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Nachruf auf Martin PerscheidDer Tod ist ein Depp

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Perscheid

Cartoonist Martin Perscheid ist im Alter von 55 Jahren gestorben. (Archivbild)

Köln/Wesseling – Der Tod ist ein Depp. Er hat sich Martin Perscheid geholt, vielleicht aus Rache, weil ihn der Cartoonist gerne als ebensolchen gezeichnet hat: Der unterbelichtete Sensemann, dem der Harkenstiel ins Gesicht schlägt, während er einem Hobbygärtner nachstellt. „Och nö“, ärgert sich der Tod und der Heckenschneider im Vordergrund bemerkt erst jetzt, wer da die ganze Zeit in seinem Rücken gelauert hat, seine Glubschaugen verraten Panik.

Das ist Perscheids große Kunst in einem Bild: Wer sonst könnte aus dem ältesten Slapstick-Gag der Welt so viel Tiefe schürfen?

Perscheid zeichnete fast 4500 Werke

In der Nacht zum 31. Juli hat der Zeichner aus Wesseling, das gaben am Donnerstag der Lappan Verlag und die Caricatura Galerie Kassel im Namen seiner Familie bekannt, den Kampf gegen den Krebs verloren. Er wurde nur 55 Jahre alt.Es bleibt ein gewaltiges Werk. Fast 4500 Zeichnungen hat er unter dem Titel „Perscheids Abgründe“ veröffentlicht, eine wahre Enzyklopädie des knollennasigen Deppen – zu erkennen an Glatze und blickdichter Brille – in uns allen: „Ich kann nicht schwimmen!“, ruft ein ertrinkender Idiot im Pool.

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Davor steht ein ebensolcher, der mit dumpfer Gemütskälte antwortet: „Soll ich ihnen das jetzt beibringen, oder was?“„Perscheids Humor“, ruft ihm Lappan-Programmleiterin Antje Haubner, „war nicht erfrischend, er war schwarz. Er wollte mit seinen Cartoons nicht nur spielen, sondern zubeißen. Dort, wo es wehtut und wo andere sich lieber wegducken, weil es kaum auszuhalten ist.“

Cartoons wurden politischer und bissiger

Mit den Jahren sind Martin Perscheids Cartoons zunehmend politisch und immer bissiger geworden, eine direkte Abwehrreaktion auf die anwachsenden Zumutungen der allgemeinen Vertrottelung.

Man betrachte etwa die Zeichnung von der zweifachen Mutter Nadine, die endlich einen Kinderarzt gefunden hat, der sie versteht: „Nein, sie müssen ihre Kinder nicht impfen lassen“, beruhigt sie der Volldepp in Weiß. „Sollte eine Epidemie ausbrechen, dann verbrennen wir einfach eine Hexe!“ Der Cartoon ist von 2017.

Martin Perscheids Rückzugsort war ausgerechnet das als wenig idyllisch verschriene Wesseling. Hier ist er geboren worden, und hier flüchtete sich der gelernte Druckvorlagenhersteller nach einer kurzen Zeit bei einer Kölner Agentur mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen auch schnell wieder hin, reparierte Motorräder, wie es bereits sein Vater getan hatte, saß in seinem Garten und zeichnete unermüdlich gegen die Dummheit an. Die hat nun einmal mehr gewonnen. Ach, der Tod ist ein Depp.