Mies van der Rohe AwardDie besten neuen Häuser Europas - jetzt in Köln
Köln – Der beste europäische Neubau der vergangenen beiden Jahre hätte wohl auch dem Mann gefallen, nach dem die begehrte Auszeichnung benannt wurde. Ludwig Mies van der Rohe prägte den modernen, bis heute einflussreichen Haut-und-Knochen-Stil aus Stahlträgern und Glas, und auch wenn das englische „Town House“ von Grafton Architects deutlich mehr Fleisch auf den Rippen hat, spielt es mit der Anmutung eines Rohbaus. Für die Londoner Kingston Universität entstanden, sieht man innen wie außen viele Streben und Pfeiler, die offene, gegeneinander durchlässige Räume halten und verzieren.
532 Einreichungen gab es für den Mies van der Rohe Award
Transparenz ist Trumpf auf diesem Campus, gerade in der Eingangshalle, die, hoch wie eine Kathedrale, von einem entfernt an M.C. Escher erinnernden Labyrinth aus Aufgängen, Tribünen und Stufen durchzogen ist. Das „Town House“ ist eigentlich ein Treppen-Haus.
Alle zwei Jahre wird der Mies van der Rohe Award im Namen der Europäischen Union verliehen, anschließend gehen Preisträger und Endrundenteilnehmer (40 Projekte aus 532 Einreichungen) auf Ausstellungstournee. In diesem Jahr ist die einzige deutsche Station das Kölner LVR-Landeshaus am Kennedy-Ufer, was wahrscheinlich gar nichts bedeuten soll. Aber vielleicht hat sich ja auch bis nach Brüssel herumgesprochen, dass Köln ein bisschen architektonische Nachhilfe vertragen kann.
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Tatsächlich bieten die 40 Projekte durchweg Anschauungsmaterial, wie man es (besser) machen kann, ganz gleich, ob es um Wohnungsbau, Schulbau, Stadtplanung oder Umnutzung geht. Aus Deutschland ist mit David Chipperfields generalüberholter Neuer Nationalgalerie in Berlin auch ein klassischer Prestigebau dabei, der zudem vom Namensgeber des Preises entworfen wurde. Ansonsten beschränken sich die Mies-Referenzen auf die knochige Ausstellungsarchitektur (bedruckte Vorhänge auf Stahlrahmen, dazu Modelle sowie Videobildschirme) und auf die Abwesenheit historisierender Architektur. Satteldächer wird man hier nicht unbedingt in der engeren Auswahl erwarten, aber es gibt sie, und zwar als Veredelung eines vertikalen Bauernhofes in der französischen Kleinstadt Romainville.
Mit Baukooperativen wie Frizz 23 gegen die Gentrifizierung
Das hochgeschossene Gewächshaus des Architekturbüros ilimelgo liegt im Trend. Auch anderswo sollen die mutmaßlichen Vorzüge ländlicher und dörflicher Strukturen (Naturnähe, kurze Lieferwege, enges Gemeinwesen) auf die Städte übertragen werden: mit einer begrünten Railway Farm in Paris etwa oder Baukooperativen wie Frizz 23 in Berlin. Allein neun Beiträge zeigen kollektive Wohnprojekte. Sie gelten als Hoffnungsträger gegen die fortschreitende Gentrifizierung, treiben diese aber wohl selbst auch mit voran – günstig dürften die Gebäude dem Augenschein nach jedenfalls nicht gewesen sein. Im sozialen Wohnungsbau fand die Jury dagegen wenig Preiswürdiges. Eine Ausnahme ist das radikale Reißbrett-Projekt (sämtliche Räume messen 13 Quadratmeter) im spanischen Cornellà de Llobregat.
Sofortmaßnahmen für die Kölner Innenstadt lassen sich daraus leider nicht ableiten. Ganz praktisch könnte der gläserne Sarkophag sein, den CarmodyGroarke über das bröckelnde Hill House von Charles Rennie Mackintosh gestülpt haben. Mit einer solchen Sanierungs-Box ließe sich auch die Kölner Opernbaustelle deutlich opulenter inszenieren.
„Mies van der Rohe Award 2022“, LVR-Landeshaus, Kennedy-Ufer 2, Köln, Di. 12-19 Uhr, Mi.-Sa. 10-18 Uhr, bis 13. Juli. Eintritt frei.