So war der „Tatort“ aus GöttingenFlache Charaktere, machohafte Migranten
Der Fall
Ein Spaziergänger findet in einem Park die Leiche der Studentin Mira. Zur gleichen Zeit treibt in Göttingen ein Serientriebtäter sein Unwesen, die Öffentlichkeit nennt ihn „Wikinger“, da er die Frauen mit einem altertümlichen Messer bedroht. Da das Opfer vor ihrem Tod auch sexuell missbraucht wurde, fällt der Verdacht schnell auf den gesuchten Sexualstraftäter. Aber: Der Spaziergänger meint am Tatort noch einen Mann fluchtartig auf sein Fahrrad steigen und davonfahren gesehen zu haben. Und der sei eindeutig nicht europäisch gewesen, im Gegensatz zum „Wikinger“. Außerdem: „Das war ja auch keine europäische Tat.“
Die Auflösung
Durch diese und andere fragwürdige Aussagen wirkt der Zeuge nicht gerade vertrauenswürdig. Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) will der Spur trotzdem nachgehen und sich nicht auf den „Wikinger“ versteifen. Anaïs Schmitz (Florence Kasumba) dagegen nimmt Anstoß an Lindholms Ermittlungsansätzen und verfolgt weiter den Serientriebtäter. Lindholm findet schnell heraus, dass das Opfer in der Flüchtlingshilfe aktiv war. Sie hat ein Fußballspiel mitorganisiert, sieben Tage sollen die Flüchtlinge am Stück Fußball spielen und damit einen Guinness-Weltrekord aufstellen, niemand darf den Fußballplatz verlassen – daran glaubt Lindholm aber nicht. Da sie keinen Massen-DNA-Test machen darf, lässt sie die DNA vom Tatort nach Holland für eine Analyse der biogeografischen Herkunft schicken, in Deutschland ist das nicht erlaubt.
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Zeitgleich findet Schmitz einen Hinweis zum „Wikinger“ und kann ihn tatsächlich aufspüren. Für Lindholm verliert das Verhör des Serientriebtäters aber an Interesse, als das Ergebnis ihrer Analyse kommt: nicht eindeutig. Also auch nicht eindeutig europäisch. Sie erlangt einen Durchsuchungsbefehl für einen Flüchtling, mit dem das Opfer viel Zeit verbracht hatte. DNA-Spuren aus seiner Wohnung passen zu Spuren vom Tatort, aber der Mann ist seit Tagen unauffindbar.
Für „Tatort“-Fans
„Tatorte“ gibt es viele: klassisch, experimentell, spannend oder doch eher langweilig? In unserer Vorschau erfahren Sie immer bereits ab Samstag, wie der kommende „Tatort“ werden wird.
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Am Ende ist es weder der „Wikinger“, noch der dem Opfer nahestehende Flüchtling, sondern ein anderer Flüchtling. In welcher Beziehung er zum Opfer wirklich stand, warum er sie umgebracht hat, das alles wird nicht geklärt. Klar ist nur: Seine DNA passt auch zu Tatorten in Italien und Holland, das war nicht sein erster Mord.
Fazit
Charlotte Lindholm muss in diesem „Tatort“ immer wieder mit ihren eigenen Vorurteilen kämpfen. Als sie auf dem Fußballplatz einen Mann befragen will, schreit sie die Flüchtlinge an, in diesem Land würden Frauen respektiert, „hier können Frauen euch einsperren!“ Die Thematik ist wichtig und immer noch hochaktuell, auch wenn die Folge schon vor längerem gedreht und verschoben wurde. Leider bietet der „Die Rache an der Welt“ wenig Überraschendes, wenig Spannung. Die Charaktere bleiben zu großen Teilen flach, von Stereotypen gezeichnet. Am Ende ist der „böse Afghane“ der Täter, warum er getan hat, was er getan hat, ist irrelevant. Lindholm muss sich immer wieder vor machohaften Migranten beweisen und balanciert dabei auf einem schmalen Grat zwischen Rassismus und Feminismus. Auch Kameraarbeit und Musik waren kaum überzeugend.
Dieser „Tatort“ wird einer Furtwängler-Jubiläumsfolge, sie ermittelt nun seit 20 Jahren als Lindholm, nicht gerecht. Der Autor Daniel Nocke machte es sich zu leicht mit der Geschichte (Regie: Stefan Krohmer). Diese Thematik hätte mehr Tiefgang und Spannung verdient. So werden die Zuschauer schon kurz nach Ende wahrscheinlich die Hälfte der Handlung vergessen haben.