identität ab, Homosexuelle fürchten um ihre Rechte und struktureller Rassismus wird negiert oder sogar offen ausgelebt. 

Wie wichtig es ist, Räume zu haben, in denen alle - insbesondere aber marginalisierte Gruppen - sich sicher und gestärkt fühlen können, ist offensichtlich. Im Alltag leben wir diesen Gedanken dennoch viel zu selten. Welche Kraft ein Abend voller Gemeinschaft und Solidarität entwickeln kann, wurde am Freitagabend in der Stadthalle Köln in Mülheim deutlich.

Tupoka Ogette („Exit Racism“, „Und jetzt du. Zusammen gegen Rassismus“), unermüdliche Vermittlerin für Rassismuskritik, lädt in ihren Podcast tupodcast regelmäßig inspirierende Schwarze Frauen ein, um mit ihnen über die großen und kleinen Fragen unserer Zeit zu sprechen.

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Im Rahmen der lit.Cologne machte sie dies nun vor einem ausverkauften Saal in Köln-Mülheim. Gekommen war die gebürtige Kölnerin Alice Hasters, die für ihr Buch „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten“ vor einigen Jahren zurecht viel Aufmerksamkeit erhalten hatte und mit „Identitätskrise“ erneut einen wichtigen Debattenbeitrag leistete. Außerdem die Journalistin und Moderatorin Oyindamola Alashe, die mit Gianni Jovanovic in „Ich, ein Kind der kleinen Mehrheit“ dessen Lebensgeschichte und seine Erfahrungen als Mitglied der Romnja- und Sintizze-Community und der LGBTQI+-Community niederschrieb. Die wunderbare Musikerin Celina Bostic machte den Talk zudem noch zu einem kleinen Konzert.

Mütend, also eine Mischung aus wütend und müde, hatte Alice Hasters die Stimmung einmal beschrieben, die viele - vor allem People of Color - sehr gut nachvollziehen können. Gerade in Deutschland seien viele nach dem Mauerfall dem Irrglauben erlegen, nun sei alles gut, nun gebe es ein Happy End. Es gebe aber keinen Anfang und kein Ende der Auseinandersetzung mit Hass, Rassismus und Ungerechtigkeit. Was wir jetzt erleben, sei daher auch kein letztes Aufbäumen: „Es ist ein Aufbäumen.“ Und es sei die Konsequenz aus den Dingen, die wir zu lange nicht anschauen wollten. 

Oyindamola Alashe sagte, sie könne die mentale und körperliche Erschöpfung, die viele schwarze Aktivistinnen in den USA und anderswo gerade fühlen, gut nachvollziehen, zumal den jetzigen Ereignissen Kontinuitäten vorausgehen, die sich über Jahrhunderte erstrecken. Der Druck sei enorm: „Die Rolle, die uns zugeschrieben wird, ist zu viel. Wir brauchen eine Pause und Heilung von diesen Traumata.“

Tupoka Ogette berichtete, sie erhalte momentan viele Mails von weiblichen People of Color, die verzweifelt und einsam seien. „Mit diesen Gefühlen geht bei vielen Scham einher, aber sie sind sehr berechtigt. Sie wollen dir etwas sagen“, sagte Alice Hasters. „Auch aus einer Erschöpfung kann eine Revolution entstehen.“

Gerade deshalb sei es wichtig, in Jugendprojekte und Kultur zu investieren, so Hasters. Es sei kein Zufall, dass bei einem Rechtsruck, wie wir ihn in vielen Ländern erleben, genau dort gespart wird. Und Weißen rief sie zu: „Auch euer Leben verändert sich, je weiter dieses Land und diese Welt nach rechts rücken.“  Alashe ergänzte: „Rassismus ist nicht nur unser Thema, er betrifft alle. Haltet die Stellung für uns, schafft Räume! Es ist nicht mehr die Zeit, sich zurückzulehnen, den Mund zu halten und andere machen zu lassen.“

Neben diesen berechtigten Appellen waren die rund zwei Stunden in der Stadthalle aber vor allem genau das, was die Frauen auf der Bühne sich wünschten: Ein Safe Space, ein Raum, in dem jeder unhinterfragt einfach sein durfte und willkommen war. Das kann man kitschig oder naiv finden, aber welche Kraft eine solche Botschaft haben kann, zeigte sich, als Celina Bostic zu ihrem Song „Nie wieder leise“ alle People of Color auf die Bühne bat und sie gemeinsam mit dem restlichen Publikum einen großen Chor bildeten. Da wurde der Name des Liedes tatsächlich Programm.

Ein Blick in die Zukunft mit Matthias Horx

Matthias Horx

Matthias Horx

Der Titel klingt fast ein wenig märchenhaft: „Der Zauber der Zukunft: Wie wir die Welt verändern“ hat der Publizist und Zukunftsforscher Matthias Horx sein jüngstes Werk überschrieben. Zum Einstieg seines Abend bei der lit.Cologne in den Balloni-Hallen in Ehrenfeld klang das dann aber erst einmal ganz anders: „Ich möchte mit Ihnen über die Gegenwart reden. Wie gehen wir damit um, dass die Zukunft verschwunden ist. Sie hat sich hinter den Horizont zurückgezogen.“ Dieser Verlust der Zukunft führe bei vielen Menschen zu einem Zukunftskater.

Für Horx ist das aber kein Grund für Jammerei oder Resignation. Zwar lebten wir in einer Omni-Krise und nicht nur in einer Multi-Krise, in der jeder Trend auch einen Gegentrend erzeuge, aber ein Blick zurück mache deutlich, dass die Menschheitsgeschichte immer in Epochen abgelaufen sei, an deren Kipppunkten Krisen normal gewesen seien: „Es ist der Menschheit gelungen, diese Monster zu zähmen.“ Wir müssten uns aber von dem Gedanken verabschieden, dass die Entwicklung linear verlaufe und es immer nur besser werde. „Diese ganze Scheiße momentan ist ganz normal“, fasste Horx es mit deutlichen Worten zusammen. 

Ein Blick zurück helfe bei der richtigen Einordnung. Wir lebten in der dritten Informationskrise. Die Erste sei nach der Entstehung der Schrift entstanden, die zweite nach der Erfindung des Buchdrucks. Eine solche Entwicklung bringe erst einmal das Schlechteste in uns hervor. So habe der Buchdruck keinesfalls sofort zu einer Verbesserung geführt. Der „Hexenhammer“, die Grundlage der Hexenverfolgung, sei der erste Bestseller gewesen. Erst die Aufklärung habe den Rahmen gesetzt, diese Technologie sinnvoll zu nutzen. 

In der Vergangenheit haben die Phasen der Krise laut Horx rund 250 Jahre gedauert, uns müsse es nun gelingen, schneller für Veränderung zu sorgen. Und dafür erhoffe er sich vor allem Zuversicht, sie sei besser, weil weniger passiv als Hoffnung: „Wir müssen die Angst-Starre überwinden.“


Verlosung Am 26. März, 21 Uhr, spricht Herbert Grönemeyer in der ausverkauften Philharmonie mit Michael Lentz über sein Leben und seine Musik. Am 30. März, 17 Uhr, stellt Liz Moore ihren neuen Thriller „Der Gott des Waldes“ im WDR Funkhaus vor. Wir verlosen für beide Abende jeweils 3x2 Tickets. Wenn Sie gewinnen möchten, schicken Sie bitte eine Mail mit dem Betreff „Herbert Grönemeyer“ oder „Liz Moore“ und Ihrem vollständigen Namen bis 25. März, 12 Uhr an: ksta-kultur@kstamedien.de