Nach drei AbsagenSo lief der Themenabend über Rassismus im WDR
Köln – Das Bedürfnis nach Wiedergutmachung nach der desaströsen Talkshow „Die letzte Instanz“ ist offensichtlich groß im WDR. Zwar hat es fast zwei Monate gedauert, bis der Sender einen Abend zum Thema Rassismus auf die Beine gestellt hatte, doch dafür räumte er am Donnerstagabend dann gleich zweieinhalb Stunden frei.
„Wir wollen den WDR nicht reinwaschen, sondern dazulernen“, beteuerte Moderator Till Nassif gleich zu Beginn und Jörg Schönenborn, Programmdirektor Information, Fiktion und Unterhaltung, zeigte sich mit Blick auf die rassistische Debatte, die in „Die letzte Instanz“ geführt worden war, „ tief beschämt“.
Drei Absagen
Doch guter Wille allein reicht eben meistens nicht. Und so kam es im Vorfeld der Talkrunde zu großen Irritationen bei drei eingeladenen schwarzen Frauen, die daraufhin ihre Zusage kurzfristig zurückzogen. „Ich hatte zugesagt, am WDR-Themenabend teilzunehmen. Mein Part: medienkritisch über Rassismus und diversitätssensible Berichterstattung sprechen. Gestern wurde mir überraschend mitgeteilt, dass sich ein Thema und meine Rolle damit geändert haben - ohne Rücksprache mit mir darüber zu halten. Unter diesen Umständen will und kann ich mit Blick auf die im Raum stehende Kritik am WDR, nicht teilnehmen“, schrieb die Journalistin Hadija Haruna-Oelker bei Twitter.
Tayo Awosusi-Onutor hatte dem Onlinemagazin „Übermedien“ gesagt, sie habe trotz einiger Bedenken ihre Teilnahme zunächst zugesagt, um eine breite Öffentlichkeit für Perspektiven von Roma und Sinti zu erreichen. Doch erst am Montag habe sie die Konstellation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfahren, und nur zufällig den ursprünglich geplanten Sendungstitel. Der Ablauf sei unklar gewesen. Alles habe sie schließlich in ihrer Kritik bestätigt: „Der Sender will nicht rassistisch geprägte Strukturen angehen.“
Den Titel „Freiheit, Gleichheit, Hautfarbe – Warum Rassismus mit uns allen zu tun hat“ änderte der WDR zwar noch kurzerhand in „Warum hat Rassismus mit uns allen zu tun?“, doch an den Absagen, die wie wie Haruna Oelker im Laufe des Abends per Twitter betonte, nicht aufgrund des Titels erfolgt seien, konnte das nichts ändern. Auch die Comedian Enissa Amani, die sehr kurzfristig eine eigene, sehr sehenswerte Online-Talkshow nach dem Eklat auf die Beine gestellt hatte, wollte bei dem „Reinwaschungs-Talk“ übrigens nicht mitmachen.
Nicht die besten Voraussetzungen für den Abend also. Der WDR suchte Ersatz und fand ihn in Sheila Mysorekar, der Vorsitzenden des Vereins Neue deutsche Medienmacher, und der Wissenschaftlerin und Sinteza-Aktivistin Roxanna-Lorraine Witt und dem PoC (People of Color)-Aktivsten Charles. Zudem diskutierten der Soziologe Aladin El-Mafaalani und die Philosophin Svenja Flaßpöhler mit.
Roxanna-Lorraine Witt schilderte, wie Rassismus in Familien wirkt, wenn etwa in ihrem Fall ihre Großmutter, eine Überlebende des Holocaust, im Schlaf regelmäßig geschrien habe. Durch „gewaltvolle“ Sendungen wie „Die letzte Instanz“ erlebten Betroffene „ein Gefühl der Machtlosigkeit“.
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Flaßpöhler wollte hingegen lieber Fragen wie die besprechen, ob nur eine schwarze Frau Texte einer schwarzen Autorin übersetzen darf, wie es jüngst im Fall der Lyrikerin Amanda Gorman diskutiert wurde. Dagegen argumentiert Witt, es gehe darum, Menschen Teilhabe zu garantieren, die diesen jahrhundertelang verwehrt wurde.
Wie genau man das erreicht, war eine der Kernfragen des Abends, bei dem Moderator Nassif irgendwann erkennen musste, dass es eben keine einfache Antwort auf die Frage gibt, wie wir Rassismus bekämpfen. Sheila Mysorekar betonte, Redaktionen müssten diverser besetzt seien, nur dann würden auch die Themen besprochen und richtig beleuchtet, über die es zu sprechen gilt.
„Es wird nicht gemütlicher“
Der Soziologe El-Mafaalani sagte, die Gesellschaft habe sich schon verändert, vor zehn Jahren wäre eine Sendung wie „Die letzte Instanz“ nach seiner Einschätzung ganz normal gewesen. Die Sensibilität habe zugenommen. Aber er prognostizierte auch, dass die Debatte noch sehr hitzig werden wird, „denn wenn immer mehr Leute am Tisch sitzen und auch ein Stück vom Kuchen haben wollen, wird es nicht gemütlicher. Und wenn diese Menschen sogar fragen, ob dass der richtige Kuchen ist und ob sich das Rezept nicht ändern sollte, wird es Streit geben".
Eindrucksvoll waren die Einspieler, die immer wieder gezeigt wurden. Darin berichtete etwa eine Soldatin, die im Einsatz ihr Leben riskiert, dass viele Menschen ihr absprechen, deutsch zu sein, weil ihre Eltern aus Marokko stammen. Eine schwarze Pflegerin berichtete über Alltagsrassismus und wie er ihre Kinder beeinflusst, ein Schauspieler sprach über erschütternde Rassismuserfahrungen am Schauspiel Düsseldorf.
Es war ein langer, ein anstrengender Abend im WDR, bei dem der öffentlich-rechtliche Sender längst nicht alles richtig gemacht hat, bei dem auch viele Aspekte nur angerissen wurden. Jeder weiß, dass Reden allein den strukturellen Rassismus in unserem Land nicht beenden wird. Aber es war ein guter Anfang, um das Thema auch Menschen näherzubringen, die sich sonst nicht damit beschäftigen. Aber es darf nicht bei diesem Themenabend bleiben.