Bei Markus Lanz im ZDF war am Mittwochabend SPD-Politiker Ralf Stegner zu Gast. Es ging um den Krieg gegen die Ukraine. Der Spitzenpolitiker wird vom Moderator direkt zum Einstieg mit der Frage konfrontiert, was denn eigentlich in seiner Partei los sei. Die Haltung des Bundeskanzlers Olaf Scholz sei zögerlich, was auch die Koalitionspartner FDP und Grüne inzwischen offen kritisierten.
Ökonom Clemens Fuest, neben Politologin Sabine Fischer und dem russischen Journalisten Tichon Dsjadko ebenfalls zu Gast, spricht bezüglich der Kanzler-Pressekonferenz vom Dienstag von einem „Offenbarungseid“, da Scholz inhaltlich nichts gesagt habe. Stegner verteidigt Scholz erwartungsgemäß. Der Kanzler sei dem Wohl des deutschen Volkes verpflichtet und müsse sich daher vorsichtig äußern.
Unterstützung der Ukraine: Lanz wirft Stegner Zynismus vor
Fischer fehlt in der Kommunikation des Kanzlers das „Signal der Entschlossenheit, das dringend nötig sei“. Lanz will genauer wissen, warum Scholz klare Worte vermeidet und so eine Angriffsfläche für viele bietet. Stegner sagt, er persönlich halte nicht viel von der Lieferung schwerer Waffen. Es gebe immer mehr zivile Opfer, „wenn so ein Krieg lange andauert“. Es müsse eine Eskalation des Krieges durch eine Beteiligung der Nato vermieden werden. Ohne die Nato allerdings sei der Krieg „militärisch vermutlich nicht zugunsten der Ukraine zu entscheiden“. Daher müsse es am Ende eine politische Lösung geben.
Lanz wirft Stegner Zynismus vor, wenn man den Ukrainern die Möglichkeit nehmen wolle, sich militärisch zu verteidigen. Stegner sagt: „Es wäre zynisch, wenn man davon ausgeht, dass der Krieg militärisch für die Ukraine zu entscheiden sei“. Nichts tun gehe allerdings auch nicht. Man habe scharfe Sanktionen verhängt.
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Fischer entgegnet mit klaren Worten, die Ukraine sei ein souveränes Land, welches das Recht habe, sich zu verteidigen. Es gehe darum, der Ukraine militärisch zu ermöglichen, sich in eine bessere Ausgangsposition für mögliche Verhandlungen zu bringen. In den ersten Kriegswochen habe sich gezeigt, dass die Ukraine sehr wohl erfolgreich Widerstand leisten könne.
Lanz und Fuest gehen Stegner hart an
Fuest bringt es auf den Punkt: „Wenn Sie sagen, die Ukraine kann den Krieg nur verlieren, sehen die das dann alle so in der Nato? Das ist doch unmöglich, das ist doch eine Einladung an Putin weiterzumachen! Das kann doch nicht die Ansicht der Nato sein!“ Lanz bohrt ebenfalls nach: „Was heißt das denn? Die Ukraine kann nicht gewinnen, und deshalb stellen wir am besten die Waffenlieferungen ein?“ Fuest meint sarkastisch, man würde also offenbar ein bisschen Waffen liefern, aber nicht so viel, dass man den Krieg gewinnen könne.
Stegner dementiert das natürlich, aber reitet sich argumentativ nur noch weiter ins Abseits. Als er zur verfehlten deutschen Russlandpolitik der Vergangenheit – über die Haltung bezüglich der Krim-Annexion bis hin zur Stiftung in Mecklenburg-Vorpommern – befragt wird, macht er auch keine wirklich bessere Figur. Man habe ja Fehler zugegeben, tut er das relativ lapidar ab.
Heftige Reaktionen auf Stegners Auftritt
Stegner Auftritt sorgt für überwiegend negative Reaktionen bei Twitter. User unterstellen ihm „Realitätsverlust“ und werfen ihm „Bevormundung“ der Ukraine vor. Der SPD-Politiker hätte sich „um Kopf und Kragen geredet“, meinen andere.
FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die selber am Vortag zu Gast bei Lanz war, kritisiert Stegner ebenfalls für seine Aussage, die Ukraine könne den Krieg nicht gewinnen. Strack-Zimmermann hatte wenige Tage zuvor mit anderen Abgeordneten der Ampel-Koalition die Ukraine besucht. Sie setzt sich für deutlich mehr Unterstützung des angegriffenen Landes ein und wirft der SPD, speziell Kanzler Olaf Scholz, Zögerlichkeit vor.
Stegner reagiert bei Facebook auf Kritik
Ralf Stegner äußerte sich am Donnerstagmorgen auf seinem Facebook-Account zu seinem Auftritt im ZDF. Er schreibt von einem „schwierigen moralischen Dilemma“ in der Ukraine-Frage. Die „plumpe Behauptung“, wer nicht für die Lieferung schwerer Waffen sei, sei ein „Lump“, weist er zurück. Zu den Fehlern der Vergangenheit sagt er, dass auch die Union ihren Anteil an der Russlandpolitik gehabt habe.
„Insgesamt hatte ich da einen schweren Stand, habe mich aber bemüht, auch die Gewissensfragen zu thematisieren und offen zu beschreiben, wie schwer manche Entscheidungen sind, wenn man sie verantwortlich treffen will“, so Stegner. Dann hat er noch einen Musiktipp für seine Follower, mit dem er offenbar Humor beweist: „Strandet“ von Van Morrison. (cme)