Im neuesten Münchener Tatort suchen die Ermittler einen Serienkiller. Trotz einiger Stärken dürfte es kein Fall sein, an den man sich lange erinnert
So war der TatortKalli gegen den bayrischen Jeffrey Dahmer
Manche Influencer tun wirklich alles für die Klicks. Aber Hundewelpen quälen? Das funktioniert wohl nur in einer besonders perversen Ecke des Internets, irgendwo zwischen Hinrichtungs- und Foltervideos. Um den Bewohner dieser virtuellen Welt handelt es sich im neuesten Tatort „Schau mich an“, dessen Titel auf den Geltungsdrang des Täters anspielt. Der zeigt sich in seinen Videos mit einer Eishockeymaske wie Jason aus „Freitag der 13.“, und schon bald sind es keine Hundewelpen mehr, die er quält, sondern Menschen.
Das bringt das Münchener Ermittlerteam auf den Plan. Und siehe da: Es wird der Fall des Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer), der nach einer Fortbildung mehr Expertise einbringen kann. Offenbar zur Belustigung seiner Kollegen Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Batic (Miroslav Nemec), die als Alphamännchen immer wieder den jüngeren Kollegen auf seinen Platz verweisen wollen. Irgendwie peinlich.
Tatort-Folge mit Cameo-Auftritt von Joshua Kimmich
Kleine Cameo-Auftritte sind mal mehr, mal weniger nützlich. Joshua Kimmich taucht kurz als Fitness-Influencer auf, wobei man ihn angesichts der Lage des FC Bayern vielleicht anderswo besser gebrauchen kann. Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) aus dem Wiener Tatort-Team liefert Tipps aus einem verwandten Fall. Um das psychologische Profil des Täters zu verstehen, suchen sich die Ermittler Hilfe bei der Suchtberaterin Lisa Berger (Aenne Schwarz), die Kalli zwischen den Flirts empfiehlt, stärker gegen die Kollegen aufzubegehren.
Und dazwischen immer wieder Videos des Hundequälers, sodass man festhalten muss: Für Tierliebhaber und zartbesaitete Menschen ist dieser Fall definitiv nichts, auch wenn die Filmschaffenden nur das Nötigste zeigen. Wirkungsvoll ist das allemal, und auch Spannung wird erzeugt, als die Ermittler dem Täter allmählich auf die Schliche kommen. Sie laufen sogar an ihm vorbei, als sie die Wohnung des Opfers durchsuchen.
Die Auflösung des „Tatort“-Falls kommt fix, dann wird es ein Thriller
Die Auflösung des Falls folgt erstaunlich schnell. Erst finden wir heraus, dass der Nachbar Lukas Wagner (Sammy Scheuritzel) der Täter ist, der sich offenbar eine Scheibe bei Jeffrey Dahmer abschneiden wollte (vielleicht sogar wortwörtlich). Dann kommt auch noch heraus, dass ausgerechnet die Suchtberaterin Lisa Berger den stets verwirrten Serienkiller anstachelt - und sogar das eine oder andere Opfer nach Hause bringt. Die Suchtberaterin hat sich bereits verdächtig gemacht, als sie gegenüber Kalli genau beschrieb, wie erregend der voyeuristische Blick nicht nur für den Folterer ist, sondern auch für den Zuschauenden.
Kalli will dem auf den Grund gehen, bloß wird ihm sein Soloausflug zu Lisa Berger zum Verhängnis. Er gerät in die Fänge des Serienkillerpaares. Hier wird der Krimi mehr und mehr zu einem spannenden Thriller um die drei Figuren, bei dem man nicht abschätzen kann, wen es am Ende erwischt.
Tatsächlich dringt Kalli irgendwie zu Lukas Wagner durch, und der lässt ihn frei. Seine Partnerin kommt nicht so gut davon: Er quält sie wie seine Opfer, ist aber unfähig, sie zu erledigen: „Es ist verdammt schwer, einen Menschen zu töten“. Als Leitmayr und Batic den Täter stellen und er sie mit seiner Waffe bedroht, wird er erschossen.
Das Fazit zum „Tatort“ – „Schau mich an“
Von der Struktur der Handlung ist es geradezu ästhetisch, wie Kalli den Serienmörder überzeugen kann, ihn einfach gehen zu lassen. Denn während der Täter auf der Suche nach Anerkennung praktisch alles für seine Partnerin tut, muss Kalli für die Anerkennung seiner Kollegen mehr Kontra geben. Der eine geht auf der Suche nach Anerkennung unter, der andere darf hinfort die Dienstälteren duzen. Grundsätzlich gehören Kalli die Highlights der Folge, der so schon vor Leitmayrs und Batics Rente etwas Bühnenlicht abbekommt.
Man muss dem Fall aber vorwerfen, dass er zu konventionell ist, um in Erinnerung zu bleiben, auch in filmischer Hinsicht ist wenig erwähnenswert. Erfrischend ist, dass wir gerade aufgrund dieser Konventionen den ulkigen und verwirrten Lukas schnell zum eiskalten Serienmörder machen, der es aber gar nicht übers Herz bringt, jemanden zu töten.
So weit, so gut, aber sie zu foltern soll einfacher sein? Auch wenn die Geschichte um den psychisch kranken Lukas Wagner tragisch ist, hält sich das Mitleid für den Folterer stark in Grenzen. Und seine Partnerin Lisa Berger bleibt geradezu schemenhaft in ihrer Motivation. Da eine Geschichte über Serienmörder stark von den Antagonisten lebt, gibt es hier Punktabzug. Unterm Strich ist „Schau mich an“ ein durchschnittlicher Tatort, der vor allem Fans von Kalli Hammermann gefallen dürfte.