Die Nordirin Shelby Lynn erhob nach einem Rammstein-Konzert in Vilnius Vorwürfe und stieß so die Vorwurfs-Welle gegen Till Lindemann an.
Erstes TV-Interview zu VorwürfenShelby Lynn spricht über mutmaßliche Begegnung mit Till Lindemann
Shelby Lynn sitzt an einem Tisch und zeigt Handyvideos, entstanden offenbar auf einem Rammstein-Konzert in Vilnius – jenem Konzert, nachdem die 24-Jährige schwere Vorwürfe gegen Till Lindemann erhob, eine Anzeige erstattete und infolgedessen eine ganze Reihe weiterer Frauen auf den Plan rief, die über ihre Erfahrungen bei Rammstein-Konzerten berichteten.
Mit ernster Miene schaut sich Lynn die Bilder und Videos an, so beginnt ein Beitrag des ARD-Kulturmagazins „titel, thesen, temperamente“ (ttt) am Sonntagabend (11. Juni), der in der ARD-Mediathek bereits vor der Ausstrahlung im TV abrufbar ist. Reporterinnen von NDR und Süddeutsche Zeitung haben Shelby Lynn zu Hause getroffen und mit ihr dort gesprochen. Es ist ihr erstes Interview im deutschen Fernsehen. „Hausbesuch bei Shelby Lynn, der Frau, die sich mutig mit Rammstein angelegt hat“, stellt „ttt“ die Nordirin zu Beginn des Beitrages vor.
Shelby Lynn gibt erstes TV-Interview und bekräftigt Vorwürfe gegen Rammstein-Frontmann Till Lindemann
Tatsächlich brachte Lynn mit ihren Vorwürfen nach dem Konzert in Vilnius eine Berichterstattung ins Rollen, die inzwischen international Beachtung findet. Lynn hatte Ende Mai ein Foto von sich gepostet, auf dem ein großer blauer Fleck auf Hüfthöhe zu sehen ist. Ihr Vorwurf lautete, ihr sei etwas in ihren Drink gemischt worden. Sie suggerierte, dass der blaue Fleck im Rahmen des Rammstein-Konzerts – möglicherweise durch Gewalt – entstanden sei.
Im Interview, aus dem „ttt“ Auszüge zeigt, bekräftigt Shelby Lynn ihre Vorwürfe. Sie sei im litauischen Vilnius auf eine Pre-Party von Rammstein eingeladen, ihr und anderen Mädchen seien Drinks angeboten worden. In der Konzertpause sei sie dann in einen Raum unter der Bühne geführt worden, so Lynn.
Im Interview beschreibt sie die Szene so: „Till (Band-Frontmann Till Lindemann) kommt rein. Und ich sage sofort zu ihm: ‚Till, wenn du wegen Sex hier bist, ich möchte das nicht. Sex ist für mich etwas sehr Besonderes.‘ Da ist er sofort wütend geworden und hat geschrien: ‚Mir wurde gesagt, du wärst einverstanden‘. Ich habe wiederholt, dass ich nicht möchte. Er hat mich angebrüllt: ‚Das hast du schon gesagt‘“, so Lynn.
Rammstein-Sänger Till Lindemann weist die Vorwürfe gegen ihn zurück. In einem Schreiber der Berliner Rechtsanwälte Simon Bergmann und Christian Schert, die ihn seit vergangener Woche vertreten, heißt es: Es „wurde wiederholt behauptet, Frauen seien bei Konzerten von Rammstein mithilfe von K.o.-Tropfen beziehungsweise Alkohol betäubt worden, um unserem Mandanten zu ermöglichen, sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen zu können. Diese Vorwürfe sind ausnahmslos unwahr.“
Mehrere Frauen, die ihre Vorwürfe auch teilweise unter eidesstattlicher Aussage gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ und NDR, sowie dem „Spiegel“ bestätigten, behaupten etwas anderes. Sie berichten von einem System, in dem es laut Vorwürfen zu Machtmissbrauch und sexuellen Übergriffen gekommen sein soll.
Till Lindemann: Keine strafrechtlichen Ermittlungen gegen Rammstein-Sänger in Deutschland
Strafrechtliche Ermittlungen gegen Rammstein-Frontmann Till Lindemann gibt es derzeit nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ nicht. Wie am Wochenende bekannt wurde, hat die Polizei in Vilnius die Ermittlungen gegen Till Lindemann eingestellt. Die litauische Polizei teilte mit, es sei kein Hinweis auf ein Verbrechen erkennbar.
„Wir betreiben Sachaufklärung“, heißt es derweil aus dem Umfeld der Band. Eine Anwaltskanzlei wurde eingeschaltet, um die Aufklärung zu vertiefen. Bei den Konzerten in München war die „Row 0“, die Zone für Fans, die offenbar auch zu Pre- und Aftershow-Partys durften, für Fans geschlossen worden.
Shelby Lynn spricht in Interview über Rammstein-Konzert in Vilnius
Beim Konzert in Vilnius war das noch anders. Damals hielt sich Shelby Lynn in der „Row 0“ auf. Ihre blauen Flecken habe sie erst später im Hotel entdeckt – und keine Erklärung dafür gehabt. „Ich bin fast hundertprozentig sicher, dass ich Drogen bekommen habe“, sagt Shelby Lynn. „Weil ich mich in meinem gesamten Leben noch nie so gefühlt habe.“ An das Konzert könne sie sich nur bruchstückhaft erinnern, sagt sie im Interview. Die von ihr geschilderte Begegnung mit Lindemann gehöre zu den wenigen Momenten, an die sie sich gut erinnere.
In einem Bericht auf „tagesschau.de“ schildert Lynn, dass Till Lindemann nach der Abfuhr den kleinen Raum unter der Bühne durch einen Vorhang verlassen habe. Lynn habe eine kurze Zeit abgewartet und dann den Vorhang geöffnet, der 60-Jährige sei aber immer noch da gewesen und habe ihr deutlich gemacht, dass sie in dem Raum bleiben solle. Ihr „Nein“ habe er aber akzeptiert.
Lynn erhalte Morddrohungen, „fürchte aber nichts“, erzählt sie. „Es bricht mir das Herz für jede Frau, die zum Opfer geworden ist und Schlimmeres erlebt hat. Bringt mich vor Gericht. Ich habe keine Angst. Sie haben viel zu verlieren und eine Menge zu verbergen. Ich habe nichts zu verbergen“, so Lynn im ARD-Interview.
„Diese junge Frau aus Nordirland hat etwas angestoßen, dass der große Metoo-Skandal in der Musikindustrie werden könnte“, urteilt „ttt“ am Ende des am Sonntagabend erschienenen Beitrags. Es gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung.