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Manuelle AttackeSeong-Jin Chos Klavierabend in der Kölner Philharmonie

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Seong-Jin Cho

Köln – Dem deutschen Wald ging es (wie heute) schlecht in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – vor der Etablierung der Kohle als zentralem Energieträger drohte ihm die weitflächige Abholzung. Wenn er also in der Literatur und Musik der Romantik beschworen wurde, dann war das – wie im Programmheft zu Recht angemerkt – eine Metapher, ein Sehnsuchtsbild mit begrenztem Realitätsgehalt.

In Schumanns „Waldszenen“ mit denen der südkoreanische Jungstar Seong-Jin Cho in der Kölner Philharmonie seinen Klavierabend eröffnete, mag dennoch etwas mitschwingen von der erfahrungsinduzierten Ambivalenz der „Waldempfindung“. Es gibt hier Heimliches und Unheimliches, Begeisterung und Melancholie in enger Nachbarschaft, und anders, als es ein gängiges Vorurteil will, ist dieses vergleichsweise späte Klavierwerk nicht klassizistisch geglättet, sondern voll der rhythmischen und harmonischen Widerborstigkeiten, der fantastischen Skurrilitäten. Sie liegen freilich nicht an der Oberfläche wie zehn, 15 Jahre zuvor.

Bemerkenswert, wie intensiv sich der 25-jährige Interpret diese musikalische Gefühlswelt anverwandelt hat. Wie etwa gleich im ersten Stück „Eintritt“ im Mittelteil die mehrschichtige rhythmische Gestalt leicht verwischte, um sich erst in der Reprise wieder vollends herzustellen; wie in der „Verrufenen Stelle“ die Bewegung in einem „Barockgewand“ geradezu erstarrte; wie im berühmten „Vogel als Prophet“ durch die genaue Platzierung der tonartenfremden Töne ein magisches Fluidum entstand – das alles zeugte von großer klanglicher Vorstellungskraft und von pianistischer Souveränität sowieso.

Bei Schuberts „Wandererfantasie“ war letztere noch mehr gefragt – das Stück hat etwa den alternden Alfred Brendel ob seiner technischen Ansprüche das Fürchten gelehrt. Der Spagat zwischen und die Synthese von tiefer Trauer und glänzender Konzertwirkung gelang hier vor allem durch die konsequente, ja nahezu verbissene Nachverfolgung des Schubertschen Wanderrhythmus durch all seine Metamorphosen hindurch.

Konnte man anlässlich der Fantasie-Stretta schon an Liszts Klavierstil denken, so erst recht in den beiden Chopin Scherzi opera 20 und 31. Sicher beherrscht Seong-Jin Cho die ganz leisen, poetischen Töne, die er mit geschmackvollem Rubato und substanzreichem Anschlag in Szene zu setzen weiß. Und er verfügt über Klangbildungen von beunruhigender Fahlheit. Aber er kann problemlos auch zur anderen Seite hin aufmachen: Da klirrt der Flügel im Diskant, scheint unter der manuellen Attacke schier in Stücke zu springen. Ob hier Chopins Geist nicht zu viel des Guten angetan wird? Dem berechtigt großen Beifall ließ der Gast als Zugabe noch einmal Chopin folgen.