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Architektin Dörte Gatermann„Die öffentlichen Plätze sind leider eine Katastrophe in Köln“

Lesezeit 5 Minuten
Architektin Dörte Gatermann hat das Köln Triangle entworfen.

Architektin Dörte Gatermann vor dem von ihr entworfenen Köln Triangle

Für unsere Serie „Mein Kulturmonat“ spricht die Architektin Dörte Gatermann über die Kölner Baukultur und gibt drei Veranstaltungstipps für den Dezember.

Der schönste Ort in Köln ist für mich immer wieder „Maria in den Trümmern“, Gottfried Böhms erster Bau, gemeinsam mit dem Diözesanmuseum „Kolumba“ von Peter Zumthor. Das ist einfach fantastisch. Natürlich ist auch der Kölner Dom als Gebäude unglaublich beeindruckend. Ich liebe das Richter-Fenster und genau zu wissen, wann das Licht richtig steht, damit es hindurchscheint. Das MAKK, auf das ich von meinem Fenster aus gucke, finde ich sowohl außen als auch innen sehr schön. Dort gibt es zudem regelmäßige Filmveranstaltungen, was leider viel zu wenige wissen.

Köln hat sehr viele bekannte Architekten und eine fantastische Stadtgeschichte – aber auch eine ganze Reihe kleinerer, schöner, nicht nur Gebäude, sondern auch Situationen. Ich denke da zum Beispiel an den gelben Pavillon von Erika Hock auf dem Neumarkt. Der hat 2023 gezeigt, wie ein öffentlicher Ort mit einem kleinen Objekt, das aber über große funktionale und ästhetische Qualität verfügt, belebt werden kann.

Kölns Baukulturszene bietet viele Möglichkeiten

Die Baukulturszene in Köln bietet viele Möglichkeiten. Der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA) ist hier beispielsweise sehr aktiv. Ich selbst war als junge Architektin neun Jahre lang im Vorstand. Das war eine prägende Zeit, denn damals sind über den Architekten Heinz Bienefeld viele junge Menschen in den BDA gekommen. Dort ist auch die Initiative zum Modell der Stadt, das heute öffentlich zugänglich im Spanischen Bau steht, entstanden – und weitere Ideen, die bis heute wirken. Schon damals habe ich gemerkt: Köln ist eine Bürgerstadt. Wir haben hier sehr engagierte private Unterstützer und Geldgeber für Projekte wie das Stadtmodell.

Kölner Stadtmodell im Spanischen Bau

Das Kölner Stadtmodell im Spanischen Bau des Kölner Rathauses.

Aktuell läuft die großartige Initiative der „Via Culturalis“. Vorher gab es schon die „Via Sacra“, die sieben romanische Kirchen Kölns miteinander verbindet. Für beides haben sich viele Architekten engagiert. Der restliche kulturelle Bereich, wie die großen Museen, hat eine Stimme und eine hohe Außenwirkung. Dagegen ist die Baukultur oft unterrepräsentiert. Dabei ist es wichtig, dass sie mehr Aufmerksamkeit bekommt.

Demokratie und öffentlicher Raum - Zwei Seiten einer Medaille

Die öffentlichen Plätze sind allerdings leider eine Katastrophe. Das liegt an einer gewissen Verwahrlosung, an einer eher unkoordinierten Bespielung und einer Kommerzialisierung der Plätze. Dabei hat Köln von den räumlichen Bedingungen her ein unglaubliches Potenzial. Doch der öffentliche Raum hat keine Lobby. Gerade deshalb müssen wir ihn unbedingt mitdenken. Im Sommer haben wir vom Haus der Architektur Köln (hdak) deswegen eine Veranstaltung zum Thema „Die Stadt und die Demokratie“ gemacht. Das sind zwei Seiten einer Medaille. Wenn wir die demokratischen Prozesse stärken wollen, dann müssen wir die städtischen, öffentlichen Räume verbessern.

