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Nimm das, Helene Fischer!Pink feiert gewaltige Zirkus-Show bei Köln-Konzert im Stadion

Lesezeit 5 Minuten
Sängerin Pink hängt gemeinsam mit zwei Tänzern an einem Seil von einer Decke.

Pink hat im Rhein-Energie-Stadion am Samstagabend ihr erstes von zwei Konzerten in Köln gespielt.

Zwei Abende in Folge tritt Pink in Köln auf. Schon bei ihrem ersten Konzert am Samstag bricht im Rhein-Energie-Stadion der Wahnsinn aus.

Ist es ein Vogel? Ist es ein Flugzeug? Nein, es ist Pink, die hier durchs Rhein-Energie-Stadion fliegt, in der Luft Pirouetten dreht, den Menschen auf den Tribünen zuwinkt, bevor sie im Handstand auf einem aus dem im Innenraum ragenden Pfeiler landet. Man traut seinen Augen kaum. Eine Superfrau. Es ist der Höhepunkt ihres knapp zweistündigen Konzerts in Köln.

Dabei ist diese tolldreiste Ansage an die Schwerkraft nur ein weiterer Ausdruck von dem, was Pink als Performerin so ungemein anziehend macht. Ob sie sich nun an Stahlseile hakt oder vom äußerst radiofreundlichen Format ihrer Pop- und Rocksongs fesseln lässt, stets scheint sie in diesen Ketten, ja, nicht nur zu tanzen, sondern ungebremst abzuheben.

Pink in Köln: Schau her, wenn ich fliegen kann, dann kannst du das auch

Nicht, oder zumindest nicht vordringlich, um sich von ihren Fans bestaunen zu lassen. Sondern als Best-Practice-Beispiel: Du fühlst dich hin- und hergerissen? Dein Alltag zwängt dich in den immer gleichen Rhythmus? Das Leben drückt dich auf den Boden? So what? Schau her, wenn ich fliegen kann, dann kannst du das auch.

Sängerin Pink steht auf Bühnenteil, das einen Mund mit Zähnen darstellen soll.

Pink hat im Rhein-Energie-Stadion am Samstagabend ihr erstes von zwei Konzerten in Köln gespielt.

Denn während sie kreuz und quer durch den Müngersdorfer Abendhimmel tinkerbellt, singt sie ja auch noch, mit Nachdruck und dem mächtigsten Alt des Schaugeschäfts. Und eigentlich erzählt ihr Lied von einer sitzengelassenen Frau. Er hat sie fallengelassen, sie steigt trotzdem hoch hinauf, aus eigener Kraft: „I‘m still a rock star, I got my rock moves.“

Mit 43 Jahren ist Pink in der Form ihres Lebens

Schon der Anfang der Show zeigt diese Selbstermächtigungs-Akrobatik: Punkt halb neun fokussieren sich 42.000 Augenpaare auf den roten Mund, der weit oben unterm Bühnendach hängt. Dann öffnen sich seine Lippen und zwischen den Zähnen erscheint die als Alecia Moore geborene Sängerin. Feist lachend, die Arme ausgestreckt, die Finger triumphal zur Pommesgabel gekrümmt.

Mit 43 Jahren ist Pink in der Form ihres Lebens und hat einen unwahrscheinlichen Karrierehöhepunkt erreicht: Sie kann, 22 Jahre nach ihrem ersten Hit und von der Kritik weitgehend unbeachtet, jedes Stadion auf der Welt zweimal ausverkaufen. So auch in Köln. Sie ist nicht hip, sie ist nahbar. Oder, wie sie selber singt: „Too school for cool.“

Pink-Konzert in Köln: Nimm das, Helene Fischer!

Prompt klappt der Mund wieder zu. Pink federt im silbern changierenden Trikot an Bungee-Seilen auf und ab, fordert „Get the Party Started“. Eine Hampelfrau. Ein Stehaufmädchen. Trotz des gut abgehangenen Fetenschlagers spielt sie keine Best-of-Show. Ihr aktuelles Album „Trustfall“ mag nicht ihr Bestes sein, aber für den zweiten Platz der US-Billboard-Charts hat es allemal gereicht. Jetzt legt sie einen kurzen Choreo-Stopp auf dem Boden ein, geht aber gleich wieder in die Luft, diesmal kopfüber an zwei Akrobaten hängend, die sich mit gespreizten Beinen in Ringen halten. Sie schlägt Purzelbäume. Und singt immer noch. Nimm das, Helene Fischer!

