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„Mein Kulturmonat“ mit Erika Hock„In der freien Szene wird viel umsonst gearbeitet“

Lesezeit 5 Minuten
Erika Hock steht vor einem Garten.

Die Kölner Künstlerin Erika Hock

Für unsere Serie „Mein Kulturmonat“ gibt Erika Hock Ausgehtipps für den November und berichtet über die Kulturstadt Köln.

Ich habe in Düsseldorf an der Kunstakademie studiert und danach einige Jahre in Brüssel gelebt, bevor ich vor neun Jahren nach Köln gezogen bin. Wir wollten zurück ins Rheinland und so fiel unsere Wahl auf Köln, wegen der zentralen Lage und weil die Kunstszene hier spannend ist. In Düsseldorf ist sie beispielsweise sehr stark geknüpft an die Kunstakademie. Das ist hier anders und deswegen erlebe ich die Szene hier als viel heterogener und offener. Aber nicht nur die Kunstszene hier ist offener, ich erlebe die Stadt als sehr divers und aufgeschlossen.

Neben den renommierten tollen Museen gibt es eine super Musikszene und spannende freie Kunst- und Kulturinitiativen. Nur leider schätzt und unterstützt die Stadt ihre freie Szene nicht annähernd so, wie sie es verdient. Es gab ja auch kürzlich eine Demonstration gegen die drohenden Kürzungen und das unterstütze ich voll und ganz. Die Kürzungen würden Projekträume, kleine Theater und Kulturinitiativen zerstören, die das Leben hier in Köln abbilden und beleben.

In der Kulturindustrie wurde schon immer mit vergleichsweise wenig Geld sehr viel realisiert
Erika Hock

Natürlich müssen die öffentlichen Haushalte dank Inflation und Energiekrise irgendwie mit Kürzungen umgehen, aber das Budget der Stadt im Bereich Kunst und Kultur war und ist eh schon viel zu knapp. In der Kulturindustrie wurde schon immer mit vergleichsweise wenig Geld sehr viel realisiert und das, weil, viele Beteiligte aus Überzeugung extrem viel unbezahlte Arbeit leisten.

Alles zum Thema Demonstration Köln

Im Sommer 2023 gab es beispielsweise ein offenes Kulturprogramm auf dem Neumarkt, mit dem die Stadt den Platz aufwerten wollte. Das hat auch super funktioniert. Der gelbe Pavillon, in dem das Programm stattfand, war meine Arbeit. Den Pavillon gab es bereits seit 2012 in mehrfacher Ausführung. Allerdings musste er für den Neumarkt etwas größer und massiver gebaut werden, auch sollte es eine modulare Version sein, sodass er zwei Sommer lang auf dem Neumarkt gastieren kann. Das Budget dafür war von Anfang an klein, aber die Ansprüche wuchsen. Das Budget wurde dann zwar etwas angepasst, allerdings nicht entsprechend den Ansprüchen. Alle Beteiligten haben sehr viel mehr gearbeitet, als gezahlt wurde.

Menschen sitzen in einem Pavillon.

Der temporäre Pavillon von Erika Hock auf dem Kölner Neumarkt.

Trotzdem fände ich es natürlich schön, wenn das Projekt im nächsten Sommer wieder weiterläuft, idealerweise fairer finanziert. Denn eigentlich war das ein toller Ort des Austausches und hat den Neumarkt absolut belebt. Ich glaube, kaum jemand in der freien Szene kennt es nicht, ganz viel umsonst zu arbeiten. Ich habe zum Beispiel mein Atelier im KunstWerk in Deutz, wo mehr als 150 bildende Künstler, Kunsthandwerker und Musiker arbeiten.

Im Erdgeschoss des Atelierhauses gibt es einen großen Ausstellungsraum, Lore Deutz, den ich eine Zeit lang mit drei anderen Künstler*innen kuratiert habe. Wir haben alle Familie, eine rege Ausstellungstätigkeit, die alle sehr professionell betreiben und zum Teil noch andere Jobs. Und trotzdem haben wir das gemacht, ohne einen Cent dafür zu bekommen – einfach aus Überzeugung, weil wir wollten, dass es in Köln diesen Projektraum gibt. Wir hatten Lust auf Austausch mit Künstler*innen aus anderen Städten.

Jetzt hat ein anderes Team aus dem KunstWerk den Ausstellungsraum übernommen. Lore Deutz wird auf jeden Fall finanzielle Schwierigkeiten bekommen, wenn die Stadt da wirklich noch weiter kürzt. Das KunstWerk ist ein Verein, dem man als Mieter*in beitreten muss. Dazu gehört auch, eine Funktion zu übernehmen – wie zum Beispiel das Kuratieren des Ausstellungsraumes. Ich war davor eine Zeit lang im Vermietungsausschuss und habe mich mit um die Neuvermietungen der Ateliers gekümmert. Und da habe ich erst verstanden, wie begehrt dieser Ateliers, die von der Stadt gefördert werden, eigentlich sind. Und dass ich da sehr großes Glück hatte.

Das hatte ich auch gleich, als ich nach Köln gezogen bin – da habe ich direkt für die ersten zwei Jahre ein Stipendium für ein Atelier im Kunstverein bekommen. Das hat mir natürlich geholfen, in der Stadt Fuß zu fassen. Der Kunstverein liegt mir sehr am Herzen, die Ausstellungen sind immer sehenswert, der Ort ist wichtig gerade für die junge Szene. Die Kurator*innen wechseln dort alle paar Jahre und mit ihnen auch immer das Programm - und das ist das Spannende. Die Eröffnungen dort sind natürlich auch immer eine Gelegenheit, Kolleg*innen zu treffen. Zusätzlich zum Ausstellungsprogramm gibt es hier auch oft noch Vorträge von Künstler*innen oder Filmabende.

Diese fantastische freie Szene kaputt zu sparen wäre eine Katastrophe für eine Stadt wie Köln
Erika Hock

Außer „Lore Deutz“ gibt es natürlich noch viel mehr Projekträume in der Stadt, die spannend sind. Jenni Bohn betreibt zum Beispiel den kleinen Ausstellungsraum „Mauer“ im Gereonswall, den ich sehr gerne mag. Weil sie gleichzeitig auch für das Burg Hülshoff-Center for Literature (CfL) arbeitet, gibt es dort auch manchmal Lesungen, aber auch Konzerte.

Dann gibt es natürlich diverse Kunsträume am Eberplatz, die sind alle toll. Ein neuer, der hinzugekommen ist, ist ein Zusammenschluss aus dem Projekt Melange und ungefähr5, die heißen jetzt ICA (Islands of Contemporary Art Cologne). Klingt international und ist es auch. Das Tolle bei Melange war, dass sie oft super junge und spannende Positionen aus dem Ausland nach Köln geholt haben. Das Programm vom ICA klingt vielversprechend und die machen auch einen Podcast, den es sich lohnt mal anzuhören.

Diese fantastische freie Szene kaputt zu sparen wäre eine Katastrophe für eine Stadt wie Köln, die vielfältig sein will. Denn gerade hier gibt es junge und experimentelle Stimmen, die in den etablierten Museen oder Galerien keinen Platz finden – aber deswegen ja nicht weniger wert sind. Oft politische Stimmen – beispielsweise gibt es in Köln die total spannende queer/feministische Initiative „And she was like: BÄM!“, die Veranstaltungen organisieren, die sich an FLINTA-Menschen richten. Die Veranstaltungen reichen von Workshops bis Vortragsreihen etc. Solche Projekte und Initiativen sind alle auf die Gelder der Stadt angewiesen und würden ansonsten einfach aussterben.