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Aufstieg und Fall der Stadt MahagonnyOpfer der Ahrtal-Flutkatastrophe auf der Bühne

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Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny. 

Bonn – Der Theater- und Opernregisseur Volker Lösch hat ein Faible für politische Botschaften. In legendärer Erinnerung bleibt seine Bonner „Fidelio“-Inszenierung von 2020, die er mit einem so eindringlichen wie auch szenisch wirksamen Appell zugunsten der politischen Gefangenen in der Türkei verband. Pizarro gleich Erdogan. Der kaum zu bestreitende Vorteil solcher Aneignungen von kulturellem Traditionsgut: Dem angeblich verstaubten Genre Oper wächst eine aktuelle – und schmerzhafte – politische Relevanz jenseits eines neutralisierten kulinarischen Feierabendvergnügens zu. Freunde dieser Kunstform müssten das eigentlich inbrünstig begrüßen, auch wenn ihnen Löschs agitatorische Holzhammer-Methoden vielleicht nicht immer schmecken.

Im Fall von „Fidelio“ funktionierte dieser Zugang gerade vom Werk her recht gut: Es ist eine Befreiungsoper, deren Idee – leider, wie man sagen muss – nicht veraltet, mögen die historischen Kontexte auch wechseln. Bei „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“, Brechts und Weills Oper von 1930, die jetzt ebenfalls in Bonn Premiere hatte, funktioniert es weniger gut. Da drängt sich der Eindruck auf, dass Lösch seine Stoffe gleichsam kapert – oder muss man schon sagen: „feindlich übernimmt“? –, um nur ja die politische Message an den Mann und an die Frau zu bringen.

Zerstörung durch Kapitalismus und Ahrtal-Flut unter einem Hut

Dabei ist sie, die Message, aller Ehren wert, so einseitig sie sein mag: Es geht um die 2021er Flutkatastrophe im Ahrtal und ihre fehlende bzw. falsche Aufarbeitung. Immer wieder und gegen Ende der Produktion verstärkt werden Video-Statements von Betroffenen ganz unterschiedlicher Herkunft und Profession aus der Region eingeblendet – am Schluss stehen sogar ihrer drei leibhaftig auf der Bühne –, die eindringlich dartun, wie wenig Politik, Verwaltung, aber auch die „einfachen Bürger“ geneigt sind, die zerstörerische Flut als Menetekel der heraufziehenden Menschheitskatastrophe im Zeichen des Klimawandels zu begreifen und entsprechend zu handeln. Man baut es wieder so auf, wie es vorher war, und tut ansonsten so, als sei nichts gewesen.

So weit, so schlecht. Nur: Was hat das mit „Mahagonny“ zu tun? Brecht/Weills von Gangstern in der amerikanischen Wüste gegründete Goldgräberstadt, in der es nur ein Verbrechen gibt: nicht bezahlen zu können, ist bekanntlich eine Parabel, eine surreale Allegorie auf den Kapitalismus und seine vielfältigen auch autodestruktiven Strukturen und Ausbeutungsverhältnisse. Das Gemeinsame von Ahrtal und Mahagonny? Es soll wohl dieses sein: Die – besser: die meisten – Bewohner wissen die Zeichen eines bevorstehenden Untergangs nicht zu lesen und machen bis zur definitiven Selbstvernichtung weiter.

Volker Löschs Inszenierung teilt Kurt Weils Oper in zwei Teile

Ganz allgemein kann man als tertium comparationis die zerstörerische Dynamik einer kapitalistischen Weltzivilisation annehmen – wobei Mahagonny noch nicht von einem Ökologie-Desaster ereilt wird, auch der vorüberziehende Taifun kündigt es nicht an. Dieses Vergleichsmotiv ist freilich in der Tat sehr, sehr allgemein. Es passt auf der Höhe dieses Abstraktionsgrades wahrscheinlich sehr oft und wird dadurch unverbindlich und beliebig.

So fällt die Bonner Produktion in zwei Teile auseinander, die für sich genommen durchaus zu überzeugen vermögen. Das Urteil gilt also nicht nur für die Ahr-Passagen, sondern auch für die „eigentliche“ Oper. Zentrales Element von Löschs Bühne (Carola Reuther) ist ein riesiger links postierter Rundspiegel, auf dem die Bühnenvorgänge aus einer gleichsam kosmischen Distanz noch einmal erscheinen (de facto ist er ein Videoscreen, der auch bühnenfremde Realmotive einfängt).

„Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ mit überzeugender Besetzung

Auf der Bühne selbst ist wiederholt als Symbol einer Wohlstands- und Konsumwelt, deren schäbige Trümmer sich am Schluss wie nach einem Tsunami türmen, ein alter weißer Mercedes zu sehen. Die Farbe Weiß, die mehr und mehr ins Gipserne rutscht, steht hier offenkundig für zukunftslose Erstarrung. In dieses Ambiente stellt Lösch nun ein lebhaftes Figurenspiel mit vielen zynisch-amüsanten Details, das auch Brecht/Weills deftige Revue-Elemente nach Kräften ausreizt. Das alles trägt auch ohne Ahrtal mühelos über knapp drei Stunden hinweg.

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Das sehr agile Personal singt mit Verstärkung, so dass die Beurteilung der sängerischen Leistungen etwas „hängen“ muss. Dem überzeugenden Gesamteindruck setzen womöglich Matthias Klink und Natalie Karl (die auch privat liiert sind) als Liebespaar Jim und Jenny die Krone auf. Mit dröhnender Gewalt wartet der Opernchor, mit aggressiver, rhythmisch angespitzter Brillanz das Beethoven Orchester unter Dirk Kaftan auf. Inbrünstiger Beifall am Schluss der Premiere, ganz wenige Buhs.

Zur Veranstaltung

Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny, von Kurt Weil. Libretto von Bertolt Brecht.

Nächste Aufführungen: 17. September, 2., 13. Oktober, 2., 12. November