Trickst russisches Staatsfernsehen?Putins Dekret-Aufzeichnung war wohl nicht live
Berlin – Russlands Präsident Wladimir Putin könnte das Dekret über die Anerkennung der selbst ernannten „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk nach dpa-Erkenntnissen möglicherweise bereits Stunden vor der Ausstrahlung im russischen Staatsfernsehen unterschrieben haben. Auf den Fernsehbildern aus dem Kreml ist Putins Armbanduhr zu sehen, deren Stundenzeiger auf der Drei steht. Gesendet wurden die Aufnahmen im russischen Staatsfernsehen jedoch erst ab etwa 22.35 Uhr Moskauer Zeit. Zuvor war Putin dort bei einer Fernsehansprache zu sehen.
Auch die Sitzung des nationalen Sicherheitsrates Russlands, die das Staatsfernsehen ab etwa 17.00 Uhr Moskauer Zeit als angebliche Live-Übertragung ausstrahlte, könnte vorab aufgezeichnet worden sein. Auf Uhren von Teilnehmern, die im Video zu erkennen sind, steht der Stundenzeiger zwischen der Zwölf und der Zwei.
Zudem ist mindestens eine Sequenz in der Übertragung doppelt zu sehen: Sie zeigt unter anderem Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin als Zuhörer. Der identische Ausschnitt taucht als sogenanntes Schnittbild im Abstand von rund 20 Minuten zweimal auf.
Die Hinweise im Video wecken Zweifel daran, dass Putin eine Entscheidung zur Anerkennung der „Volksrepubliken“ als unabhängige Staaten erst nach der Sitzung des Sicherheitsrats traf. Gegen Ende der angeblichen Live-Übertragung am frühen Abend hatte Putin eine solche Entscheidung lediglich angekündigt.
Russisches Fernsehen spricht von Live-Übertragung
Auf der Internetseite des russischen Staatsfernsehens wird der Mitschnitt weiter als Live-Übertragung bezeichnet. Auch die Deutsche Presse-Agentur hatte am Montag zunächst geschrieben, es habe sich um eine solche gehandelt. In den sozialen Netzwerken kamen aufgrund der sichtbaren Uhren aber rasch Vermutungen auf, dass es sich um eine Aufzeichnung und nicht um eine Live-Sendung handeln könnte.
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Am Montag hatte Putin per Dekret auch die Entsendung russischer Soldaten in die Ostukraine angewiesen. Russland hat nach westlichen Angaben etwa 150.000 Soldaten an der Grenze zum Nachbarland Ukraine zusammengezogen. Moskau widerspricht seit Wochen hartnäckig Befürchtungen des Westens, dass ein Einmarsch in die Ukraine bevorstehen könnte. Die Anerkennung der Volksrepubliken belastet die ohnehin gespannten Beziehungen weiter. Russland fordert von den USA einen militärischen Rückzug aus weiten Teilen Osteuropas und Verhandlungen über eine neue Sicherheitsarchitektur in Europa. (dpa)