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Taschen-BildbandRobert Doisneau schuf Welttheater mit Paris in der Hauptrolle

Lesezeit 3 Minuten
Kinder stehen aufgereiht an einer Wand. Auf dem Kopf eines Jungen sitzt ein Vogel.

Aus dem Paris-Bildband von Robert Doisneau, erschienen im Kölner Taschen Verlag

Der Fotograf Robert Doisneau prägt unser Bild von Paris bis heute. Ein neu aufgelegter Bildband feiert sein Werk.

Die Welt schaut auf Paris. Nicht, dass dies so ungewöhnlich wäre. Doch in diesen olympischen Wochen steht die französische Metropole ganz besonders im Fokus der Aufmerksamkeit. Da ist es höchst willkommen, dass der Taschen-Verlag einen Bildband anbietet, der den Charme der Stadt bekräftigt: „Robert Doisneau – Paris“. Zu besichtigen ist ein Schatzhaus der Bildkunst – reich an Poesie und Pointen, voller Melancholie und Mitgefühl. In der Hauptrolle: Paris.

Robert Doisneau (1912-1994) ist der Fänger der Alltagsmomente und der Porträtist der magischen Metropole. Die frühen Bilder, die späten Bilder – sie sind durchweg sehenswert. Doch es sind vor allem die Fotografien aus dem Paris der Jahre zwischen 1945 und 1960, in denen der Zeitgeist am intensivsten zum Ausdruck kommt.

Hier ist Paris genau der Sehnsuchtsort, wie das Klischee es behauptet

Das bringt schon die Gewichtung in diesem Band zum Ausdruck: Dieses dritte von fünf chronologisch angeordneten Kapiteln nimmt die Hälfte des gesamten Buches ein. Hier leuchtet die Metropole, wie man sie nicht schöner träumen kann, mit Cafés und Bistros, mit Simone de Beauvoir und Jacques Prévert. Mon dieu, hier ist Paris genau der Sehnsuchtsort, wie das Klischee es behauptet.

Robert Doisneaus Fotografien, schreibt Herausgeber Jean Claude Gautrand (1932-2019) in dieser aktualisierten Neuausgabe, wirken vollkommen authentisch: „Jedes seiner Bilder ist letztlich ein Selbstporträt des Mannes, der sich durch seine menschliche Wärme, Feingefühl, Takt und Respekt vor den Mitmenschen, vor allem aber durch einen unglaublichen Sinn für Solidarität auszeichnete.“

Nie macht sich Robert Doisneau über seine Protagonistinnen und Protagonisten lustig. Auch verklärt er sie nicht oder stellt sie bloß, sondern belässt ihnen ihre Würde. „Melancholie und Mitgefühl“ seien möglicherweise unbedeutende Werte, sagte er einmal, „aber sie sind es, die mich am meisten bewegen.“ Dass auch Mühsal zum Leben gehört, verschweigt der Fotograf nicht. Doch das Leiden selbst wird nicht ins Bild gerückt – ein gestürztes Pferd am Straßenrand scheint das Äußerte zu sein, was sich Robert Doisneau in dieser Rubrik erlaubt.

Zuweilen übernahm Robert Doisneau selbst die Regie, um die Szenen seines Pariser Welttheaters zu optimieren

Nicht selten sind es „Schnappschüsse“, die gesichert sind für die Ewigkeit: die Braut in der Kneipe, der Monsieur mit dem Kaninchen im Grünen, der Schüler beim Schielen in der Schule. Allerdings übernahm Robert Doisneau zuweilen selbst die Regie, um die Szenen seines Pariser Welttheaters zu optimieren. „Le Baiser de l'Hotel de Ville“ gilt als sein berühmtestes Bild und ziert folgerichtig das Cover des Bandes; aufgenommen hat er es im Auftrag des Magazins „Life“, das sich dem Thema „Verliebte in Paris“ widmen wollte.

Der Fotograf hat das Paar eines Tages zufällig beim Küssen beobachtet. Aber ohne Kamera. Zum Glück waren es Schauspielschüler. Also bat er die beiden darum, die Szene gegen Entlohnung zu wiederholen. An unterschiedlichen Orten in der Stadt. Ikonisch wurde dann die Kuss-Version vor dem Rathaus. Sie bekräftigte den Ruf von Paris als Stadt der Liebe. Die Aufnahme entstand – solche Zufälle gibt es - im Jahre 1950, als Édith Piaf ihre „Hymne à l’amour“ auf Platte einspielte. Es ist eben jener Song, mit dem Céline Dion soeben die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele spektakulär gekrönt hat.

Im frischen Vorwort zur neu arrangierten Monografie beschreiben Francine Deroudille und Annette Doisneau ihren Vater als „hartnäckigen Arbeiter“. Und sie erinnern sich an einen seiner Scherze: „Für einen Fotografen sind die ersten siebzig Jahre ziemlich mühsam, danach geht es bergauf.“ Tatsächlich gab es auch in der Karriere des Fotografen „schwierige Jahre“, wie ein Kapitel für den Zeitraum zwischen 1960 und 1980 überschrieben ist. Und heute? Da sitzt Robert Doisneau, das bezeugt dieser Band in schwarz-weißer Opulenz, fest im Olymp der Fotografie.


Jean Claude Gautrand: „Robert Doisneau – Paris“, Taschen Verlag, dreisprachige Ausgabe (englisch, französisch, deutsch), 440 Seiten, 50 Euro.