AboAbonnieren

Sender-Chef Sascha Schwingel„Wir wollen Vox in eine neue Umlaufbahn katapultieren”

Lesezeit 9 Minuten
Sascha Schwingel2

Sascha Schwingel ist Geschäftsführer von Vox.

Herr Schwingel, Vox hat mit #VoxStimme ein neues, kurzes Format gestartet, in dem Prominente und Nicht-Prominente das Publikum direkt zu relevanten Themen ansprechen. Kann man damit wirklich etwas verändern oder geht es da vor allem um Imagepflege?

Sascha Schwingel: Veränderung entsteht ja oft aus vielen kleinen Schritten heraus und von verschiedenen Seiten. Wir haben uns bewusst dazu entschieden, jeden Tag einer anderen Person eine Plattform für ein Thema zu geben, das ihr oder ihm am Herzen liegt. So ein Format gab es bisher noch nicht. Zwei Minuten zu einer sehr aufmerksamkeitsstarken Sendezeit um 20.13 Uhr. Vox übernimmt Verantwortung. Ich glaube fest daran, dass wir damit etwas verändern können, wenn auch vielleicht nicht in Riesenschritten. Immerhin erreichen unsere VOX Stimmen über alle Kanäle ein Millionenpublikum.

Teilen Sie die Einschätzung, dass Unterhaltungsformate im Fernsehen zunehmend gesellschaftliche relevante Inhalte aufgreifen?

Unbedingt! Von genau solchen Formaten haben wir bei VOX bereits einige im Programm. Die Welt ist in einem nicht sehr guten Zustand und es ist auch unsere Verantwortung, bestenfalls zur Verbesserung beizutragen. Neben guter Unterhaltung wollen wir deshalb immer öfter auch Themen ansprechen, die die Menschen in Deutschland ernsthaft beschäftigen.

Deshalb starten Sie auch eine Woche, in der Sie sich dem Thema Female Empowerment widmen? Was genau erwartet uns da?

Wir nennen diese Woche #VOXforWomen. Unser Publikum besteht zum Großteil aus Frauen und für sie wollen wir uns einsetzen. Da ist die Idee entstanden, eine ganze Themenwoche zu machen, in der wir Frauen in den Fokus stellen und für Gleichberechtigung und alle Themen, die mit Female Empowerment zusammenhängen, werben. Wir haben einerseits unser reguläres Programm – zum Beispiel „Grill den Henssler“ – sehr stark auf dieses Thema ausgerichtet. Und wir haben mit „#VOXforWomen - Das Event“ am 1. November einen ganzen Abend gestaltet, der von Laura Wontorra moderiert wird. Mitinitiatorin ist Natalia Wörner, die an diesem Abend u.a. gemeinsam mit Haya Molcho, Riccardo Simonetti und Bestsellerautorin Sheila de Liz wichtige Themen wie sexuelle Aufklärung oder das Gender Pay Gap behandeln, Forderungen formulieren und diese auch nachhalten wollen. Das wird also keine einmalige Sache, der Hashtag #VOXforWomen wird uns weiterhin begleiten. Wir wollen dazu beitragen, dass sich etwas ändert.

Wenn Sie schon eine Female-Empowerment-Woche machen, ist es dann nicht ein Problem, dass man tendenziell eher Männer als Frauen als Aushängeschilder mit Vox in Verbindung bringt?

Wir sehen das als Ansporn. Amira Pocher kommt zu VOX und wird im nächsten Jahr gemeinsam mit Laura Dahm „Prominent!“ moderieren. Außerdem wird sie noch in diesem Jahr an unserem neuen „Feel Good Friday“ die Moderation der neuen Reality-Show „Die Superzwillinge“ übernehmen, die zusammen mit der ersten lesbischen Dating-Show „Princess Charming“ laufen wird. Wir haben Laura Wontorra im Programm und entwickeln gerade ein neues, sehr persönliches Format mit Nora Tschirner. Es freut uns sehr, dass wir neben unseren starken Männern auch immer mehr starke Frauen im Programm haben.

Sie sind jetzt bei einem Privatsender, kennen sich aber auch gut mit den Öffentlich-Rechtlichen aus. Früher hieß es: ARD und ZDF kümmern sich ums gesellschaftlich Relevante, die Privaten machen die Unterhaltung. Hat sich das verschoben?

