phil.CologneKlima-Diskussion mit Luisa Neubauer wird zu Gespräch der Generationen
Köln – Unplausibel – so sieht Moderator Wolfram Eilenberger mehrere Stellen des Buchs „Noch haben wir die Wahl“, geschrieben von Luisa Neubauer und Bernd Ulrich. Das lassen die „Fridays for Future“-Aktivistin und der stellvertretende Chefredakteur der „Zeit“ natürlich nicht so stehen.
Es ist der zweite Eröffnungsabend der phil.Cologne am Freitagabend in den Köln-Ehrenfelder Balloni-Hallen und es geht um unser Klima und unsere Zukunft. Tagesaktuelle und stark umstrittene Themen also.
Eilenberger ordnet sich zusammen mit dem 1960 geborenen Ulrich ins Lager der Generation ein, die hauptverantwortlich für den Klimawandel sei. Die 25-Jährige Neubauer wird dagegen als junge Aufklärerin in kantischer Tradition positioniert. So sieht sie sich aber nicht ganz – ihr Fokus liege immer noch auf dem Klima-Aktivismus.
Und zum Klima hat Neubauer einiges zu sagen. Es sei ein großes Problem, dass im Klimadiskurs wichtige Bereiche wie das Artensterben ausgeklammert würden. So sterbe 80 Prozent des deutschen Waldes, aber die Politik reagiere nicht. Neben den ökologischen Kipppunkten spricht Neubauer auch von sozialen Kipppunkten, die für den Klimawandel beachtetet werden müssten.
Scharfe Kritik an der Industrie
Sie übt auch scharfe Kritik an der Industrie und dem Lobbyismus in der Politik. Die Industrie spiele die Bürger und Bürgerinnen gegeneinander aus. Dem Einzelnen werde dabei fälschlich beigebracht, dass sie vor allem auf ihren eigenen ökologischen Fußabdruck achten müssten.
Dabei kämen 71 Prozent der Emissionen von Konzernen. Damit sich wirklich etwas ändere, müsse ein politisch getriebener, systemischer Wandel her, der dann zu individuellen Änderungen führe.
Grundsätzlich sind sich Luisa Neubauer und Bernd Ulrich einig. Nur bei dem Punkt, was die Bundesregierung in den letzten Jahrzehnten erreicht hat, gehen die Meinungen auseinander. Neubauer sagt, es wäre trotz der Möglichkeit zu Handeln viel zu wenig getan wurden. Ulrich dagegen sieht eine Vielzahl von Verbesserungen.
Moderator Wolfram Eilenberger bemerkt kritisch, dass die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Klimawandel, die die Co-Autoren in ihrem Buch zitieren, wohl unmöglich umsetzbar seien. Beide verweisen leicht genervt darauf, dass im Klimadiskurs häufig entweder nicht die Dringlichkeit gesehen werde oder die Unmöglichkeit der Einflussnahme als Ausflucht genutzt würde. Nicht aufgeregt-hitzig, aber kontrovers und spannend ist der Gedankenaustausch an diesem Abend – und regt zum Weiterdenken an.
Trend-Begriff „Resilienz“
Am Samstag ging die Debatte in den Balloni-Hallen zwischen dem Soziologen Andreas Reckwitz und der Philosophin Svenja Flaßpöhler weiter – und obwohl das Thema dieses Abends ein völlig anderes ist („Was macht uns resilient?“) lässt auch hier der Klimawandel grüßen.
Denn beim Trend-Begriff „Resilienz“ geht es um Widerstandskraft in Krisen – wie eben die Klima-Krise oder die Corona-Pandemie. Andreas Reckwitz ist es wichtig, dass Resilienz zwar notwendig, aber keinesfalls ein Allheilmittel ist – weder für Gesellschaften noch für Individuen.
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Denn wer sich möglichst gut gegen alles wappne, reagiere nur auf die Umwelt, anstatt sie aktiv zu gestalten, setze auf „Anpassung statt Veränderung“. Diese „Normalisierung negativer Zukunftserwartungen“ sei riskant – wenn auch die ungetrübte Fortschrittsgläubigkeit früherer Jahrzehnte sicherlich naiv gewesen sei.
Weniger Schwarz-Weiß
Letztlich gehe es um eine Balance zwischen der Vermeidung des Negativen und dem Anstreben des Positiven, so Reckwitz. Beides müsse sich ja nicht zwangsläufig ausschließen. Er sieht die Lösung daher in weniger Schwarz-Weiß und mehr „Ambiguitätstoleranz“.
Ganz so einfach festnageln lässt sich auch der Begriff „Resilienz“ in der Debatte nicht. Ist er politisch eher links oder rechts einzuordnen? Steht er für den zwanghaften Trend zur Selbstoptimierung oder für den Schutz einer sensibler gewordenen Krisen-Gesellschaft?
Am Ende des Gesprächs ist nur eines klar: Das Wort Resilienz ist selbst sehr widerstandsfähig gegen allzu eindeutige Zuschreibungen – und lässt sich nicht so leicht in eine Denk-Schublade zwängen.