Der KulturKubis des hdak auf dem Josef-Haubrich-Hof in Köln

Der KulturKubis des hdak auf dem Josef-Haubrich-Hof in Köln

Wenn wir die demokratischen Prozesse stärken wollen, dann müssen wir die städtischen, öffentlichen Räume verbessern.
Dörte Gatermann

Mein Bruder lebt in Chicago. Dort habe ich gesehen, wie gepflegt öffentliche Räume sein können, was es aber andererseits auch heißt, wenn sie privat bewirtschaftet werden. Das schließt oft viele Menschen aus. Hier in Köln erleben wir am Josef-Haubrich-Hof, dass sich Anwohner und Besucher durch Drogensüchtige nicht mehr sicher gefühlt haben. Ich schüre keine Angst. Ich finde, man muss sie abbauen. Aber öffentliche Räume sollen für alle da sein. Wir müssen etwas für die Drogenkranken tun, dürfen die Räume aber nicht einzelnen Gruppen überlassen. Das ist im Sinne der Demokratie zurzeit ein sehr wichtiger Punkt, denn nur wenn wir ins Gespräch kommen und Austausch ermöglichen, können wir vielleicht Verständnis entwickeln, zumindest aber demokratische Prozesse in Gang setzen.

Deshalb habe ich auch zusammen mit dem hdak das Projekt „1000 Stühle -1000 Bäume“ ins Leben gerufen, mit dem wir das Klima der Stadt verbessern wollen. Die Idee ist, dass kleinere Gruppen jeweils die Patenschaft für einen bestehenden oder neuen Platz in der Stadt übernehmen. Die Stühle sollen für mehr sozialen Austausch – auch zwischen den Generationen – sorgen, die Bäume für Luftqualität und Temperaturreduzierung.

Architektur als Verantwortung für die Stadt

Der öffentliche Raum war immer schon ein wichtiger Punkt für mich. Ich habe in Aachen bei Gottfried Böhm studiert. Mein voriges Studium war sehr technisch ausgerichtet, da hat mir etwas gefehlt. Deshalb wollte ich entweder zu Günter Behnisch oder zu Böhm. Heute denkt man vielleicht, dazwischen liegen Welten, aber diese Welten haben eine Gemeinsamkeit, die mich mein Leben lang verfolgt hat: Sie vereinen soziale Aspekte und Ästhetik. Bei Gottfried Böhm habe ich genau das gefunden: eine Verantwortung für die Stadt – die Architektur als einen Teil der Stadt, aber auch als sozialen Beitrag zu sehen. Über Böhm bin ich dann auch nach Köln gekommen. Er hat mich in sein Büro geholt, als ich noch nicht einmal mein Diplom hatte und hat mir die Projektleitung für ein großes Verwaltungsgebäude zugetraut. Wenn ich heute daran denke, ist das schon Wahnsinn. Ohne es zu wissen, habe ich bei ihm rückblickend alles über die Architektur gelernt.

Bei Gottfried Böhm habe ich, ohne es zu wissen, rückblickend alles über die Architektur gelernt.
Dörte Gatermann

Mir ist es sehr wichtig, emotionale Hürden abzubauen. Dazu gehört auch die Überhöhung in der Architektur, die von manchen Kollegen gerne zelebriert wird. Darauf reagiere ich sehr allergisch. Viele bauen aus Unkenntnis – oder manchmal auch aus Kenntnis – solche Hürden auf. Ich möchte sie abbauen und die Begegnung stärken, deswegen gehört der öffentliche Raum für mich gedanklich immer dazu. Aus diesem Grund war es mir auch ein Anliegen, eine öffentlich zugängliche Aussichtsplattform auf dem „Köln Triangle“-Hochhaus zu haben, aber auch die öffentliche Durchgängigkeit vom Bahnhof zum Rhein zu gewähren. Die Kantine ist öffentlich nutzbar und die beiden oberen Geschosse unter der Aussichtsplattform kann jeder anmieten. Unten gibt es zudem ein Restaurant – das alles in einem normalen Verwaltungsbau.

Die Architektur ist die Mutter aller Künste, aber sie ist nicht frei. Wir sind keine Maler im Atelier, sondern wir befinden uns immer im städtischen Kontext – keiner kann sich dem entziehen.


Dörte Gatermann gründete 1984 gemeinsam mit ihrem Partner Elmar Schossig ihr eigenes Architekturbüro, das sie heute gemeinsam mit zwei Büropartnern unter dem Namen „Supergelb Architekten“ führt. Sie ist zusammen mit dem Architekten Kaspar Kraemer Initiatorin des „Kölner Stadtmodells“ und seit 2024 eine von zwei Vorsitzenden des Haus der Architektur Köln. Für ihr stetiges Engagement für die Baukultur der Stadt wurde Gatermann mit einem Eintrag in das Goldene Buch der Stadt Köln geehrt. Außerdem war sie mehrere Jahre lang als Universitätsprofessorin an der TU Darmstadt tätig, wo sie sich mit ihren Projekten unter anderem für mehr Sichtbarkeit von Frauen in der Architektur einsetzte.