Die Journalistin und Ärztin Gilda Sahebi veröffentlicht mit „Unser Schwert ist Liebe“ eine Hommage an all die mutigen Menschen im Iran.
Buch über die feministische Revolte im Iran„Aufmerksamkeit ist das einzige, was Leben rettet“
Am 16. September 2022 änderte der Tod von Jina Mahsa Amini den westlichen Blick auf den Iran, setzte die Republik auf die Agenda der Medien. Aminis Ermordung in Haft, weil sie ihr Kopftuch laut Sittenpolizei falsch trug, löste Proteste aus – eine feministische Revolte. Doch dass das iranische Volk schon seit der Revolution 1979 gegen das Regime protestiert, ist den meisten Menschen in Deutschland nicht bewusst.
Dabei gebe es seit mehr als 40 Jahren vor allem eine Konstante im Iran, findet Gilda Sahebi: Das Regime arbeitet mit Angst. Setzt das Volk mit Psychoterror und Gewalt unter Druck. Missachtet eigene Gesetze, um Macht zu behalten. Iranerinnen und Iraner wollen dieses Regime nicht, schreibt die deutsch-iranische Journalistin und Ärztin. Sie wollten es noch nie. Sie wollen Freiheit: „Seit 1979 geben Menschen, jung und alt, im Iran ihr Leben, weil es keinen anderen Weg zu geben scheint, das Land zu befreien“, schreibt sie in ihrem Buch „Unser Schwert ist Liebe“, das gerade bei S. Fischer erschienen ist.
Der Unterschied zwischen den Protesten der letzten Jahre und dem der letzten Monate sei die Aufmerksamkeit, die es jetzt gibt, so Sahebi: „Es geht um Jin, Jiyan, Azadî – Frau, Leben, Freiheit. Ihr Ruf hat nach jahrzehntelangem Schreien in Leid die Welt erreicht“. Die Autorin meint, dass Aufmerksamkeit das einzige ist, was Leben retten kann.
Und schreibt deshalb im Buch aufmerksam und aufwändig recherchierte Geschichten auf, von Menschen, die ihr Leben für die Freiheit gegeben haben, die unerbittlich für Gleichberechtigung kämpfen. Menschen, die alle Namen haben, die genannt werden sollen. Diese Namen listet sie zum Schluss auf – es sind 489.
Gilda Sahebi schreibt über 44 Jahre Protest im Iran
Sie nutzt die Geschichten, um ein gesamtes Bild des Irans zu zeichnen. Die einzelnen Geschichten, die Sahebi immer und immer wiederholt, fügen sich zu einem Narrativ zusammen. So bildet sie nicht nur die derzeitigen Entwicklungen ab, sondern vermittelt das Klima des Terrors, der in der Republik seit Jahrzehnten herrscht. Sie kritisiert auch stark und fundiert die westliche Politik und die westlichen Medien, für ihr Wegschauen.
Gilda Sahebi schafft es dabei Hoffnung zu vermitteln, obwohl sie den Schleier der jahrelangen Illusion zu hebt. Sie stellt diese herzzerreißenden, blutigen Geschichten im Detail dar und zeigt die Grausamkeit eines Regimes, das „Unterdrückung der Frauen zu seiner Daseinsberechtigung“ macht.
Häufig möchte man das Buch zuschlagen, in eine Ecke schmeißen, weinen, schreien, brechen. Denn Sahebi beschreibt bewusst und explizit die Gewalt des Regimes. Einfacher wäre es, nicht weiterzulesen, die traurigen Schicksale, von denen sie ohne Beschönigung berichtet, zu verdrängen. Doch das ist, betont sie immer wieder, was wir nicht tun dürfen.
„Unser Schwert ist Liebe“: Appell, hinzuschauen und zuzuhören
Ebenso detailliert wie Gewalt und Verbrechen beschreibt Sahebi nämlich die Macht von Mitgefühl und von lauten sowie leisen Geschichten: „Jedes Wort, das gesprochen wird, jede Geschichte, die erzählt wird, hat Macht. Hat Kraft. Wir können erst einmal nur uns selbst verändern, an uns selbst arbeiten. Mit uns wird sich dann aber die Welt verändern“, schreibt sie. Durch den ständigen Appell „Hört zu! Schaut nicht weg!“ hebt man das Buch dann immer wieder auf, schlägt es auf und schaut hin, hört zu.
„Unser Schwert ist Liebe“ – der Titel zitiert einen Musiker, der diesen Satz kurz vor seiner Hinrichtung rappte. Diese Liebe, diesen Mut, liest man immer wieder zwischen den Zeilen der grausamen Geschichten: Wenn Sahebi von trauernden Eltern berichtet, die ihre ermordeten Kinder ehren. Wenn sie von tanzenden Protestierenden berichtet, die wissen, dass das ihren Tod bedeuten kann. Wenn sie von Journalistinnen und Journalisten, Anwältinnen und Anwälten, Ärztinnen und Ärzten berichtet, die nicht einmal daran denken, ihren Beruf nicht für die Revolution zu nutzen.
Die Proteste im Iran basieren auf Mut und Liebe
Gilda Sahebi berichtet von all diesen Menschen mit Ehrfurcht, lässt bei Themen, zu denen sie selbst keine Bezugspunkte hat, betroffene Menschen zu Wort kommen. Sie erzählt auch persönliche Geschichten von ihrer Familie. Sahebi ist im Iran geboren, aber jung nach Deutschland gekommen.
Es sind all diese Geschichten des Kampfes für Freiheit und Demokratie, die Mut machen. Weil sie zeigen, dass das iranische Volk unermüdlich gegen das Regime kämpft – nicht mit Gegengewalt, sondern mit Liebe. „Das Regime hat schon verloren. Die Menschen. Seine Existenzberechtigung“, schreibt Sahebi. „Macht, Geld und Einfluss haben keine Chance gegen das, wofür die Menschen im Iran kämpfen: Frau, Leben, Freiheit. Und für die Liebe zueinander.“