VOX macht als Privatsender schon seit Jahren relevantes Fernsehen, zum Beispiel in mehrstündigen Dokumentationen. Dieses Feld haben wir in den letzten Jahren nochmal deutlich ausgebaut und werden das in Zukunft auch noch weiter tun.

Haben Sie diese Frage nach Relevanz immer im Hinterkopf, wenn Sie neue Formate entwickeln?

Ich finde, es muss im Gleichgewicht sein und passen. Ich freue mich kolossal, dass wir eine große Helene-Fischer-Dokumentation machen und mit Hape Kerkeling auf Reisen gehen. Vox ist Helene Fischer und Hape Kerkeling, aber auch Natalia Wörner und #VOXforWomen oder gerade aktuell „GewissensBisse? Das Fleischexperiment“.

VoxforWomen

Natalia Wörner wirkt bei #VOXforWomen mit.

Was konnten Sie Hape Kerkeling eigentlich bieten, das andere ihm nicht bieten konnten? Immerhin war er ja jahrelang gar nicht im Fernsehen zu sehen.

Ich habe vor zwei Jahren Kontakt zu ihm aufgenommen, da wir große Lust hatten, mit ihm zusammenzuarbeiten. Daraus ist ein Austausch entstanden und die gemeinsame Lust auf außergewöhnliche Inhalte und gutes Programm. Und es ist toll, dass wir in Kürze mit „Hape und die 7 Zwergstaaten“ und „Ein Abend mit Hape Kerkeling“ gleich zwei Formate mit ihm im VOX-Programm haben.

Sie arbeiten eng mit TVnow – bald RTL+ - zusammen. Ist das nur Segen oder auch Fluch? Immerhin können sie dadurch viele Inhalte nur zweitverwerten.

Beim Film war es ja auch schon immer so, dass er zuerst im Kino gezeigt und später im linearen Fernsehen zweitverwertet wurde. Neu ist, dass ein Streaming-Dienst einen Inhalt zuerst auswertet und er danach ins lineare Fernsehen kommt. Wir sehen das als große Chance, insbesondere in der Fiction. Wir können jetzt bei Vox nicht nur mehr, sondern auch absolut erstklassige Serien zeigen wie „Ferdinand von Schirach - Glauben“ oder „Torstraße 1“. Das sind riesige Budgets, das ist wirklich die große Oper. Das geht nur, weil wir mit TVNow zusammenarbeiten, TV und Streaming zusammen denken. Allein könnten wir solche großen Projekte nicht stemmen. Und es freut mich sehr, dass wir durch TVNOW mit unseren VOX-Inhalten ein noch größeres Publikum erreichen.

Sie haben ja ein paar sehr erfolgreiche Marken, die auch weitergeführt werden, beispielsweise „Kitchen Impossible“ und „Die Höhle der Löwen“, aber wie dringend muss da auch etwas ganz Neues nachkommen, etwas von dem man sagen kann, das ist jetzt das neue große Ding bei Vox?

Jeder will den nächsten großen Hit haben. Wenn es morgen passieren würde, würde ich mich nicht beklagen. Unsere Teams arbeiten auf Hochtouren daran. Die Anzahl unserer VOX-Eigenentwicklungen ist höher denn je und mit „Mälzer und Henssler liefern ab!“ ist gerade ein neues Format, das wir gemeinsam mit Endemol Shine entwickelt haben, sehr erfolgreich gestartet. Mit „Showtime of my Life - Stars gegen Krebs“, einer VOX-Show, die gerade mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurde, haben wir Anfang des Jahres ein weiteres neues Programm erfolgreich etabliert. Wir stecken also sehr viel Energie in dieses Ziel, genauso wie in die Pflege unserer großen Programmmarken. Diese Arbeit wird häufig unterschätzt. Ein langlaufendes Format frisch zu halten, ist eine chirurgische Höchstleistung. Und um als Sender erfolgreich zu sein, braucht man eine gute Mischung aus beidem.

Das könnte Sie auch interessieren:

Wie groß ist der Konkurrenzdruck? Auch in Bezug auf RTL?