Auf der Bühne und im Innenraum ist derweil der Wahnsinn ausgebrochen. Luftballons, Hüpfbälle, Rollwägen in Flamingoform. Muskulöse Männer, die sich an Bananenstauden drehen. Später kommen noch pinke Einkaufswagen und Trampoline zum Einsatz. Was für ein Zirkus. Die Dekoration besteht aus pinken Bögen und silbernen Discopalmen, von denen, wie die Kokosnuss, eine dicke Discokugel zu Boden gefallen ist. Außerdem einer überdimensionalen umgekippten Eiswaffel, die wir mal glatt als Hommage an Claes Oldenburgs Neumarkt-Verzierung durchgehen lassen wollen. Ganz offensichtlich hat Pink mit ihrem „Summer Carnival“ in der genau richtigen Stadt Halt gemacht.

Aber bevor es irgendwem zu bunt wird, zeigt sie mit „Who Knew“ ihre wahre Stärke: die mitreißende Powerballade. Liest man den Text, trauert sie einer Beziehung hinterher, die ewig hätte halten sollen. Hört man sie singen, handelt das Lied eher davon, dass man auch nach solchen Liebesniederlagen wieder auf den Füßen landet. Dazu trägt sie eine Jacke mit Spikes an den Schulterpolstern.

Pink in Köln: „Vergesst Rammstein. Ich bin schon 48 Mal gecancelt worden“

Pinks waghalsige Stunts sind geradezu darauf angelegt, dass auch mal etwas schiefgehen kann. Es geht nicht um Perfektion, sondern darum, dass Fehler nicht das Ende der Welt bedeuten. Die Trapezübungen gelingen Pink an diesem Samstagabend tadellos, stattdessen tritt sie mit einer launig gemeinten Zwischenansage ins Fettnäpfchen. Merkt zu spät, dass ihre Rammstein-Anspielungen beim Publikum gar nicht gut ankommen: „Oh Gott, sind die gecancelt?“, fragt Pink, als sie endlich die kippelnde Stimmung erfasst. „Was haben die denn getan? Irgendwen in Brand gesetzt?“ Die Menge stöhnt, Pink gibt nach: „Okay, vergesst Rammstein. Wir mögen Rammstein nicht mehr.“ Dann fügt sie hinzu: „Ich bin schon 48 Mal gecancelt worden.“

Aber wer sollte Pink canceln wollen? Für zwei Stunden ist sie unsere beste Freundin. Eine, die Pride-Flaggen wehen lässt, aber auch bereitwillig alberne Dirndl-Schürzen anzieht, die ihr aus der Menge herangereicht werden. Wie überhaupt jedes Fan-Geschenk beachtet und geherzt wird. Der Favorit: ein Mini-Poolreifen mit Einhorn-Motiv zum Bierhalten.

Warum Pink kurz vor dem Höhepunkt abbremst, bleibt ihr Geheimnis

Zum Glück wirft ihr in Köln niemand, wie zuletzt im Londoner Hyde Park geschehen, die Asche seiner Mutter vor die Füße. Ihre Superkraft, inmitten einer minutiös durchgeplanten Show zu wirken, als wäre sie gerade zufällig in eine Partyrunde geplatzt, kann man trotzdem ausgiebig bewundern. Sie scherzt mit Zehntausenden – über verlaufendes Make-up, anstößige T-Shirt-Beschriftungen, ihre Schokoladen-Sucht – und jedermensch fühlt sich angesprochen.

Es gibt auch ruhige Momente, etwa wenn sie sich ans Klavier (natürlich rosa) setzt und Bob Dylans „Make You Feel My Love“ anstimmt und alle diese Liebe spüren können. Und politische Momente, wenn sie zu „Irrelevant“ auf den Videowänden die großen Grabenkämpfe nicht nur der USA zeigt: Abtreibungsrechte, Waffengesetze, Black Lives Matter. „Girls just wanna have rights“, paraphrasiert Pink den alten Cindy-Lauper-Song.

Ach, und auch einen rätselhaften Augenblick: Warum Pink kurz vorm Höhepunkt abbremst, um die Sade-Ballade „No Ordinary Love“ zu covern, bleibt ihr Geheimnis. Gut so. Sie macht, was sie will. Sie ist kein Vogel, kein Flugzeug. Sondern ein Vorbild.