Bei „Markus Lanz“Genervter Ramelow vergleicht das Verhalten des BSW mit einem „Kalifat oder Clan“

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Markus Lanz im Gespräch mit Bodo Ramelow.

Ministerpräsident Bodo Ramelow war bei „Markus Lanz“ am Mittwoch zu Gast.

Vor der Landtagswahl in Thüringen hat sich Ministerpräsident Bodo Ramelow klar gegen BSW positioniert.

Im September findet in Thüringen die Landtagswahl statt - und schon jetzt sind die politischen Debatten rund um die mögliche Regierungsbildung in vollem Gange. Während die Linkspartei laut aktuellen Umfragen immer mehr an Fahrtwind verliert, wächst die Zustimmung für Parteien wie das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ oder die AfD. „Was erwarten Sie da im Herbst?“, wollte Markus Lanz am Mittwoch wissen. Journalist Jan Hollitzer antwortete ehrlich: „Die Momentaufnahme sagt, dass relativ wahrscheinlich (...) CDU, BSW und SPD eine parlamentarische Mehrheit bilden könnten mit 49 Prozent.“

Dass sich die Prozentzahlen der einzelnen Parteien in den vergangenen Wochen immer wieder stark verändert haben, erklärte Hollitzer mit den Worten: „Ich nehme da eine absolute Verzweiflung und Orientierungslosigkeit verschiedenster Wählergruppen in Thüringen wahr.“ Auch der Ministerpräsident Thüringens, Bodo Ramelow (Die Linke), musste zugeben: „Ich nehme wahr, dass die ostdeutsche Seele ziemlich angegriffen ist.“ Markus Lanz wollte daraufhin wissen, was der Linken-Politiker von dem „Phänomen Sahra Wagenknecht“ halte. „Wie hat sie es geschafft, Sie derart abzuhängen?“

Bodo Ramelow über Abschied von Sandra Wagenknecht bei der Linken: „Es schmerzt mich“

Der Politiker reagierte genervt und verglich das Verhalten des BSW mit einem „Kalifat oder Clan“. Der Grund: „Es gibt nach Angaben des BSW 1.000 Aufnahme-Anträge in Thüringen. 40 hat man aufgenommen und diese 40 entscheiden ganz alleine.“ Der Linken-Politiker ergänzte wütend: „Die Menschen wollen in Thüringen Wagenknecht wählen, (...) aber Frau Wagenknecht kandidiert in Thüringen überhaupt nicht! Sie steht überhaupt nicht zur Wahl. Es stehen 40 Personen zu dieser Partei, mehr sind nicht da. Der Rest wird nicht aufgenommen. Der Rest ist eine Phantomerscheinung!“ Ein Argument, das Lanz kaltließ: „Aber es reicht ja ganz offensichtlich.“

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Der Linken-Politiker wurde daraufhin emotional und gab zu: „Es schmerzt mich, dass das BSW sich aus der Linken verabschiedet hat. Es schmerzt mich. Ich habe von einer anderen Linken geträumt, nämlich einer pluralen Linken.“ Grund genug für Lanz, zu fragen, ob Ramelow sich eine Koalition mit dem BSW vorstellen könne. Darauf antwortete der Ministerpräsident von Thüringen klar: „Ich kämpfe gegen keine demokratische Partei. Und für mich ist das BSW erstmal Teil des demokratischen Spektrums.“

Als Lanz feststellte, dass die AfD auch „ganz demokratisch“ gewählt werden könne, reagierte Ramelow erneut genervt: „Das haben Sie mir jetzt in den Mund gelegt. Die AfD ist keine demokratische Partei.“ Lanz klärte auf: „Ich habe gesagt: demokratisch wählbar.“ Ramelow konterte jedoch streng: „Das habe ich aber nicht so gesagt. Das haben Sie mir gerade in den Mund gelegt.“ Der Linken-Politiker fügte hinzu, dass er aktuell vor allem um die 70 Prozent kämpfe, die nicht die AfD wählen: „Mein Kampf geht gegen die Normalisierung des Faschismus. Und Herr Höcke ist der Vertreter, der (...) den Faschismus jeden Tag immer mehr normal macht. Gegen diese Erscheinung kämpfe ich!“

Bodo Ramelow warnt vor fehlender Zuwanderung: „Wir werden den Wohlstand nicht halten können“

Ramelow nannte es daher einen schwerwiegenden Fehler, die AfD mit dem BSW „gleichzusetzen“. Gleichzeitig kritisierte er die falsche Wahrnehmung im Westen des Landes, dass praktisch alle Menschen im Osten AfD wählen, während „70 Prozent der Wähler verschwinden, die nicht AfD wählen“. „Das heißt, das ist ein mediales Thema?“, wollte Lanz wissen. Ramelow wiegelte ab: „Das hat etwas damit zu tun, dass wir in einer veränderten Welt leben.“ Die traditionellen Medien spielen laut Ramelow „eine immer geringere Rolle“, während Plattformen wie Telegram den Ton angeben und eine andere „Wirkmächtigkeit“ erlangt haben.

Lanz nickte zwar, wollte aber dennoch wissen, warum die Linkspartei in Thüringen so viele Wählerstimmen verliere, obwohl Bodo Ramelow als populär gelte. Lanz wies dabei vor allem auf das Thema Asyl hin, das die Gesellschaft wie kaum ein anderes Thema spaltet. Bodo Ramelow sah dies jedoch anders und erklärte, wie wichtig es sei, „die Menschen, die da sind“, schneller im Berufsleben einzugliedern.

„Wenn wir nur noch rassistisch darüber reden, führt das dazu, (...) dass eine Ausländerfeindlichkeit in einer Community entsteht, bei dem Menschen, die nicht deutscher Herkunft sind, sagen: Da will ich nicht leben“, glaubte der Politiker. Lanz stichelte daraufhin: „Das Thema der Überforderung, das sehen Sie nicht?“ Der Linken-Politiker wiegelte ab und erklärte, dass keine Zuwanderung die Gesellschaft noch mehr überfordere: „Wir werden den Wohlstand nicht halten können!“

Holocaust-Überlebende: „Ich bin sicher, Antisemitismus war immer da“

Weniger hitzig, aber dafür höchst emotional ging es zu, als Eva Umlauf ihre bewegende Lebensgeschichte als Shoah-Überlebende erzählte. Die heute 81-Jährige gehört zu den wenigen Kindern, die das Konzentrationslager in Auschwitz überlebt haben und befreit wurden. Als sie von den unmenschlichen Bedingungen vor Ort und ihren vielen Krankheiten erzählte, wollte Markus Lanz wissen, wie sie mit der Erinnerung leben könne. Darauf sagte die 81-Jährige: „Ungeschehen kann man Auschwitz nicht machen, aber man kann es so verarbeiten, dass man mit dem Trauma leben kann als gesunder Mensch.“

Bis heute geht Umlauf mit vielen Schulklassen nach Dachau und berichtet von der dunklen Vergangenheit Deutschlands. Eine Vergangenheit, an die viele Juden heutzutage mehr denn je erinnert werden, wie Eva Umlauf traurig feststellen musste: „Ich bin sicher, Antisemitismus war immer da. (...) Aber was jetzt ist, das ist ein Judenhass. Und das ist einfach für mich (...) sehr schwer zu ertragen.“ Die Shoah-Überlebende erklärte weiter, dass sie sich heute nicht mehr traue, in der Öffentlichkeit Zeitungen wie die „Jüdische Allgemeine“ zu lesen, da „ich nicht provozieren will“. (tsch)

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