Die Konkurrenz war nie größer als heute. Noch nie wurde so viel Bewegtbild angeboten, noch nie kamen so viele neue Medienangebote hinzu. Die Menschen hören Podcasts, schauen Bewegtbild mobil und zu Hause vor dem Fernseher. Der Wettbewerb um die Aufmerksamkeit des Publikums ist enorm, auch um Talente und Personal. Für diese spannende Aufgabe fühlen wir uns bei VOX als Teil von RTL Deutschland und im Verbund der Bertelsmann Content Alliance sehr gut aufgestellt.

Die Sender verlieren ihre Vormachtstellung?

Wir müssen uns von viel Gewohntem verabschieden. Überall entstehen mediale Inhalte, auf unterschiedlichen Plattformen in vielfältiger Qualität. Das ist die große Veränderung, die einen Transformationsprozess ausgelöst hat, der durch die Pandemie nochmal beschleunigt wurde. Aber am Ende des Tages bin ich davon überzeugt, dass es um die besten Inhalte geht. Inhalte, die Menschen berühren und eine Relevanz für sie haben. Und da haben wir bei VOX eine große Bühne, die wir sinnvoll und erfolgreich nutzen.

Welchen Einfluss hat es auf Vox, dass RTL Gruner+Jahr übernommen hat?

Wir leben das Miteinander längst, indem wir z.B. gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen aus Hamburg die Marke „Guidos Deko Queen“ erfolgreich etabliert haben oder aktuell mit dem „Stern“ eine große Langzeitdokumentation zur Flutkatastrophe machen. Unser Feld erweitert sich sukzessive um starke Marken und tolle Menschen. Deshalb sehen wir das als Riesenchance und als Möglichkeit, gemeinsam zu wachsen und unsere Reichweiten zu erhöhen. Ich freue mich total, weil der Spielplatz größer wird. Wenn man Print und Bewegtbild ebenso wie Digital oder Audio klug vernetzt, können wir noch viel mehr Menschen erreichen, was einzigartig ist.

Wobei ja viel in Bewegung ist und bei RTL Deutschland auch große Unsicherheit herrscht, wie es jetzt weiter geht.

Veränderung ist immer mit vielen offenen Fragen belegt, aber eben auch mit großer Neugier und schließlich der beste Weg, um voranzukommen und noch besser zu werden. Insofern ist es meine Aufgabe als VOX-Chef, die Chancen zu erkennen, die sich uns bieten. Wir könnten die Flut-Doku allein machen, aber ich bin fest davon überzeugt, dass wir sie gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen vom „Stern“ besser machen und insgesamt mehr Menschen für ein so wichtiges Thema erreichen.

Bernd Reichart hatte als ehemaliger Vox-Chef ja automatisch eine Nähe zu Ihrem Sender. Was erwarten Sie von dem neuen Führungsduo Stephan Schäfer und Matthias Dang?

Es ist eine unglaubliche Dynamik im Markt ebenso wie in unserem Unternehmen. Das Führungsteam, mit dem ich ja bereits eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet habe, steht weiterhin für einen klaren Kompass, damit wir wissen, in welche Richtung wir gemeinsam gehen. Denn dann kann ich mich auf die Arbeit konzentrieren und weiß: Dahinten ist das Ziel, darauf arbeiten wir zusammen hin.

Und welche Ziele für Vox gibt Ihnen ihr eigener Kompass vor?

Als ich vor zwei Jahren zu VOX kam, habe ich eine Perle geerbt. Bernd Reichart hat den Sender zusammen mit dem ganzen Team hervorragend aufgestellt. Unser Ziel war es, diese Perle weiterzuentwickeln und bei den Zuschauerinnen und Zuschauern noch präsenter zu machen. Ich habe bei meinem Amtsantritt gesagt, dass wir bei den 14- bis 49-Jährigen den 3. Platz unter den Privatsendern erobern wollen. Das gab es bis dahin noch nie. In diesem Jahr haben wir dieses Ziel jetzt schon dreimal erreicht und wir konnten bereits siebenmal den Tagessieg unter allen Sendern verbuchen. Jetzt sind wir mit noch mehr hochkarätigen Talenten, inspirierenden Themen und aufmerksamkeitsstarken Inszenierungen unterwegs auf die nächste Ebene. Wir wollen Vox in eine neue Umlaufbahn katapultieren.