Doris Dörrie erzählt bei der phil.cologne humorvoll und facettenreich über ihre Japan-Reisen. Richtig philosophisch wird es dabei aber nur selten.
Regisseurin und Schriftstellerin Doris Dörrie bei der phil.cologne„Japan ist ein Land voller Konventionen“
Doris Dörrie ist eine Frau der Reisen. Sie selbst sieht sich als Flâneuse – also eine Person, die durch die Welt flaniert und ständig unterwegs ist. Allein in Japan war die Regisseurin und Schriftstellerin bereits über dreißigmal, hat dort mehrere erfolgreiche Filme gedreht, unter anderem „Kirschblüten – Hanami“ (2008) sowie die Fortsetzung „Kirschblüten & Dämonen“ (2019). Auch viele ihrer Bücher erzählen von Reisen nach Japan. Eine ideale Person also, um über das fernöstliche Land zu sprechen.
Warum Reisen für Dörrie so wichtig sind
Erst einmal geht es jedoch um das Reisen an sich. Das ist für die Dörrie ganz stark mit Selbstreflexion verknüpft. Denn im Alltag zuhause hinterfrage man sein Verhalten so gut wie nie. Anders ist es an fremden Orten. Man kennt die Gepflogenheiten nicht und ist sich ebenso wenig bewusst, wenn man Fehler macht – bis einen die Einheimischen darauf hinweisen. „Es ist ein stückweises Verstehen, ein stückweises Aneignen der Fremde“, so die 69jährige. Letztlich mit der Hoffnung, anders, vielleicht besser zu werden als zuvor.
Gleichzeitig lernt man immer wieder Neues und erlebt Überraschendes. In Japan zum Beispiel habe sie die Stille beeindruckt: „In der U-Bahn telefoniert niemand. Es ist atemberaubend.“ Auch hat sie erst nach mehreren Reisen festgestellt, dass die Japaner ihr Essen nicht – wie hierzulande und in den Staaten üblich – auf den Straßen verzehren, sondern stets im Restaurant.
Warum ein westlicher Blick auf Japan scheitert
Zumeist locker und fröhlich tauscht sich Dörrie mit dem Moderator Knut Elstermann über die verschiedensten Facetten des japanischen Lebens aus. Dabei zieht die Regisseurin und Schriftstellerin mit ihren teils lustigen, teils peinlichen Anekdoten schnell das Publikum in den Balloni-Hallen in ihren Bann. Ebenso, wenn sie kurze Passagen aus ihren Romanen vorliest, in denen sie humorvoll über Japan und generell das Reisen reflektiert. Auch die Begeisterung des Moderators für die Gästin wird mehr als deutlich. Kritische Töne erklingen nur selten.
Doch es geht zwischendurch auch mal eine Nummer grundsätzlicher. So wird im Gespräch klar: Japan funktioniert völlig anders, ein gänzlich westlicher Blick scheitert. Beispielsweise beim Einfluss von Buddhismus und Shintoismus, die weit weniger philosophisch dicht sind als zum Beispiel das Christentum: „Einatmen, ausatmen, Klappe halten. Darum geht's vorallem“, so Dörrie, bevor sie über die Beseeltheit und die Geister spricht, die fester Bestandteil der japanischen Wirklichkeit sind und sich komplett dem westlich-aufklärerischen Weltbild entziehen.
Auch die Körperlichkeit in Japan sei eine ganz andere: Man hilft zum Beispiel älteren Menschen, wenn sie in die heißen Quellen steigen. Oder wechselt die Pantoffeln, je nachdem, ob man auf die Toilette geht oder ins Esszimmer.
Die japanische Kultur hat auch ihre Schattenseiten
Hin und wieder kommen im Gespräch auch Probleme der japanischen Lebenswelt zur Sprache. Die Gesellschaft sei, so Dörrie, immer noch sehr stark ritualisiert, die Freiheiten für Japanerinnen und Japaner sehr eingeschränkt. Dieses Sicherheitsbedürfnis, erklärt die 69jährige, habe auch damit zu tun, dass das Land ständig mit Naturkatastrophen und Erdbeben zu kämpfen habe. Daher sei in der japanischen Kultur auch das Thema „Vergänglichkeit“ so wichtig. Und der Versuch, das Flüchtige festzuhalten – zum Beispiel, wenn die Zeit der Kirschblüte anbricht.
Zudem sei die Gesellschaft noch sehr patriarchalisch aufgebaut, Sexismus daher ein großes Thema – zumal man dort nicht mit anderen über sein Privatleben sprechen würde. Umso besser, dass Doris Dörrie es tut, wenn sie als westliche Reisende mit den Leuten ins Gespräch kommt.
Dann geht der Moderator auf Dörries Leidenschaft für kleine Andenken ein, über die sie in ihrem neuesten Roman „Die Reisgöttin und andere Mitbringsel“ erzählt – und sie berichtet begeistert über eine hundert Jahre alte Feuerwehrmütze und eine Shakuhachi-Flöte, die sie in den kleinen 100-Yen-Shops des Landes erworben hat.
Insgesamt bleibt das Gespräch vor allem unterhaltsam und man vergisst schnell den Rahmen des Philosophiefests. Aber Lust auf das Reisen und die Faszination für das Fremde macht die Veranstaltung dennoch. Am Ende gibt Dörrie sogar noch einen Tipp für den nächsten Japanbesuch: „Einfach einen grünen Tee kaufen, sich an eine Straßenecke setzen und einen ganzen Tag lang den Leuten zuschauen.“
Die Ausstellung „Das japanische Glück“ ist noch bis zum 31. Juli im Japanischen Kulturinstitut zu sehen. Dort wird versucht, anhand von Objekten des alltäglichen Lebens zu veranschaulichen, wie Glück und japanische Ästhetik zusammenhängen. Weitere Infos zur Ausstellung finden sich hier.
Iniitiert wurde die Ausstellung unter anderem von der „Identity Foundation“, einer gemeinnützlichen Stiftung für Philosophie, die auch die Veranstaltung mit Doris Dörrie sowie einige andere der diesjährigen phil.cologne mitorganisiert hat.