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„Tatort: Die Kalten und die Toten“Bedrückender Blick in die Abgründe eines Mörders

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Die Kommissare Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) befragen die Verdächtige Julia Hoff (Milena Kaltenbach).

Berlin – Der Fall

Die Medizinstudentin Sophia Baader (Laura Sophie Warachewicz) hat sich über eine Dating-App zum One-Night-Stand mit dem Paar Dennis Ziegler (Vito Sack) und Julia Hoff (Milena Kaltenbach) getroffen. Am nächsten Morgen wurde ihre Leiche nackt und entstellt in der Nähe der Wohnung von Dennis Ziegler gefunden. Als die Kommissare Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) Einblicke in die prall gefüllte Polizeiakte des jungen Mannes erhielten, war der Fall für sie schnell klar. Doch Dennis Mutter Doris (Jule Böwe) tat alles, um ihren Sohn zu schützen. Und auch Sophias Eltern waren sich sicher: Bei der Toten könne es sich nicht um ihre Tochter handeln.

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Für das Ermittler-Duo begann eine aufreibende Tour in die Abgründe zweier Familien, an deren Ende die Erkenntnis steht: Die Kinder sind nicht so unschuldig, wie die Eltern versucht haben, zu glauben.

Die Auflösung

Sophia Baader war bisexuell und hatte sich ursprünglich mit Julia Hoff über die Dating-App zum Sex verabredet. Sie kam nach einer Party zu ihr und Dennis nach Hause und schlief mit Julia. Anschließend ging Julia duschen.

Währenddessen vergewaltigte Dennis Sophia. Als sie sich wehrte, erschlug Dennis sie mit einer Glasflasche. Julia half ihm, die Leiche aus der Wohnung zu bringen. Gemeinsam legten sie sie am gegenüberliegenden Engelbecken ab. Dort zertrümmerte Dennis das Gesicht der Toten: Sie habe ihn angeschaut. Am nächsten Morgen reinigte Dennis Mutter Doris die Wohnung. Obwohl sie ahnte, dass ihr Sohn etwas Furchtbares getan hat, versuchte sie ihn zu schützen.

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Die eigentliche Aufgabe für die Kommissare Rubin und Karow war es, Doris dazu zu bringen, sich dem wahren Gesicht ihres Sohnes zu stellen. Das gelang ihnen durch eine Reihe von Psychospielchen. Doch auch wenn Doris am Ende half, ihren Sohn zu überführen, liegen zwei Familien in Trümmern. Sophias Vater hat Selbstmord begangen. Doris verlor nicht nur ihren Sohn, sondern musste zudem erkennen, dass ihr Mann sie seit Jahren betrogen hat. Der Fall ist zwar gelöst, doch gut ist nichts.

Empathie

Wie Drehbuchautor Markus Busch erklärt, hat ihn und Regisseur Torsten Bierkens in diesem „Tatort“ eine zentrale Frage beschäftigt: Und zwar, „welches Maß von Gefühllosigkeit und Egozentrik es braucht, um Tötungsdelikte zu begehen, wie sie immer wieder vorkommen, weil sie offenbar ein so fester wie trauriger Teil unserer Gesellschaft sind.“

Dennis Ziegler verkörpert diese Empathielosigkeit. Scheinbar völlig unbewegt, forderte er von seinen Eltern, besonders aber von seiner Mutter, hinter ihm aufzuräumen und das Blut wegzuwischen, das er erst am Abend zuvor vergossen hatte. Reue kennt er offensichtlich nicht.

Moralisches Dilemma

Gleichzeitig beleuchten Busch und Bierkens, wie weit eine Mutter gehen würde, um ihren Sohn zu schützen. Wie weit Eltern bereit sind, ihre Augen vor der wahren Persönlichkeit ihres Kindes zu verschließen. Auch die beiden Ermittler Rubin und Karow werden durch die Verdrängung der Eltern an ihre Grenzen getrieben. „Als klar wird, dass die Ermittlungen scheitern werden, wenn es nicht gelingt, diese Geheimnisse ans Licht zu holen, treibt es die beiden an einen Punkt, an dem sie ihre üblichen Methoden über Bord werfen müssen. Das ist dann auch ein spannendes moralisches Dilemma, eine menschliche Herausforderung“, erklärt Busch.

Fazit

Völlige Empathielosigkeit macht einen Menschen naturgemäß böse. So ist es kein Wunder, dass dieser „Tatort“ von der ersten bis zur letzten Minute düster und eiskalt ist. Die Kälte spiegelt sich in der Bildsprache, in der winterlichen Szenerie und den Dialogen wider. Der Ton ist rau, zuweilen geradezu dreckig. Die Handlungen der Charaktere ebenso. Einen moralischen Kompass scheint es nicht zu geben, selbst die Ermittler verlieren ihn zwischenzeitlich.

„Ich will endlich mal was Warmes, was Schönes, was Lustiges, was Lebensfrohes“, konstatiert Nina Rubin gegen Ende der Folge und bringt damit die Sehnsucht nach Empathie und Menschlichkeit zum Ausdruck, die diesem Berlin-Krimi vollends abgeht. Die knapp 90 Minuten sind schwer zu ertragen und bedrückend in ihrer Trostlosigkeit. Doch genau das war das Ziel von Drehbuchautor Markus Busch und Regisseur Torsten Bierken. Das Psychogramm eines Mörders zu zeichnen, ist ihnen gelungen.