So wird der „Polizeiruf 110“Eine Herausforderung für Ermittler und Zuschauer
München – Es scheint Diskoabend in der Schlittschuhhalle in München zu sein, jedenfalls ist Billie Eilish über die Lautsprecher zu hören. Die Lyrics „I’m the bad guy“ dröhnen durch die Halle.
Keine zufällige Songwahl, natürlich. Aber wer der „bad guy“ in dieser Folge „Polizeiruf 110“ ist, müssen die Kommissarin Elisabeth „Bessie“ Eyckhoff (Verena Altenberger) und ihr neuer Ermittlungspartner Dennis Eden (Stephan Zinner) noch herausfinden. Über die Details dieses Falls herrscht jedoch nicht nur bei den Ermittlern, sondern auch bei den Zuschauern lange Unklarheit.
Das Opfer ist ein 16-jähriges Mädchen
In einem Park wird die Leiche einer jungen Frau entdeckt. Sie wurde erstochen, in Plastik gewickelt, vergraben. Nur noch anhand des Gebisses ist die Leiche zu identifizieren: Es ist die 16-jährige Laura Schmidt, die zuletzt beim Verlassen der Schlittschuhhalle gesehen wurde.
Schnell erkennt Eyckhoff Parallelen zu einem Vermisstenfall, der bereits zwei Jahre zurückliegt: die ebenfalls 16-jährige Anne Ludwig, damals auch Schlittschuhläuferin, ist noch immer spurlos verschwunden, und hat verblüffende Ähnlichkeiten mit der ermordeten Laura.
„Der Schlittschuhmörder von der Isar“
Hängen diese Fälle zusammen? Ist von einem Serienmörder auszugehen? Eyckhoff lässt dieser Gedanke nicht los, ihr neuer Kollege Eden ist hingegen skeptisch. „Tod auf dem Eis. Der Schlittschuhmörder von der Isar“, so stellt sich Eden scherzhaft schon die Schlagzeile vor.
Tatsächlich würde die Schlagzeile gar nicht schlecht als Titel für diese Folge taugen – aussagekräftiger als der tatsächliche Titel „Das Licht, das die Toten sehen“ wäre sie definitiv. Aber wer sich an die Titel älterer Folgen erinnert, „Die Lüge, die wir Zukunft nennen“ oder gar „Frau Schrödingers Katze“, dem sind die abstrakten Betitelungen der Münchener Folgen schon altbekannt.
Bald taucht die Mutter der vermissten Anne, Caroline Ludwig, im Kommissariat auf. Und nicht nur dort, auf einmal erscheint sie überall. An jeglichen Orten steht sie plötzlich, steif, in ihrem langen brauen Mantel, mit totem Blick, und beobachtet.
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Vor allem die junge Dealerin Steffi lässt Ludwig nicht aus den Augen, denn auch sie hat große Ähnlichkeiten mit Laura und Anne. Ein sehr auffälliges Verhalten, keine Frage. Und als sich herausstellt, dass Caroline Ludwig eine der letzten Personen war, mit der Laura vor ihrem Tod gesprochen hatte, stehen die Karten für die psychisch labile Mutter schlecht.
Dieser Fall des Münchener „Polizeirufs“ fordert seine Zuschauer. Das Drehbuch (Sebastian Brauneis, Roderick Warich) spielt mit Zeitsprüngen, verschiedenen Orten und Handlungssträngen, die erst im Verlauf des Falls zusammengeführt werden. Hinzu kommt eine bedrückend Atmosphäre, die besonders durch die Kamera (Ralph Netzer) und die stets düsteren Lichtverhältnisse erzeugt wird, und die, wie so oft, das triste Leben in einer Hochhaussiedlung widerspiegelt, das von einer blühenden Drogenszene befallen ist.
Blicke sagen mehr als Worte
Über diese Klischees hinaus gelingt es dieser Folge jedoch, eine innere Anspannung beim Zuschauer zu erzeugen - entspanntes Abendentertainment ist dieser „Polizeiruf“ also mit Sicherheit nicht. Aber Fans von Psychothrillern werden wohlmöglich Gefallen an dem außergewöhnlichen Erzählstil dieser Folge finden. „'Das Licht, das die Toten sehen' ist ein Krimi,“ so erklärt es der Regisseur Filippos Tsitos, „der eher mit Blicken und durch Atmosphäre erzählt wird und viel weniger durch Dialoge.“ In dieser Folge bleibt vieles ungesagt, wodurch man sich nie ganz sicher sein kann, ob alles wirklich so ist, wie es scheint.